Die Menschen, die hier leben oder gelebt haben, sind bestimmt bienenfleißig – und stolz drauf! Warum sonst sollten sie sich einen Bienenkorb auf die hölzerne Haustür schnitzen lassen? „Stimmt“, sagt Max Jakob Roppelt und lacht. „Meine Vorfahren waren wirklich sehr fleißig. Aber der Bienenkorb soll auf etwas anderes hindeuten.“
Wer den Namen Jakob in Verbindung mit einem Bienenkorb hört und gerne mal in Würzburg einkaufen geht, wird schon ahnen, worauf: auf Kerzen! Schließlich ist die Familie Jakob seit 150 Jahren dafür bekannt, erstklassige Kerzen zu liefern – für Privatpersonen, aber auch für Klöster und Kirchen in Würzburg und ganz Unterfranken. Und das Rohmaterial für die Kerzen, das Wachs, kommt nun mal von den fleißigen Tierchen.
Die meisten Passanten nehmen den Bienenkorb nicht wahr
Hinter der Tür mit dem Bienenkorb in der Bronnbachergasse 18a nahm die Kerzenzieherei ihren Anfang, genauer gesagt, im Vorgängerbau. „Die meisten Menschen bemerken diesen Bienenkorb nicht, sondern gehen achtlos daran vorbei“, hat Max Jakob Roppelt, der das Unternehmen in vierter Generation führt, beobachtet. „Aber wir hegen und pflegen dieses Stück, auf keinen Fall könnte hier eine andere Tür hin. Ob sie nun den neuesten Wärmeschutzrichtlinien entspricht oder nicht.“
Die Tür mit dem Bienenkorb ist allerdings noch nicht so alt wie das Unternehmen: „Wie so vieles wurde auch das Haus meiner Vorfahren am 16. März 1945 zerstört. Nach dem Krieg, 1947, haben sie es wiederaufgebaut und in diesem Zuge auch die Tür anfertigen lassen.“ Angefangen hatte alles schon 1889: „Mein Urgroßvater hat hier Kerzen gezogen und die Kerzenzieherei Jakob gegründet. Weil sich das Unternehmen über die weibliche Seite der Familie weitervererbt hat und sich damit der Familienname änderte, habe ich als zweiten Vornamen Jakob bekommen, so, wie mein Großvater mit Nachnamen hieß. Der Name Jakob sollte mit dem Unternehmen verbunden bleiben.“
„Aber wir hegen und pflegen dieses Stück, auf keinen Fall könnte hier eine andere Tür hin."
Max Jakob Roppelt, Geschäftsführer Kerzenmanufaktur Max Jakob
In diesem Handwerksbetrieb wurden die Kerzen damals von Hand gefertigt, Max Jakob Roppelt weiß aus Erzählungen ganz genau, wie das vonstattenging: „Zwischen zwei Trommeln befand sich ein Becken mit flüssigem Wachs. Auf den Trommeln war der Docht aufgewickelt und wurde dann hin und her gezogen, bis die Kerze eine gewisse Größe erreicht hatte.“ Im umfassenden „Fachbuch für den Wachszieher – Wachsbildner“ der Bayerischen Wachszieher-Innung ist der Vorgang genau beschrieben: „Zum Ziehen der Kerze verwendet man eine Handzugbank, die, wie der Name schon sagt, zum Ziehen der Kerze dient und mit der Hand betrieben wird. […] Die Handzugbank besteht aus 2 Zugrädern von ungefähr 1m Durchmesser und 60 cm Breite […]. Auf einem dieser Zugräder oder Zugtrommeln, die in einem Anstand von 4-8 m aufgestellt sind, wird zunächst der Docht aufgewickelt. In der Mitte zwischen den beiden Rädern befindet sich die Zugwanne, in die das flüssige Wachs gebracht wird, welches durch Dampf, elektrisch oder auch durch eine Flamme, dauernd warmgehalten wird.“ Eine Zuggabel habe dafür gesorgt, dass der Docht auch stets eingetaucht blieb.

