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WÜRZBURG: Vom Nachttopf bis zum Teppichklopfer

WÜRZBURG

Vom Nachttopf bis zum Teppichklopfer

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    Raten was im Sack ist: Begeistert schauen die Kinder zu, als Museumspädagogin Claudia Jüngling die Waschschüssel hervorholt.
    Raten was im Sack ist: Begeistert schauen die Kinder zu, als Museumspädagogin Claudia Jüngling die Waschschüssel hervorholt. Foto: Fotos: Th. Müller

    „Eine Gurkenreibe, das ist eine Gurkenreibe!“, ruft Dilara (acht Jahre alt). Das Mädchen ist sich sicher. Diesen Gegenstand hat sie Zuhause schon mal gesehen und da wurden damit eindeutig Gurken gerieben. „Nein, das ist eine Heizung“, sagt Fatih (elf). So ganz abwegig sind beide Ideen nicht. Der Gegenstand, den Claudia Jüngling (40) mitgebracht hat, ist aus Metall mit kleinen eingearbeiteten Dellen, ähnlich wie die Hobel bei einer Reibe. Es ist etwa 50 Zentimeter hoch, an einer Seite offen und hat einen Tragegriff. „Das hier ist ein Behälter, mit dem die Menschen früher Kohlebriketts geholt haben“, erklärt Jüngling.

    Museumspädagogin Claudia Jüngling ist zu Besuch im Schülerhort Heiligkreuz in der Zellerau. Sie gibt Kinderführungen in der Residenz und betreibt hauptberuflich ein mobiles Museum. Mit ihrem beigen Peugeot fährt sie zu Schulklassen, Kindergärten, in Behinderten- und Altersheime, aber auch zu Familienfesten. Im Kofferraum immer mit dabei: jede Menge alter Gegenstände.

    Seit Juni 2012 hat Claudia Jüngling ihr Museum im Auto. Lange konnte sie sich nicht für einen Namen entscheiden. Als sie wieder einmal bis spät abends grübelte, war ihr Mann irgendwann so genervt, dass er sagte: „Dann nenn' es halt Museum im Auto.“ Und Jüngling ist sich sicher: „Der Name MiAu ist so blöd, den vergisst niemand.“

    Den Kindern ist das egal. Sie wollen weiter raten. Als nächstes bekommen sie einen Nachttopf. „Das ist einfach. So was hat meine Puppe auch!“, ruft Dilara. „Aber für Babys ist das zu groß, die rutschen da ja rein.“ „Richtig“, bestätigt Jüngling. „Der Nachttopf ist für Erwachsene. Früher hatten die Menschen keine Toiletten im Haus und damit sie nachts nicht raus mussten, gab es Nachttöpfe.“

    Die Kinder sind fasziniert. Waren sie zu Beginn noch aufgeregt und konnten kaum still sitzen, hat es Claudia Jüngling nun geschafft, dass ihr alle zuhören. Kindgerecht erklärt sie alle Gegenstände, lässt den Kindern Zeit, greift aber durch, sobald es Zank gibt. Sie hat die Kinder im Griff. Die merken, dass sie bei der Pädagogin mehr erreichen, wenn sie sich nicht streiten.

    Ungeduldig greifen sie nach den unbekannten Gegenständen. Jeder darf tasten und raten. Jüngling passt auf, dass niemand zu kurz kommt. Die alte Kaffeemühle reicht sie weiter, sodass jedes Kind ein paar Bohnen mahlen kann. Den Kaffee bekommen die Erzieherinnen.

    Claudia Jüngling bietet verschiedene Programme an. Im Hort veranstaltet sie ihr Quiz mit den Kindern, die dieses Mal fast alle in der ersten und zweiten Klasse sind. Dabei hat sie viele alte Gegenstände, die die Kinder durch Fühlen, Riechen, Ausprobieren erraten sollen. „Kinder lieben es, Dinge anzufassen, die sie nicht kennen“, erzählt Jüngling. „Weil die Sachen so aus dem Zusammenhang gerissen sind, ist es besonders schwer zu erraten, wozu so ein Ding gut sein könnte.“

    Auch ein Lernangebot rund ums Brot hat Jüngling dabei. So können Schüler altes Brot mitbringen. Das weicht Jüngling dann in Milch ein und backt es mit den Kindern in einer Pfanne aus. Die Schüler bestreuen das Brot anschließend mit Zimt und Zucker und lernen so, dass auch altes Brot noch ausgesprochen gut schmecken kann.

    Dafür sind die Kinder im Hort noch zu klein. Sie haben von Jüngling einen Sack bekommen und fühlen mit geschlossenen Augen, was sich darin befinden könnte. „Eine Obstschüssel?“, fragt vorsichtig Efe (sieben Jahre alt). Fast richtig geraten, es ist eine alte Waschschüssel. „Erst seit wenigen Jahrzehnten gibt es fließend Wasser in den Häusern, vorher haben sich die Menschen in solchen Schüsseln gewaschen“, erklärt Jüngling. Als nächstes bekommen die Kinder eine alte Wärmflasche aus Zink. Hortleiterin Theodolinde Volpert (62) erzählt, dass sie die früher auch noch benutzt hat. „Was, so alt sind Sie?“, wundert sich Pablo (sechs). Für die Kinder sind die Gegenstände uralt, ihre Nutzung schon Jahrzehnte außer Mode.

    Viele Gegenstände hat Jüngling von zu Hause mitgebracht, wie einen aussortierten Pommes-Macher. Aber auch Fremde haben alte Gegenstände gespendet. Von einer Bäckerei gab es einen Brotschieber. Auch Jünglings Mann sorgt für ihre berufliche Zukunft vor. „Er sammelt alles und schmeißt selten irgendwas weg. In zwölf Jahren nehme ich dann Musik-Kassetten mit zum Quiz“, sagt Jüngling und lacht. „Die kennen die Kinder ja heute kaum noch.“

    Pablo, Dilara, Efe und die anderen Kinder sind kreativ. Aus einem Teppichklopfer wird ein Windmacher, aus dem Lockenstab ein Laserschwert. Doch Claudia Jüngling muss gut auf die Rasselbande aufpassen. Die Aufforderung, die Gegenstände auszuprobieren hat Pablo etwas zu ernst genommen. Flugs hat er sich mit dem Rasierer einige Haare abgeschnitten. „Das funktioniert ja“, ruft er begeistert. „Das kenn' ich, das gibt es auch in elektrisch.“

    Die Kinder haben gut mitgemacht, als Belohnung gibt es getrocknetes Obst. Und auch hier rät der Nachwuchs fleißig, welche Früchte das wohl sein könnten.

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