In den 25 Jahren, die sie in Würzburg verbringt, hat die Sozialreformerin gezeigt, wie segensreich Frömmigkeit, Familiensinn und weibliches Selbstbewusstsein zusammenwirken können. Am 6. März 1841 erblickt Emilie Caroline Albertine Anna von Beulwitz als Tochter eines adligen Gutsbesitzers im württembergischen Cannstatt das Licht der Welt. Der Tradition entsprechend erhält die „Emy“ gerufene junge Frau Privatunterricht im elterlichen Haus und besucht anschließend ein vornehmes Mädchenpensionat in der französischen Schweiz. Nach einigen Jahren als „Haustochter“, in denen sie auf eine standesgemäße Ehe vorbereitet wird, heiratet Emy von Beulwitz im Alter von 22 Jahren den englischen Diplomaten Sir George Gordon of Ellon. Der Gemahl gehört dem britischen Hochadel an und ist über 30 Jahre älter als seine junge Ehefrau, die vier Kindern das Leben schenken wird.
1884 nach Würzburg gezogen
1884 kehrt die Familie, die jahrelang in der schottischen Heimat von Sir George gelebt hat, nach Deutschland zurück und lässt sich in Würzburg nieder. Hier entfalten sich die sozial-karitativen Aktivitäten von Emy Gordon. Sie engagiert sich im Vorstand des 1895 gegründeten „Marianischen Mädchenschutzvereins“ und initiiert 1905 den „Verband katholischer Vereine erwerbstätiger Frauen und Mädchen“. Die alltäglichen Probleme von Fabrikarbeiterinnen und Dienstmädchen liegen ihr am Herzen. Auch für die im Schatten der bürgerlichen Gesellschaft lebenden unverheirateten Mütter macht sich Emy Gordon stark. Sie fordert Aufklärung über Fragen der Hygiene, der Säuglings- und Kinderpflege, die Einführung ärztlicher Kontrollen und die Zahlung von Stillprämien. Mit Hilfe solcher Fürsorgemaßnahmen soll die grassierende Säuglingssterblichkeit gesenkt werden.
Unterstützt von den Vereinen, in denen sie sich engagiert, ruft Emy Gordon unter anderem eine Krippe, eine Säuglingsmilchküche und eine Kinderbewahranstalt ins Leben, um die Kinder berufstätiger Mütter vor Verwahrlosung und Verrohung zu schützen. In ihrer „Rechtsschutz-stelle für Frauen und Mädchen“ berät sie weibliche Angehörige der unteren Gesellschaftsschichten in juristischen und sozialen Fragen. Daneben schreibt die engagierte Adelige eine Reihe von Büchern, beispielsweise stammen die „Pflichten eines Dienstmädchens“ und „Die katholische Kindergärtnerin in Schule und Haus“ aus ihrer Feder.
Am 14. Juni 1903 veröffentlicht Emy Gordon in der „Kölnischen Volkszeitung“ einen Aufruf,... ...in dem sie den Zusammenschluss der bis dahin nur lose miteinander verbundenen katholischen Frauenvereine in Deutschland fordert. Sie beklagt, dass die katholische Frauenarbeit wegen ihrer organisatorischen Zersplitterung gesellschaftlich zu wenig wahrgenommen werde. Ihre Stimme findet Gehör. Der Zeitungsaufruf gibt den entscheidenden Anstoß zur Gründung des „Katholischen Frauenbundes“, der noch im gleichen Jahr in Köln aus der Taufe gehoben wird. Am 15. April 1904 entsteht dank des Engagements von Emy Gordon in Würzburg Bayerns erster Zweigverein des „Katholischen Frauenbundes“. Heute zählt die Diözese rund 200 Zweigvereine mit rund 15000 Mitgliedern.
Ihre starke Persönlichkeit, ihre umfassende Bildung und ihre privilegierte Herkunft sorgen dafür, dass sie der Männerwelt ihrer Zeit mit außergewöhnlichem Selbstbewusstsein gegenübertritt. Beim Katholikentag in Würzburg meldet sie sich im Jahr 1907 zu Wort, stellt die Ziele und Aufgaben des Frauenbundes dar und empfiehlt allen anwesenden Geistlichen nachdrücklich die Beschäftigung mit den Anliegen von Frauen. Und das, obwohl nach der damals geltenden Satzung der Katholikentage nur katholische Männer Rede- und Stimmrecht besitzen.
Lebenswerk schlägt Wurzeln
Als Emy Gordon am Lichtmesstag 1909, im Alter von fast 68 Jahren an den Folgen einer schweren Erkältung stirbt, hat ihr Lebenswerk tiefe Wurzeln geschlagen. Aus ihren in Würzburg gegründeten Betreuungseinrichtungen für Kinder geht nach ihrem Tod die bis heute existierende „Kinderklinik am Mönchberg“ hervor. Daneben lebt in den über 200 Zweigvereinen des katholischen Frauenbundes in unserer Diözese der Geist von Emy Gordon weiter.