Hans Karl Graf von Thüngen blickt ernst aus seinem Feldharnisch. Die weiße Alongeperücke bedeckt sein Haupt. In der rechten Hand hält er den Marschallstab, die Linke stützt er auf den Helm. Gut verpackt im Karton mit der Nummer 2112 wird das Ölgemälde in einer kleinen Kammer irgendwo in Giebelstadt aufbewahrt. Zusammen mit vielen anderen, bedeutenden Kunstschätzen aus der Sammlung der Freiherrn von Zobel wird es hier gelagert. Das Porträt des Grafen von Thüngen dürfte zu den herausragendsten Werken aus dem Zobelschen Besitz gehören. Seit einigen Jahren hängt es nicht mehr im Stammschloss des fränkischen Uradels in Giebelstadt.
Der Fall Zobel beginnt im September 2002: Bei den Denkmalschützern bricht Hektik aus. Die Außenstelle des Landesamtes in Schloss Seehof bei Bamberg bekommt einen Versteigerungskatalog in die Hand. Ein Auktionshaus aus Bayreuth lädt für den 21. September zur Auktion in den Ahnensaal des Stammschlosses derer von Zobel nach Giebelstadt ein. 2713 Exponate sollen versteigert werden. Etwa die Hälfte stammt aus der Sammlung Zobel. Darunter Glas, Porzellan, Möbel mit Familien-Wappen, Gartenplastiken, Uhren, Waffen und Gemälde. Alles, was der Zobelsche Haushalt zu bieten hat, sollte unter den Hammer.
Unter den Exponaten befindet sich nicht nur das Richtschwert, mit dem Ritter Wilhelm von Grumbach 1567 auf dem Marktplatz zu Gotha hingerichtet wurde, auch Bildnisse von fränkischen Adligen, darunter viele Familienporträts, ein barocker Spieltisch und der Stammbaum der Adelsfamilie Zobel. Den Ausverkauf fränkischer Geschichte vor Augen, schickt das Landesamt noch am gleichen Tag ein Fax ans Landratsamt. Vier Tage später ergeht ein Schreiben der Behörde an Rudolf Stefan Freiherr von Zobel.
Er wird darauf hingewiesen, dass er für die Versteigerung des Schlossinventars eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis benötigt. Zobel beantragt diese einen Tag später. Kurz vor der Auktion, am 20. September, teilt das Landratsamt Zobels Anwälten mit, dass die Ausstattungsgegenstände nicht aus dem Schloss entfernt werden dürfen. Zobel habe 1979 mit dem Freistaat Bayern eine Vereinbarung abgeschlossen, so das Landratsamt damals. Darin habe er sich verpflichtet, keine Veränderung am Bau oder an der Ausstattung vorzunehmen. Die Abmachung mit dem Freistaat Bayern wurde zum Zwecke der Instandsetzung des Schlosses getroffen.
Abmachung hin, Abmachung her. Das Zobelsche Tafelsilber kommt trotzdem unter den Hammer. Bis auf 64 Kunstgegenstände. Diese hatten Experten des Landesamtes für Denkmalpflege, ein Kunsthistoriker der Würzburger Uni, Mitarbeiter des Landratsamtes und Hans-Peter Trenschel vom Mainfränkischen Museum fünf Tage vor der Auktion begutachtet und festgelegt, dass sie in Verbindung mit dem Schloss eine konkrete historische Funktion erfüllen. Vor allem die Ahnengalerie der Zobels. Das Landratsamt untersagte Zobel darauf die Versteigerung dieser Exponate. Und sollten sie doch bei der Auktion veräußert werden, so dürften sie ohne Erlaubnis der Unteren Denkmalschutzbehörde das Schloss nicht verlassen. Unter Vorbehalt ruft der Auktionator die Objekte doch auf. Doch das irritiert die Bieter. Sie trauen der Sache nicht ganz, halten sich mit ihren Geboten zurück. Und jene, die etwas ersteigern, wie beispielsweise zwei Rimparer, die das Höchstgebot fürs Richtschwert abgegeben hatten, dürfen es nicht aus dem Schloss entfernen.
Schließlich will der damalige Landrat Waldemar Zorn die rechtliche Auseinandersetzung mit Stefan von Zobel gütlich zu Ende bringen und bietet ihm 220 000 Euro für die 64 Objekte an. Zorn hatte vor, ein Regionalmuseum aufzubauen. Doch Zobel lehnt ab und seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden größer. Zobel muss die Sammlung noch im gleichen Jahr der Raiffeisenbank Ochsenfurt sicherungsübereignen. Weil die Banker fürchten, dass die 64 Objekte im Zobelschloss nicht mehr sicher sind, wird die Sammlung in ein Depot auf die Festung Marienberg überführt und dort erst einmal verwahrt.
Es kommt sogar soweit, dass sechs Jahre später das Stammschloss der Adelsfamilie Zobel in Giebelstadt zwangsversteigert wird. Walter Konrad, ein gebürtiger Giebelstadter, der in Texas lebt, bekommt den Zuschlag. Für 430 000 Euro erwirbt er die Schlossanlage, das Archiv der Familie von Zobel und die Schlosskapelle. Auf Nachfrage bestätigt Walter Konrad, dass ihm auch der auf der Festung Marienberg verwahrte Schlossinventar gehört – mit der Auflage, dass die Gegenstände weiterhin zum Schloss gehören. Konrad zahlt sogar die Lagerkosten für die Kunstgegenstände aus dem Schloss. Ein paar Jahre lang. Dann stellt er die Zahlung ein – und die Sammlung wird daraufhin nach Giebelstadt gebracht.
Hier liegt sie nun. Sauber in Kartons verpackt. Wann die Ahnengalerie der Zobels wieder im Schloss hängt, ist ungewiss. Denn eine Nutzung des vierflügeligen Baus ist erst einmal nicht in Sicht. Konrads Pläne, das Schloss zu einem romantischen Hotel umzubauen, wurden schnell beiseite geworfen. Der Wahl-Amerikaner hatte nicht mit den Auflagen des Denkmalschutzes gerechnet. Jetzt will er das Zobelschloss wieder verkaufen. 750 000 Euro möchte er für das denkmalgeschützte Gebäude, Teile davon stammen aus dem 14. Jahrhundert, haben. Allerdings sind auch Investitionskosten im Millionenbereich nötig, um das seit Jahren leer stehende Schloss in irgendeiner Form wieder zu nutzen. „Es gibt derzeit mehrere Interessenten, die an Konzepten arbeiten. Ein konkreter Verkauf steht allerdings nicht an“, lässt Konrad mitteilen.
Stefan von Zobel ist mittlerweile 74 Jahre alt und wird nur ab und zu noch in seiner alten Heimat gesehen. Er lebt, so heißt es, im Naturpark Altmühltal. Es ist ruhig um ihn geworden. Nur vor vier Jahren machte er noch einmal auf sich aufmerksam. Damals holte er das historisch wertvolle Archiv der Adelsfamilie aus dem Schloss und verschwand erst einmal damit. Erst Monate später gelang es den obersten bayerischen Archivaren, das Archiv zurück zu bekommen. Es ist nun im Darstadter Schloss untergebracht. Wer es nutzen möchte, muss sich ans Staatsarchiv in Würzburg wenden.