Gelungene Premiere für die „Würzburger Kellergespräche“: Die Juristen-Alumni der Universität und die Main-Post veranstalten künftig regelmäßig im Max-Stern-Keller der Alten Uni Diskussionsrunden zu aktuellen rechts- und gesellschaftspolitischen Themen. „Mehr Kriminalität durch Zuwanderung?“, lautete die Frage zum Auftakt. Ja, sagt die Statistik. Aber es lohnt sich, genau hinter die Zahlen zu schauen. Man kann nämlich etwas gegen diese Entwicklung tun, wie die Erfahrungen der Stadt Würzburg zeigen.
Elisa Hoven ist Junior-Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht in Köln. Ob sie einen Ruf an die Uni Würzburg annimmt, ist offen. Beim Kellergespräch argumentierte die 35-Jährige mit der Sachlichkeit der Wissenschaftlerin. 2016 seien bundesweit 8,6 Prozent aller Tatverdächtigen Zuwanderer gewesen – gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs um 50 Prozent. Vor allem bei schwerer Kriminalität und Sexualstraftaten falle ein hoher Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger auf – und damit ins Gewicht.
Gründe für Kriminalität
Gründe für die „höhere Kriminalitätsbelastung“ von Zuwanderern seien unter anderem die demografische Struktur (es kommen vor allem junge, alleinstehende Männer), die fehlende Einbindung in Strukturen (keine Arbeit, keine Freunde), das Großwerden in einer Werteordnung, die männliche Gewalt legitimiert (falscher Ehrbegriff) und häufig auch die fehlende Bleibeperspektive. So seien Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten, die keinerlei Chance haben, dauerhaft legal hier leben zu können, laut Statistik eher „kriminalitätsbelastet“ (Hoven) als Menschen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Das erkläre die Kriminalität, solle sie aber keineswegs rechtfertigen, sagt die Kriminologin.
Erfahrungen, die Hülya Düber, die Sozialreferentin der Stadt Würzburg, bestätigen kann. In der Statistik der Würzburger Jugendgerichtshilfe seien „Jugendliche mit Flucht-Hintergrund“ ebenfalls überproportional vertreten, ähnlich sei es gewesen, als in den 90er Jahren viele Deutsche aus Russland zuwanderten. Die Stadt bemühe sich deshalb um Prävention. Man habe lieber mehrere kleinere statt große Unterkünfte eingerichtet und diese dezentral übers ganze Stadtgebiet verteilt. Das habe den Vorteil, dass man die Flüchtlinge besser nach Ethnien und Religionen trennen könne. Neben Sicherheitsdiensten kämen überall auch interkulturell geschulte pädagogische Fachkräfte zum Einsatz, um Konflikte frühzeitig zu entschärfen. Aktuell betreuen die Stadt und die Regierung von Unterfranken in Würzburg rund 700 Geflüchtete in zehn Unterkünften; Ende 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise waren es knapp 1600 Menschen.
Arbeit ist entscheidend
Einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen von Integration leiste Arbeit, so Düber. Auch nach dem Besuch von Sprachkursen und Berufsintegrationsklassen falle es vielen Flüchtlingen schwer, auf dem regulären Arbeitsmarkt einen Job oder Ausbildungsplatz zu finden. Alternativ versuche die Stadt, gerade junge Leute auf sozial geförderten Arbeitsplätzen unterzubringen. „So bekommt ihr Tag wenigstens Struktur.“ Schwierig sei die Situation für Leute ohne Bleibeperspektive. Sie dürfen in der Regel nicht arbeiten, haben im Grunde nichts zu verlieren. „So steigt das Risiko für Kriminalität.“ Wenn es rechtlich nicht möglich sei, den Aufenthalt zügig zu beenden, dann, so fordert Düber, „muss man die Möglichkeit der Beschäftigung schaffen“.
Hoven zeigte sich im Gespräch mit Moderator Andreas Jungbauer beeindruckt vom Engagement der Stadt Würzburg. Hier setze man viele der Forderungen um, die auch Kriminologen erheben. Leider fehle es Kommunen außerhalb von Bayern häufig an Geld. Dabei sei klar: „Integration ist der Schlüssel gegen Kriminalität.“ Helfen könne auch, wenn der Staat im Falle von Rechtsbrüchen klare Grenzen formuliere. Schnellgerichte, wie in Schweinfurt, wo innerhalb von 48 Stunden über Straftaten geurteilt wird, begrüßt die Expertin, weil hier Strafe direkt auf die Tat folge.
Die Rolle der Medien
Auch wenn der Anteil zugewanderter Straftäter steigt, geht die Kriminalität in Deutschland aber zurück, sagen derzeit alle Statistiken. Gleichwohl wollen dies viele Menschen nicht wahrhaben. Verantwortlich dafür sei nicht zuletzt das Medienverhalten. Wer einmal eine Meldung über ein Verbrechen gelesen hat, die ihn ängstige, dem schicke der Algorithmus auch eine zweite und dritte, hat Hoven festgestellt. Entsprechend fühlten sich die Menschen in ihrer Filterblase im subjektiven Angstgefühl bestätigt. Düber warb dafür, über solche Ängste nicht hinwegzugehen, sondern sie ernst zu nehmen. Eine gute Kommunikation mit den Bürgern könne da helfen.
Bei Hoven kommen auch die traditionellen Medien nicht gut weg. Sie hätten im Herbst 2015 wie die etablierten Parteien „die Willkommenskultur zelebriert“ und viele der sich abzeichnenden Probleme aus falsch verstandener Rücksicht banalisiert. So seien sie mitverantwortlich für den Anstieg des Rechtspopulismus. Moderator Andreas Jungbauer, Redakteur dieser Zeitung, wies darauf hin, dass sich im Umgang mit Polizeimeldungen zuletzt einiges verändert hat. Der Pressekodex erlaube Journalisten nun auch das Nennen der Nationalität von Tatverdächtigen, falls ein „begründetes öffentliches Interesse“ vorliege. Dies zu entscheiden, sei für Journalisten nicht immer einfach. Hoven plädierte dafür, die Herkunft immer zu schreiben.
Nächstes Kellergespräch im Juli
Viel Stoff also für eine lebhafte Diskussion unter den knapp 70 Zuhörern. Eric Hilgendorf, Vorsitzender der Alumni, zog jedenfalls zufrieden Bilanz der Kellergespräch-Premiere. Die nächste Runde ist schon terminiert. Am Donnerstag, 12. Juli, geht es um Kreuze und andere religiöse Symbole in öffentlichen Gebäuden, dann mit dem emeritierten katholischen Bischof Freidhelm Hofmann und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster.