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REGION OCHSENFURT: Vor der Kamera aufs Abstellgleis gefahren

REGION OCHSENFURT

Vor der Kamera aufs Abstellgleis gefahren

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    Ein bisschen was ist geblieben von der alten Gaubahn. Ohne Schienen zwar, zieht sich die Trasse noch immer gut sichtbar von Ochsenfurt bis nach Röttingen. Wo heute Radler bergan schnaufen, fuhr viele Jahre lang der Rübenzug. Vor genau 25 Jahren, am 15. Dezember 1990, fuhr er zum allerletzten Mal. Der Kleinochsenfurter Hobbyfotograf Wolfgang Bayer hat diese Fahrt dokumentiert, so wie viele andere Fahrten zuvor.

    Dass hier ein leidenschaftlicher Eisenbahnfotograf am Werk war, ist den Bildern auf den ersten Blick anzusehen. Sorgfältig hat der heute 60-Jährige die Standorte und Perspektiven ausgewählt. Auch am 15. Dezember 1990 stand Bayer mit seiner Kamera an der Strecke und hat den letzten Rübenzug fotografiert.

    Die Bilder zeigen das Schild vorne an der Lok, das verrät, dass hier eine ganz besondere Fahrt stattfindet. Sie zeigen auch die Girlanden an den Waggons und den Lokführer, der im Führerhaus kräftig die Schelle läutet. Und die Musikkapelle, die in Gelchsheim die letzte Zuckerrübenladung nach Ochsenfurt verabschiedet.

    Nach dem 15. Dezember 1990 wurde es ruhig auf der Gaubahn. Noch ruhiger, müsste es eigentlich heißen, denn schon in den Jahren zuvor waren nur noch wenige Züge auf der Strecke zwischen Ochsenfurt und Röttingen unterwegs gewesen. Wolfgang Bayer kennt natürlich auch die Geschichte der Gaubahn, und die begann im Jahr 1907. Als bescheidene Lokalbahn zur Erschließung der landwirtschaftlich geprägten Region zwischen Ochsenfurt und dem Taubertal war die Gaubahn konzipiert worden. 36,5 Kilometer lang war die Stammstrecke.

    Aufwändige und teure Bauten wie etwa Brücken sparten sich die Konstrukteure bei solchen Nebenbahnen gern. Und so wurde auch die Gaubahn der Topografie angepasst und zog sich unter Ausnutzung der geringsten Steigungen vom Maintal empor zum Ochsenfurter Gau.

    Menschen transportierte die Bahn in jenen ersten Jahrzehnten ebenso wie landwirtschaftliche Erzeugnisse. 1979 wurde der bis dahin mit Schienenbussen bewerkstelligte Personenverkehr eingestellt. Nur einige Sonderfahrten fanden noch statt, gern frequentiert von Eisenbahnfreunden und Nostalgikern. Doch Zuckerrüben fuhren weiterhin auf der Gaubahn. Vor allem an den Wochenenden brachten die Waggons während der Kampagne Rüben zur Zuckerfabrik, denn dann durfte die Fabrik mit den damals schon üblichen Lastwagen aus Lärmschutzgründen nicht angefahren werden.

    Rund 100 000 Tonnen Rüben gelangten auf diese Weise jedes Jahr aus dem Gau nach Ochsenfurt. Bayers Bilder zeigen einige der Laderampen entlang der Strecke, von denen die Rüben aus den Anhängern der Bauern in die Waggons der Bahn gekippt wurden.

    Spektakulärer aber war das Ausladen in der Zuckerfabrik: Dort kamen die Waggons auf einem leicht schräg stehenden Gleis an, und ein starker Wasserstrahl spülte die Rüben heraus. Zum Rangieren kamen in Ochsenfurt übrigens zwei kleine Lokomotiven zum Einsatz, die der Zuckerfabrik gehörten. Eine war rot, die andere grün.

    Gemütlich war die Fahrt für den Lokführer auf der Gaubahn übrigens nicht. Er musste bei der Arbeit höllisch aufpassen, denn nur ein einziger Bahnübergang, der bei Gaukönigshofen, wies eine Schranke auf. Für die Lokführer bedeutete das, den Zug an jedem ungesicherten Bahnübergang auf zehn Stundenkilometer herunterbremsen zu müssen. Der Zug musste bremsbereit sein, sollte ein Auto die herannahende Lok nicht bemerkt haben. Und anschließend musste die Diesellok mit viel Kraftaufwand wieder Fahrt aufnehmen. So kamen die Bilder mit den schwarzen Rauchfahnen zustande, die Wolfgang Bayer an so manchem Bahnübergang gelungen sind.

    Im Jahr 1993 wurde die Strecke dann endgültig stillgelegt. Laut den Aufzeichnungen von Wolfgang Bayer besiegelten drei Gründe das Schicksal der Gaubahn: Zum Einen wurde der Ochsenfurter Teil der Strecke für den Bau der Südtangente benötigt. Zum Anderen hatte die Bahn längst kein Interesse mehr am Betrieb der kleinen Nebenbahnen. Und zuletzt plante die Zuckerrübenfabrik, ihren Ladehof an die kontinuierliche Anlieferung mit Lastwagen anzupassen und entsprechend umzubauen.

    Außer den schönen Bildern von Wolfgang Bayer gibt es heute nur noch wenige sichtbare Erinnerungen an die kleine Nebenbahn zwischen Maintal und Taubertal, die anfangs zwei Königreiche miteinander verband: Bayern und Württemberg.

    Doch wer sich ein wenig Zeit nimmt, kann noch immer auf der Gaubahn fahren: auf dem Fahrrad, mit Muskel- statt mit Dieselantrieb.

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