Es war ein großer Tag für die Kinder und Jugendlichen im Zentrum für Körperbehinderte (ZfK) am Heuchelhof, denn sie hatten gewonnen - naja, nicht ganz. Sie wurden Zweiter.
Was doch der Verkehrssicherheitspreis alles ins Bewusstsein rückt! Die Kinder – eine Schulklasse aus der Grundschule Heuchelhof und eine aus dem Zentrum für Körperbehinderte – profitieren nicht nur von den 2500 Euro Prämie, sondern haben auf dem Weg dahin auch viel gelernt: vor allem Sozialverhalten für den Alltag mit Behinderten. Da kann sich manch ein Erwachsener noch eine Scheibe abschneiden! Zur Preisverleihung kam neben anderen Ehrengästen auch Regierungspräsident Paul Beinhofer ins Zentrum für Körperbehinderte (ZfK).
„30 Prozent der Bevölkerung sind in ihrer Mobilität eingeschränkt.“
Regierungspräsident Paul Beinhofer
Für die Würzburger hat dieser Preis in erster Linie mit der Straßenbahn zu tun. Dass die Rollstuhlfahrer – „Rollis“ – beim Bau der Straßenbahn zum Heuchelhof seinerzeit völlig vergessen worden waren, ist längst verziehen. ZfK-Chef Hans Schöbel hatte damals sein Veto bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (WVV) eingelegt und damit eine um so engere Zusammenarbeit bewirkt, berichtete er nun bei der Feier im Zentrum.
Seitdem wurden zahlreiche Straßenbahn-Haltestellen umgebaut: Damit Rollstuhlfahrer, gehbehinderte und blinde Menschen ebenerdig in die Bahn gelangen, wurden Plattformen auf Straßenbahnniveau angehoben; später wurden Rillenplatten als Abstandskennzeichnung verlegt und zuletzt gelbe Kästen mit akustischen Ansagen der An- und Abfahrtszeiten angebracht.
Auch die Kinder selbst haben viel getan, um Behinderung als Normalität in ihren Lebensalltag zu integrieren. Es war dieses Zusammenspiel von Schülern der Heuchelhof-Grundschule und gleichaltrigen Behinderten aus dem Zentrum, das bei der Landesverkehrswacht Bayern, unterstützt von der Bayerischen Versicherungskammer, Anklang fand. Die Verkehrswacht lobt jährlich Preise für Verkehrssicherheitsprojekte aus, und dabei wurden die zwei Würzburger Schulen unter 31 Bewerbern jetzt gemeinsam Vize-Sieger.
Die Kinder hatten sich bei Besuchen in der jeweils anderen Schule kennengelernt – zum Beispiel auch beim gemeinsamen Basketballspielen, bevor sie dann zusammen weitere Unternehmungen starteten. Da wurde schnell klar: Behinderte sollten nicht nur schüchtern sein, sondern auch mal um Hilfe bitten. Umgekehrt sollten die Helfer die Behinderten nicht mit aufdringlichen Hilfsangeboten überschütten, sondern akzeptieren, wenn jemand – auch jemand mit Handicap – selbst entscheiden möchte.
Beinhofer, selbst Vizepräsident der Landesverkehrswacht, sagte: „Der Heuchelhof hat Maßstäbe gesetzt“. Schließlich seien 30 Prozent der Bevölkerung „in ihrer Mobilität eingeschränkt“, teils auch in ihrer Wahrnehmung, und in der zunehmend älter werdenden Gesellschaft müsse man mit noch mehr Handicaps rechnen. „Inklusive Verkehrserziehung“ – das Motto des Würzburger Projektes – ist also nicht nur Sache Einzelner.
Dies zu erleben, haben die Kinder den jeweiligen Schulleitungen und Lehrkräften zu verdanken, einbezogen auch Polizeibeamte und Mitarbeiter der Straßenbahngesellschaft, die eine Sonderfahrt ermöglicht hat. So wurde beispielsweise klar: Wenn ein Rollstuhl zwischen den Türen stecken bleibt, öffnen die sich automatisch wieder. In der Straba müssen sich alle gut festhalten, die Rollstühle sichern. Schwere Rücksäcke und Taschen gehören auf den Boden; alle müssen davon ausgehen, dass der Fahrer Kinder schlecht sehen kann – und müssen um so vorsichtiger sein.
Ob mit den Polizeibeamten Rainer Hellmann und Volker Amon, Straba-Fahrer Rainer Erhard oder den Schul-Mitarbeiterinnen Annette Weihrich und Waltraud Bühlmann-Mack: immer lernten die Grundschüler voneinander und hatten Spaß. „Das war ein cooler Schultag“, klang bei der Feier eine Stimme aus den Schüler-Reihen. Strippenzieher in Hintergrund waren unter anderem ZfK-Schulleiter Hans-Rainer Eck und seine Stellvertreterin Margot Frühauf, die Rektorin der Grundschule Heuchelhof Christine Dusolt und nicht zuletzt ZfK-Direktor Hans Schöbel.
Die beiden Schulen teilen sich das Preisgeld und überlegen noch dessen sinnvollen Einsatz. Hinzu kommt für das Körperbehindertenzentrum ein Extra-Preis von 1500 Euro von der Verkehrswacht Würzburg für relativ kleine Teleskop-Schienen (Rampen), die man im Rucksack mitnehmen kann. Dieses Geld überreichte ihr Vorsitzender Dieter Aufderhaar. Dazu ergänzte Schulleiter Eck, einige Elektro-Rollstühle seien „heutzutage wie Rennwägen“ ausgestattet, sie kämen nur schwer in die Straßenbahn. Mit den tragbaren Rampen sei das ganz einfach.