Am Schluss wurde die Kerze dann auf die gewünschte Länge gebracht und der Docht auf einem Holzbrett freigeschnitten. „Das Freischneiden des Dochts geschah ab den 1950er Jahren maschinell, die Kerzen wurden in Kaliber geschoben, die das Wachs um den Docht entfernten“, sagt der Kerzenhändler. Außer dem Bienenkorb an der Tür erinnert noch etwas an dem Haus an die Vergangenheit: eine weitere Tür, die aber erst in einem Meter Höhe beginnt. „Hier ist das Paraffin in 50-Kilo-Säcken angeliefert und von dort aus mit Schubkarren in den Hof gebracht worden. Dass die Tür so weit oben beginnt, hatte den Vorteil, dass man dort direkt die Ware anliefern konnte“, sagt Roppelt.
Im Hof sei das Paraffin weiterverarbeitet worden, denn dort hätten die Maschinen gestanden, mit denen sein Urgroßvater Kerzen zog. Damit folgte er einer uralten Tradition, denn: „Die Sehnsucht des Menschen nach Licht war zu allen Zeiten vorhanden“, ist im „Fachbuch für den Wachszieher – Wachsbildner“ zu lesen. „Im frühen Mittelalter wurden Kerzen meistens in Klöstern hergestellt, und da der erste Rohstoff das Bienenwachs war, ist das Wachszieherhandwerk eng mit der Imkerei oder Zeidlerei verbunden.“ Die Klöster hätten seinerzeit sogar einen Teil der Steuern in Bienenwachs verlangt.
Wachszieher gab es in Bayern schon im 13. Jahrhundert
Gerade auch in Bayern ist das Handwerk laut der Bayerischen Wachszieher-Innung seit Langem verankert: „Im dreizehnten Jahrhundert finden wir schon in Bayern Wachsziehermeister, die sich in München bereits um das Jahr 1660 in einer Zunft, später Innung, zusammenschlossen. Übrigens gab es auch eine niederbayerische Innung der Lebzelter und Wachszieher, die ihren Sitz in Landshut hatte.“
Kerzenziehen war aber nicht der einzige Beruf, der auf das Wachs zurückgeht: Aus dem Honig der Bienen wurden schließlich auch Lebkuchen und Met gefertigt. In dem Buch wird aufgezählt: „So entstanden die Wachszieher, Lebzelter und Metsieder, die meistens in einem Betrieb vereinigt waren. Oft gehörte dazu noch eine Imkerei und Wachsbleiche. Diese Betriebe lieferten die Wachskerzen. Andere Handwerker verkochten den Talg der Tiere zu Seife und die harten Talgsorten wurden in Formen zu Kerzen gegossen. […] Aus dieser Entwicklung heraus entstanden die Seifen- und Kerzenfabriken.“
Die Arbeit als Wachszieher setzt ein feines Einfühlungsvermögen voraus
Wer Wachsziehlehrling werden wollte, konnte sich nach Ansicht der Innung glücklich schätzen, sie empfahl, er „möge sich immer vor Augen halten, daß er einen der schönsten Handwerksberufe erlernt“. Und: „Die Arbeit setzt außer dem normalen handwerklichen Können auch ein feines Einfühlungsvermögen voraus, gepaart mit künstlerischer Veranlagung und Sinn für Schönheit.“ Angesehen waren die Wachszieher auch, denn das Material „gehörte damals neben dem Eisen, Leder und Gold zu den edlen Rohstoffen“. Und eben weil sie so angesehen waren, schreibt die Innung, hätten die Wachsziehermeister sogar einen Degen tragen dürfen. Max Jakob Roppelt trägt zwar keinen Degen, dieser Brauch ist lange schon vorbei, angesehen ist er in Würzburg aber durchaus. Wie seine Vorfahren beweist er nicht nur in seinem Handwerk großes Können, sondern ist auch noch bienenfleißig. Der Korb an der Haustür passt also in doppelter Hinsicht.
Text: Eva-Maria Bast
Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand und soeben erschienen ist. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.