Wie die neuen Strategien bei der Behandlung der Neurodermitis aussehen, konnten zahlreiche interessierte Eltern beim "Forum Gesundheit" im Felix-Fechenbach-Haus erfahren. Weil die Hautkrankheit, die bereits zehn bis zwölf Prozent der Kinder und Jugendlichen betrifft, die ganze Familie belastet, wurde bei dem von der MAIN-POST und der Gesundheitskasse AOK veranstalteten Abend auch die Würzburger Ambulante Neurodermitis-Schulung (WANS) vorgestellt. Sie bezieht die die Angehörigen mit ein. Ihr Ziel: Alle sollen lernen, mit der Krankheit aktiv umzugehen.
"Wir können Neurodermitis derzeit nicht heilen", stellte Prof. Dr. Dietrich Abeck, Facharzt für Dermatologie und Allergologie (München), gleich zu Beginn der Veranstaltung klar ("weder Schulmediziner noch Heilpraktiker"). Doch man könne den Betroffenen helfen "hervorragend" damit zu leben. Abeck vergleicht die Krankheit mit einem Puzzle: "Je mehr Bestandteile ich zusammen bekomme, desto besser ist das Bild."
Betroffen sind meist die ganz Kleinen: Fast 60 Prozent erwischt die Hautkrankheit bis zum ersten Lebensjahr. Aber auch der Prozentsatz derjenigen, die mit 50 zum ersten Mal damit Bekanntschaft machen, sei im Steigen. Der Mediziner berichtet von einer Studie, wonach das Wohnen auf einem Bauernhof und Haustiere das Risiko, an Neurodermitis zu erkranken, offenbar senken. Und "je mehr Geschwister, desto günstiger." Es habe aber keinen Sinn, mit dem kranken Kind auf einen Bauernhof zu ziehen.
Den Müttern empfiehlt der Arzt zu stillen ("mindestens vier Monate"). Die Pflege der Haut des Kindes bezeichnet er als "wichtigste therapeutische Maßnahme." Dazu gehöre die Basispflege. Um die Feuchtigkeit der Haut zu erhöhen, gibt es Zubereitungen mit Harnstoff oder Glycerin.
Bei kortisonhaltigen Salben, die zur Eindämmung der Entzündung bei Neurodermitis eingesetzt werden, hätten viele Eltern Angst vor Nebenwirkungen. Diese habe es in den 60er, 70er Jahren gegeben. "Mit modernen Kortisonpräparaten haben wir diese Nebenwirkungen nicht", sagt Abeck. Allerdings sei es immer Ziel, "das Kind auch ohne Kortison hinzubekommen." Seit zwei Jahren gebe es hierzu jetzt Alternativen, so genannte Calcineurininhibitoren, wie den Wirkstoff Pimecrolimus, der als Creme aufgetragen, bestimmte Entzündungsauslöser im Blut hemmt.
"Seit zwei Jahren haben wir Alternativen zum Kortison"
Prof. Dr. Dietrich Abeck, Facharzt für Dermatologie und Allergologie
Diese Präparate könnten die Haut nicht verdünnen und würden für bestimmte Regionen (Gesicht, Genitalbereich) bevorzugt. Infiziert sich die entzündete Haut mit Bakterien, durch Kratzen etwa, werde, "wenn es richtig nässt", mit Antibiotika behandelt.
Die richtige Kleidung für die Kinder sollte laut Abeck luftdurchlässig und antibakteriell sein (Baumwolle, Leinen, Mikrofaser). Zur Überraschung der Zuhörer sprach sich der Hautarzt bei der Wäschepflege für die sonst gescholtenen Weichspüler aus. So gespülte Unterwäsche habe ein "geringeres Irritationspotenzial", zeige eine Studie. Und die Kleidung soll die empfindliche Haut von Neurodermitikern ja möglichst wenig reizen.
Die Wechselbeziehungen zwischen Körper und Seele bei Neurodermitis und den großen Stress, den die Krankheit für Kind und Eltern bedeutet, vermittelte der zweite Referent des Abends, Diplom-Psychologe Oliver Gießler-Fichtner, den Besuchern anhand vieler Beispiele. Zusammenhänge zwischen psychischer Belastung und Hautzustand zeigten sich schon in Wendungen wie "dünnhäutig sein", "eine Gänsehaut kriegen", "aus der Haut fahren" oder "ein dickes Fell haben".
Der Referent, der seit zehn Jahren als Klinischer Psychologe an der Fachklinik Gaißach bei Bad Tölz arbeitet, sagte, dass bei 70 Prozent der Neurodermitiker psychische Faktoren eine wichtige Rolle spielten. Spannungen in der Familie, Machtkämpfe, Scheidung, die Geburt eines Geschwisterkindes, Terminstress, "all dies kann auch die Haut betreffen".
Beim Kind kämen Schuldgefühle wegen des Kratzens auf. "Hast Du schon wieder ...", schimpfen Eltern. Und die Juckreizschwelle wird bei Stress und Nervosität deutlich gesenkt, weiß der Psychologe, der auch über Kratz-Stopp-Techniken informierte, um aus dem "Teufelskreis" (von Juckreiz und Kratzen) herauszukommen. Wo "Schönheit und Attraktivität ständig von den Medien kolportiert wird", werde das belastete Kind gehänselt, berichtet er aus seiner Praxiserfahrung. "Wie siehst Du denn aus?", fragten Schulfreunde neugierig. Wegen seines Hautzustandes gerate das Kind in eine "Sonderrolle" mit vielen Einschränkungen im Alltag. Dazu kommt der gestörte Schlaf wegen des Juckreizes.
"Erforderlich ist hohe soziale Kompetenz", sagt Gießler-Fichtner. Die Frage sei: "Wie gehe ich mit der Krankheit um?" Hier setzt die Patientenschulung mit Entspannungstechniken, Stressbewältigung und Selbstsicherheitstraining an.
"Jedes Kind hat seine eigene Neurodermitis", weiß der Würzburger Kinder- und Jugendarzt Dr. Wolfgang Brosi, der die Arbeit der Würzburger Ambulanten-Neurodermitis-Schulung (WANS) und das Team an dem Abend vorstellte. Er empfiehlt den Eltern, das Training zu testen.
Informationen zur WANS gibt es bei Neurodermitistrainerin Doris Götz, Ilbingstraße 7, 97447 Frankenwinheim, Tel. (0 93 82) 88 10, FAX (0 93 82) 88 30 oder per E-Mail waas@wbrosi.de beziehungsweise unter www.waas.brosi.de