Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: von Ambesser feiert 60. Geburtstag

WÜRZBURG

von Ambesser feiert 60. Geburtstag

    • |
    • |

    Der Umzug von Wittenberg nach Würzburg ging so nebenbei. Es war während der Proben zu den Freilichtspielen am Stein im Jahr 1998. Auf dem Spielplan standen die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk.

    „Ich hatte schon eine Wohnung, aber keine Zeit zum Einrichten. Deshalb hab ich mir provisorisch einen Klapptisch mitgebracht und zwei Stühle, eine Waschmaschine, ein Stück Teppichboden, ein kleines Tischchen, an dem man die Beine abschrauben konnte, und ein Bett gekauft“, erinnert sich Gwendolyn von Ambesser. Die Schauspielerin, Regisseurin, Journalistin und Autorin sitzt in ihrer überquellenden Wohnstube.

    Die Tür zum blumengeschmückten Balkon ist offen. Zwischen zwei Häusern auf der gegenüber liegenden Straßenseite drängt sich das bauchige Käppele in den Blick. An den Wänden hängen sorgfältig eingerahmte Fächer, daneben Bilder. Überall stecken Fotos von den Eltern, von Aufführungen, von Freunden. Die Regale sind vollgestopft mit Büchern aus Italien, mit Romanen, Gedichtbänden, CDs und DVDs. Zwei Porzellanmöpse vom Flohmarkt, eine Gürtelschnalle aus Italien, eine Originalmarionette aus der Augsburger Puppenkiste quetschen sich dazwischen. Neben Sessel und Sekretär passt auch noch ein Trimmfahrrad.

    Der Eistee mundet, während „das Münchner Gwachs“ mit quicklebendig blitzenden Augen Rückblick hält. Die Tochter des bekanntesten Schauspielers, Filmregisseurs und Autors der Nachkriegszeit, Axel von Ambesser, ist gerade 60 geworden. Nach Schauspielausbildung debütierte sie in Aachen, spielte unter anderem in Hamburg, München und Frankfurt und arbeitete als Regieassistentin in Wien, München und Berlin. Später war sie auch in Film- und Fernsehproduktionen zu sehen.

    Durch die Bekanntschaft mit Rainer Binz ist Gwendolyn von Ambesser an den Main gekommen. Nach Wittenberg war Würzburg die Weltmetropole schlechthin in ihren Augen. „Bekennende Würzburgerin“ nennt sie sich heute und schätzt als „der verfrorenste Mensch schlechthin“ das milde Klima in der Weinstadt; das viele Grün ringsum erhöht ihre Lebensqualität. Aber das Wichtigste: hier darf sie „Komödie machen“, etwas, das sie „mit der Vatermilch“ mitbekommen hat. Für Gwendolyn von Ambesser ist es das pure Glück, die Zufallsgemeinschaft im Zuschauerraum zum Lachen zu bringen.

    „Als verfrorenster Mensch schlechthin schätze ich das das milde Klima in Würzburg“

    Gwendolyn von Ambesser

    Da die Mutter seinerzeit keinen Babysitter auftreiben konnte, war die kleine Gwendolyn mit drei Jahren zum ersten Mal im Theater. Mit offenem Mund staunte sie sich durch den „Eingebildeten Kranken“, spielte in den Pausen mit den Hauptdarstellern „Fangermandl“ und konnte sich fortan ein Leben ohne die Bühnenbretter nicht mehr vorstellen. Ab dem achten Lebensjahr entdeckte das Mädchen die Oper, mit zehn schmökerte sie sich durch Schillers gesamte Werke, mit elf verliebte sie sich in Hermann Prey und Peter Kraus.

    In Würzburg fällt von Ambesser auf, wenn sie gemächlich in die Pedale ihres Drahtesels tritt und so durch die Stadt schaukelt. Man kennt sie, wenn sie wieder einmal Regie geführt hat und zum Schlussapplaus auf der Bühne des Theaters Chambinzky erscheint. Wenn die Ambesser nicht inszeniert, gibt sie für begabte Menschen Schauspielunterricht, lehrt Sprech- und Atemtechnik. Enthusiastisch bedauert sie die mangelnde Sprechkultur und den „wild gewordenen Dilettantismus“ auf deutschen Bühnen.

    Und sie schreibt Bücher. In ihrem Erstlingswerk „Die Ratten betreten das sinkende Schiff“, für das Mario Adorf ein Vorwort geschrieben hat, befasst sie sich mit dem „absurden Leben des Leo Reuss“ (2005), einem jüdischen Schauspieler und Emigranten, und wirft einen liebevoll-bissigen Blick auf Theateralltag und Mentalität von Schauspielern. Ihr zweites Werk „Schaubudenzauber“ (2006) dokumentiert die Geschichte des legendären literarischen Kabaretts. Nun sitzt Gwendolyn wieder an einem Buch, diesmal über den 1988 verstorbenen Vater. Sie zeichnet ihre Erinnerungen auf an das Leben in einer Schauspielerfamilie mit großbürgerlichem Anstrich.

    Ob sie wieder einmal auf die Bühne will? Gwendolyn von Ambesser lacht und gibt die Geschichte von ihrem „heißesten Einspringer“ zum Besten. Während einer Aufführung des von ihr in Szene gesetzten „Don Camillo und Peppone“ erlitt Peppone einen Schwächeanfall. Kurzerhand schlüpfte sie als Peppona in seine Rolle. Die Leute brüllten vor Lachen! Obwohl Gwendolyn von Ambesser lieber inszeniert, ist sie, „wenn Not am Weibe ist“, auch in Zukunft jederzeit bereit, sich in jede nur mögliche Rolle zu stürzen – in Würzburg oder anderswo ....

    Gwendolyn von Ambesser: „Die Ratten betreten das sinkende Schiff“. Mit einem Vorwort von Mario Adorf. 278 Seiten. Verlag Edition AV.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden