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Obereisenheim: Wenn is Raachermannel naabelt . . .

Obereisenheim

Wenn is Raachermannel naabelt . . .

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    Das Cover war schon ziemlich abgegriffen, obwohl die Scheibe jedes Jahr nur für kurze Zeit bei uns zu Hause auf den Plattenteller kam: In der Mitte der Hülle bleckte eine Nussknacker-Figur die Zähne, flankiert von zwei Räuchermännern, darüber in großen Lettern: „Erzgebirgs-Weihnacht“. Auf der Rückseite konnte man Liedtitel lesen, wie „Stuppelhah Is Vorüber“ oder „Ne Hermerle Sei Winterlied“. Nun, die erzgebirgische Mundart zwischen Dippoldiswalde im Osten und Zwickau im Westen war auch für einen Hallenser wie mich gewöhnungsbedürftig und erinnerte so gar nicht ans „typische“ Sachsen, eher schon an meine aus dem Egerland stammende Verwandtschaft.

    Von den Stücken, die die erzgebirgischen Ensembles mit Inbrunst in den Verstärker unseres Plattenspielers tönten, ist mir vor allem eines im Ohr geblieben: „Wenn is Raachermannel naabelt“, auf hochdeutsch „Wenn das Räuchermännchen raucht“. Passend dazu war an den Adventssonntagen nämlich auch bei uns die Wohnstube eingenebelt. Auf dem Couchtisch stand dann eine „Ufenbank“: Ein gemütlicher Miniatur-Opa aus Holz saß vor einem grünen Kachelofen, vor sich eine ebenfalls miniaturhafte Zeitung, deren Titel man noch mit Mühe als „Neueste Nachrichten“ entziffern konnte. Das Beste aber: Aus dem Pfeifchen im Mund des alten Herrn qualmte und qualmte es – jedenfalls so lange, wie die „Crottendorfer Räucherkerze“ im Inneren des hölzernen Ofenkörpers noch Glut hatte. Und weil's so schön war, wurde oft noch ein zweites Kerzchen angezündet. Advent und Weihnachten waren schließlich nur einmal im Jahr.

    Die ganzen zwölf Monate Dienst hat dagegen der Räuchermann am Erzgebirgischen Spielzeugwinkel in Obereisenheim. Die lebensgroße Figur ziert den Hof des inzwischen über Unterfranken hinaus bekannten Museums – und ist in diesem Jahr besonders symbolträchtig. Die Sonderausstellung zur Adventzeit widmet sich nämlich voll und ganz den qualmenden Figuren. „Tausendfache Rauchzeichen aus dem Erzgebirge“ lautet der Titel der Schau, und er ist durchaus wörtlich zu nehmen. Rund 1400 Räuchermänner und -frauen bevölkern zurzeit die Räume des Museums, man könnte auch sagen, dass sie den weitläufigen Ausstellungs-Keller geradezu geentert haben.

    Denn wer die Museumsmacher Heidi und Harry Walter kennt, der weiß, dass die Beiden aus dem Vollen schöpfen können. Was die Sammler, die 1985 aus der DDR in den Westen ausreisten, an erzgebirgischer Volkskunst zusammengetragen haben, liegt stückzahlmäßig längst im fünfstelligen Bereich. Darunter sind natürlich viele Räucherfiguren, die übrigens mit dem Oberbegriff „Räuchermänner“ nur unzureichend beschrieben sind. Denn im Erzgebirge, das zeigt die Ausstellung in -zig Vitrinen, ist man durchaus einfallsreich, wenn es darum geht, einer Räucherkerze einen originellen Ort zum Verströmen von Tannennadel- oder Myrrhe-Düften zu verpassen. Ob in orientalischen Gewändern, mit Biedermeier-Hüten, als Weihnachtsmann, Spielzeugverkäufer oder Nachtwächter – die Stilrichtungen sind für den Laien kaum zu durchschauen. Hinzu kommen Räucherhäuser, Räucherspielzeuge oder Märchenfiguren. Wichtig ist vor allem eines: ein guter Rauchabzug.

    Ihren Aufstieg in die Kulturgeschichte erlebten Räuchermänner allerdings nicht, wie man vermuten könnte, im Erzgebirge, sondern in Thüringen. Die dortigen Spielzeugmacher stellten schon im 18. Jahrhundert Figuren aus einer Teigmasse her.

    Folgt man der einschlägigen Literatur, sind gedrechselte Holzfiguren aber eine rein erzgebirgische Erfindung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein gewisser Ferdinand Frohs (1818 bis 1880) soll gemeinsam mit seinem Neffen Gotthelf Friedrich Haustein (1830 bis 1900) auf die Idee gekommen sein, gedrechselte, massive Rundfiguren auszuhöhlen und mit einem offen Mund zum Ausströmen des Rauchs zu versehen.

    Wer bei historischen Räuchermännern genauer hinschaut, der merkt schnell, dass Arme und Beine zunächst gar nicht aus Holz hergestellt wurden. Die Gliedmaßen wurden noch wie zu ganz alter Zeit aus Masse geformt und an den gedrechselten Körper angefügt. Beispiele dafür finden sich auch in der Obereisenheimer Ausstellung.

    Mit den „Raachermanneln“ hatten die erzgebirgischen Drechsler – seinerzeit ausnahmslos kleine Familienbetriebe – bald einen echten Hit gelandet. Die Figuren wurden in alle Welt verkauft – ein Erfolg, der bis heute ungebrochen ist, auch wenn die Billigkonkurrenz aus Fernost den Betrieben durchaus zu schaffen macht. Allerdings muss man nach wie vor kein großer Kenner sein, um das Original vom Plagiat zu unterscheiden.

    Und wer ein echtes Erzgebirgs-Raachermannel sein Eigen nennt, der hängt einfach dran. Die erwähnte „Ufenbank“ – sie stammt aus den frühen 1960er Jahren – ist jedenfalls auch heuer schon wieder in Betrieb. Nur die Schallplatte, die wurde inzwischen durch die gleichlautende CD ersetzt.

    Die Ausstellung

    „Tausendfache Rauchzeichen aus dem Erzgebirge – Räuchermänner und -frauen“ ist noch bis zum 30. Dezember geöffnet (täglich außer dienstags von 14 bis 18 Uhr; am 24. und 25.12. geschlossen).

    Kontakt: Erzgebirgischer Spielzeugwinkel – Museum mit neuen und alten Exponaten erzgebirgischer Volkskunst. Obereisenheim, Wipfelder Straße 16. Tel. (09 3 86) 90 159.

    Internet: www.spielzeugwinkel.de

    Quelle für historische Angaben dieses Beitrags war das im Jahr 2000 im Husum-Verlag erschienene Buch „Räuchermänner aus dem Sächsischen Erzgebirge“. tsc

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