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WÜRZBURG: Wie Rüdiger Lang zu Roger wurde

WÜRZBURG

Wie Rüdiger Lang zu Roger wurde

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    Nach 20 Jahren kehrte Rüdiger Lang noch einmal in das geräumte und leer stehende AFN-Studio auf den früheren Leighton Barracks zurück, wo er früher Sendungen moderierte.
    Nach 20 Jahren kehrte Rüdiger Lang noch einmal in das geräumte und leer stehende AFN-Studio auf den früheren Leighton Barracks zurück, wo er früher Sendungen moderierte. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Wenn im April am Hubland die Landesgartenschau 2018 beginnt, wird auch die Geschichte des Veranstaltungsortes eine wichtige Rolle spielen. Denn der gerade entstehende neue Würzburger Stadtteil hat eine bewegte – vor allem militärische – Vergangenheit. Das letzte Kapitel vor der Konversion wurde von den amerikanischen Streitkräften geschrieben, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem ehemaligen Nazi-Fliegerhorst ihre Militärniederlassung Leighton Barracks einrichteten. Dazu gehörte auch ein Regionalstudio des Militär-Rundfunksenders American Forces Network (AFN).

    Es ist sehr kalt an diesem Dezembertag und es pfeift ein eisiger Wind über den künftigen Stadtteil auf den Höhen der Stadt. Der ehemalige Main-Post-Redakteur Roland Flade, der ein Buch über die Geschichte des neuen Stadtteils geschrieben hat und für die Gartenschau eine Ausstellung darüber konzipiert, kommt zusammen mit Rüdiger Lang zum ehemaligen AFN-Studio der Leighton Barracks in direkter Nachbarschaft der ehemaligen Flugschule. Lang kennt den hufeisenförmigen Flachbau in- und auswendig. In den 90er-Jahren hat er hier viel Zeit verbracht. Denn er arbeitete hier als Radio-Moderator und Disc Jockey.

    Im ausrangierten AFN-Studio

    Jetzt ist Rüdiger Lang wieder zurück an jenem Ort, von dem er nicht glaubte, ihn noch einmal besuchen zu können. Ungläubig, fast ein wenig fassungslos, steht er vor der Eingangstür. An einer zweiten Tür, ein paar Schritte nebenan, hat die Verglasung ein Loch. Blickt man durch das Loch nach innen sieht man auf einer weißen Wand drei große blaue Buchstaben: AFN. Roland Flade kommt mit dem Schlüssel und öffnet die Tür: Sofort werden bei Lang die Erinnerungen wach und es sprudelt nur so aus ihm heraus. „Das ist unfassbar! Ich hätte nie geglaubt, dass ich hier noch mal reinkomme.“ Lang ist eigens aus Hamburg angereist, um an Ort und Stelle für die LGS-Ausstellung mit Roland Flade einen Videobeitrag zu erstellen.

    Vinylplatten wurden vernichtet

    „Hier stand der Schreibtisch der Sekretärin“, erklärt er in dem leer geräumten Raum, in dem nichts mehr an das Rundfunkstudio erinnert. Auch geheizt wurde hier nach dem Abzug der Amerikaner im Jahr 2013 nicht mehr, weshalb es hier drinnen nicht weniger kalt ist als draußen. Der einzige Unterschied: Hier pfeift kein eisiger Wind. Rüdiger Lang scheint es jedoch ganz warm ums Herz zu werden.

    Zwei Räume weiter in dem verschachtelten Studiokomplex: „Hier standen Tausende von Vinyl-Schallplatten“, schwärmt Lang, „die hatten alle ein Siegel des Department of Defense und wenn sie nicht mehr gebraucht wurden, mussten sie vernichtet werden“, erzählt er. Eigentlich schade drum, heute wären sie bestimmt wertvolle Sammlerstücke.

    Deutschland für US-Soldaten

    „Meine Herren, das gibt's gar nicht“, entfährt es Lang, als er an einer Wand die Überreste von alten Technik-Schränken entdeckt. Ab März 1994 hat der damals 25-jährige Jurastudent, der zuvor schon Rundfunkerfahrungen gesammelt hatte, hier bis 1997 eigene Sendungen moderiert. Und weil die Amerikaner seinen komplizierten Vornamen nicht aussprechen konnten wurde aus Rüdiger Lang kurzerhand Roger Lang (gesprochen Läng). „Culture Quest“ ging immer Mittwochfrüh von acht bis neun Uhr über den Äther. Da erklärte Lang der US-Community die Eigenarten und Besonderheiten der Deutschen. Beispielsweise, warum sie auf Autobahnbrücken stehen und den darunter durchfahrenden Autos zuschauen – was bei den Amerikanern für völliges Unverständnis sorgte.

    Eine andere Sendung Langs war „Eighties Retro Request“. Hier präsentierte er für die US-Soldaten und ihre Angehörigen in der Region Musik aus den 80er-Jahren. Und am Freitag nachmittag war er mit „Thank God it's Friday“ auf Sendung. AFN Würzburg erreichte damals etwa 45 000 Hörerinnen und Hörer.

    Raum für Raum nimmt Lang den verschachtelten Studiokomplex in Augenschein und vergleicht das traurige Bild der leeren Räume mit alten Fotografien, die er auf dem Handy gespeichert hat. „Hier stand der Schreibtisch der Sekretärin“, „Dort saß ich an meinem Moderatorenplatz hinter dem Mikrofon“ oder „In den Sendungen musste es knallen“ sprudelt es nur so aus ihm heraus. Schließlich war AFN in erster Line Radio für Soldaten - und die waren nicht unbedingt zartbesaitete Jungs.

    Erinnerungen werden wach

    Man kann Rüdiger Lang förmlich dabei zusehen, wie Raum für Raum seine Erinnerungen wieder wach werden. Er habe auch viele deutsche Zuhörer gehabt, erzählt Lang, deren Anrufe auch in die Livesendung geschaltet wurden, wenn sie etwa bestimmte Plattenwünsche hatten. „Die mussten dann aber auch Englisch sprechen“, erinnert sich der Moderator. Nicht jedem Unterfranken sei dies akzentfrei gelungen, sagt Lang und imitiert: „Sis is Holger frrrrom Würzburg“.

    Plötzlich bückt sich Lang nach zwei Blättern Papier, die auf dem Teppichboden liegen. „Ich fass es nicht“, entfährt es ihm, als er die zwei Blätter betrachtet. Es ist ein altes Telefonverzeichnis und die Namen sind Lang durchaus geläufig. Rüdiger Lang ist gerührt. Wieder eine Erinnerung mehr an eine Zeit, die ihn sehr geprägt zu haben scheint und an die er mit Begeisterung zurückdenkt.

    Dem Medium Rundfunk ist Rüdiger Lang bis heute treu geblieben. Man merkt ihm an, dass sein Beruf für ihn auch Berufung ist. Das ist kein großes Wunder, denn der 48-Jährige sagt von sich, dass er schon als Schüler gewusst habe, „dass ich mal beim Radio landen wollte“. Nach mehreren Stationen in ganz Deutschland ist er seit 2016 beim Norddeutschen Rundfunk tätig.

    Ich hätte nie geglaubt, dass ich noch einmal hier reinkomme.

    Rüdiger Lang im ehemaligen AFN-Studio Würzburg

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