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Volksmusik ist Trumpf

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Volksmusik ist Trumpf

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    Altes in neuen Konserven: Bernd Dittl digitalisiert eine Schelllack-Platte.
    Altes in neuen Konserven: Bernd Dittl digitalisiert eine Schelllack-Platte. Foto: Alle Fotos: Beate krämer

    Wer an Volksmusik zur Weihnachtszeit denkt, hat mundartliche Weisen im Ohr und eine musizierende Familie vor Augen. Dass dieses Idyll ein Konstrukt vom Anfang des 20. Jahrhunderts ist, wissen Armin Griebel und Heidi Christ. Der Volkskundler und die Musikethnologin informieren und unterstützen Musiker und andere Interessierte in der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik in Uffenheim.

    Vor 30 Jahren haben die fränkischen Bezirke die Forschungsstelle eingerichtet. Nicht was wechselnde Ideologien unter „Volksmusik“ verstehen, sondern die breiten Überlieferungsströme historischer Gebrauchsmusik stehen seither im Zentrum des Interesses, also Musik, die zu bestimmten Gelegenheiten wie Kirchweih, Hochzeit, Dorftanz erklang. „Was man heute als Volksmusik im Radio und Fernsehen hört, nimmt nur ein enges Spektrum vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts heraus“, sagt Christ. Dieser Prozess betraf vor allem Oberbayern, Franken habe sich ihm widersetzt und sich auf eigene tradierte Stücke besonnen, ergänzt Griebel.

    Zusammen mit Archivar Achim Glowatzki und einer Sachbearbeiterin sammeln, erfassen, analysieren und systematisieren die Wissenschaftler Melodien, Texte und Tanzformen. Rund 183 000 Liedstrophen umfasst die Lieddatenbank der Forschungsstelle. In der Fachbibliothek können Besucher 10 000 Bände einsehen. Das Notenarchiv ist in den vergangenen Jahren so stark gewachsen, dass für Teile der rund 1 000 Kartons ein Ausweichquartier bezogen werden musste. Die handschriftlichen und gedruckten Hefte beinhalten Tanz-, Marsch- und Unterhaltungsmusik von etwa 1790 bis in die 1980er Jahre. Im Tonstudio lagern Tonträger von der Schelllack-Platte bis zur CD, die Bernd Dittl seit vier Jahren Stück für Stück digitalisiert.

    Obwohl die Forschungsstelle in der Alten Post kein Museum ist, gibt es hier reichlich zu sehen, vor allem Instrumente in allen Variationen. Angefangen vom Tischharmonium, das sich handlich in einen Koffer packen lässt, und großen Trommeln in der Eingangshalle hin zu Schränken mit Blasinstrumenten und unzähligen Akkordeons. Die prächtigsten Stücke mit eingelegten Mustern stammen aus Italien. Auch Nachbauten von Dudelsäcken, die man eher in Schottland vermuten würde, lagern hier. Ihnen Töne zu entlocken ist aber gar nicht so einfach.

    Einen besonderen Schatz haben die Wissenschaftler im Antiquitätenhandel in Ansbach entdeckt. Bei dem etwa 90 Jahre alten „Tanzbär“ handelt es sich um einen Musikautomaten in Bandoneon-Form, ein selbstspielendes Akkordeon. Der Spieler muss das Instrument nur über den Balg mit Luft versorgen. Den Rest erledigen die Notenbandrollen im Inneren.

    Nicht nur für gesungene und gespielte Weisen oder Archivmaterial interessieren sich die Forscher. Sie begeben sich auch direkt vor Ort, besuchen Veranstaltungen, befragen Zeitzeugen. Heidi Christ hat sich auf Anregung des unterfränkischen Trachtenverbandes mit Tänzen beschäftigt. Das überraschende Ergebnis: So mancher Tanz, der heute als uralt und traditionell gilt, hat seinen Ursprung erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Volkspädagogische Bestrebungen in den Nachkriegsjahren, gerichtet an junge Erwachsene, erbrachten neue Trachten und neue Tänze, die in Kombination mit fränkischen Weisen der Tradition einverleibt wurden.

    Ihre Forschungsergebnisse behalten Christ und Griebel nicht für sich. Sie veröffentlichen regelmäßig Fachpublikationen. Sie beteiligen sich an Ausstellungen. Immer wieder sind Studierende in den Räumen der Uffenheimer Innenstadt zu Gast, um dort zu recherchieren. Aber auch praktizierende Musiker und andere Interessierte finden hier Ansprechpartner. Radiohörer fragen regelmäßig nach Noten oder bestimmten Gruppen. Musikanten oder Chöre können auf die Suche nach Notenmaterial gehen. Oder sie nutzen das Liederbuch, das die Forschungsstelle zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Volksmusik in Unterfranken erarbeitet hat, das schon 2 000 Mal verkauft wurde.

    Derzeit läuft auch in Uffenheim das Weihnachtsgeschäft. Der fränkische Kanon von Weihnachtsliedern speist sich aus verschiedenen Überlieferungssträngen. Wie in anderen Regionen bezieht man sich oft auf alte Hirtenspiele, die laut Griebel im Umkreis von Klöstern entstanden und in der Christmette zum Einsatz kamen. Natürlich gibt es auch in Franken moderne Werke. So habe vor allem der frühere unterfränkische Bezirksheimatpfleger Andreas Pampuch Komponisten zu neueren Vertonungen animiert, so Griebel. Daneben kamen Traditionen von Flüchtlingen etwa aus Schlesien dazu. Einen fränkischen Zungenschlag haben freilich die wenigsten Lieder. „Mit dem Herrgott redet man nicht in Mundart“, sagt Griebel.

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