Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG-LAND: Wie vor 2000 Jahren

WÜRZBURG-LAND

Wie vor 2000 Jahren

    • |
    • |
    Lehrt und spricht Aramäisch: Diakon Simon Ok liest die Heilige Schrift von rechts nach links.
    Lehrt und spricht Aramäisch: Diakon Simon Ok liest die Heilige Schrift von rechts nach links. Foto: Foto: Thomas Fritz

    Shlomo lkulchun“, „Friede sei mit Euch“, ruft Pfarrer Isa Demir den Gläubigen zu. Die Sprache klingt geheimnisvoll, erinnert ein bisschen an Arabisch – auch die Schriftzeichen. Es ist die Sprache, die einst Jesus und seine Jünger gesprochen haben: Aramäisch. Im Heiligen Land ist sie vom Aussterben bedroht. Doch in Ochsenfurt wird die fast 2000 Jahre alte Sprache Kindern gelehrt und noch im Alltag gesprochen.

    Es ist Palmsonntag. Die Sankt Malke Kirche in der Ochsenfurter Altstadt ist gut besucht. Kinder haben grüne Blätter verstreut, statt Palmbuschen. Junge Männer singen leidenschaftlich Kirchenlieder. Ältere Frauen bekreuzigen sich. Ministranten schwenken ständig das Weihrauchfass. Gut drei Stunden dauert der Gottesdienst. Danach trifft sich die Gemeinde im Pfarrsaal, zwei Stockwerke tiefer. Es wird wieder gebetet. Danach gemeinsam gegessen.

    Auch Pfarrer Isa Demir gönnt sich nach dem langen Gottesdienst eine Stärkung, bevor er wieder ins gut 150 Kilometer entfernte Kirchardt bei Heilbronn fährt. Isa Demir ist Priester der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien. In Ochsenfurtist er nur an den hohen Festtagen, wie Ostern und Weihnachten. In der Zeit dazwischen predigt Diakon Simon Ok.

    In den 50 Tagen vor Ostern kommt er jeden Abend in die St. Malke Kirche im Zwinger, um zu beten. Ostern ist für die Aramäer etwas Besonderes. Es stellt einen Neuanfang dar. Im Gemeindesaal wird die Auferstehung gefeiert. Die Familien besuchen sich gegenseitig und der Pfarrer kommt zu jedem persönlich ins Haus, schwenkt das Weihrauchfass und überbringt die frohe Botschaft von der Auferstehung Jesu. In diesem Jahr fällt das Osterfest der syrisch-orthodoxen Kirche auf das gleiche Wochenende wie bei den evangelisch und katholischen Gläubigen. Etwa alle vier Jahre überschneiden sich der julianische Kalender, nach dem die Aramäer leben, und der gregorianische.

    Diakon Ok predigt und betet nicht nur in der Kirche, er lehrt auch Aramäisch und versucht so, das „Heilige Erbe“ zu bewahren. Zwei mal in der Woche, mittwochs und freitags, geht er in die Grundschule und bringt den Kindern der Gemeinde die Sprache Jesu bei. Von der ersten Klasse an. „Aramäisch ist einfach zu sprechen, zu lesen und zu schreiben“, sagt Simon Ok. Gelesen wird, wie auch im Arabischen, von rechts nach links. Dass die Sprache auch ein bisschen nach Arabisch klingt, ist nicht verwunderlich. Denn das Aramäische, einst die Welthandelssprache im Orient, ist die Muttersprache der Araber und Arabisch aus Aramäisch entstanden. „Viele Wörter sind identisch. Das Alphabet ist aber unterschiedlich“, erklärt Simon Ok.

    Die Liturgiesprache habe sich seit 2000 Jahren nicht verändert, erklärt er weiter. Auch der Ritus nicht. Das Alltagsaramäisch aber schon. „Es ist nicht zu leugnen, dass sich auch das Deutsche ein bisschen darunter gemischt hat.“ Damit die Sprache nicht ausstirbt – in der Türke können viele assyrische Christen ihre Muttersprache kaum noch verstehen, weil Aramäischunterricht in Schulen und Kindergärten verboten ist – „brauchen wir noch mehr Unterstützung“, fordert Pfarrer Isa Demir. „Vor allem brauchen wir mehr Wissenschaftler, die Aramäisch sprechen. Und Verlage, die Bücher in der armäischen Sprache drucken.“

    Nach dem Essen gibt er jedem Gemeindemitglied die Hand. Und die Männer, Frauen und Kinder antworten auf seinen Friedensgruß: „Aschwo lan moryo aloho éam ruho diloch“, „Und mit Deinem Geiste.“

    Ursprung vor 2000 Jahren

    Die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien hat weltweit etwa drei Millionen Mitglieder, in Deutschland rund 100 000. In Mitteleuropa und Skandinavien gibt es etwa 250 000 Aramäer. In der Türkei sind es 15 000. Die Kirche führt ihre Gründung auf die im 1. Jahrhundert von Jerusalem ins syrische Antiochien geflohenen Christen (Apg 11,19 ff) zurück und breitete sich über den Nahen Osten bis nach Südindien aus. Die meisten Aramäer kamen ab 1963 aus der Türkei als Gastarbeiter. Das heutige geistliche Zentrum ist das Kloster Mor Gabriel im Gebiet Tur Abdin (Berg der Gottesknechte) im Südosten der Türkei. Aus dieser Gegend flohen in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 300 000 Kirchenmitglieder nach Europa, um Verfolgung, Ermordungen und staatlicher Unterdrückung durch Türken und Kurden zu entgehen. Der Sitz des Patriarchats wurde 1959 in die syrische Hauptstadt Damaskus verlegt.

    In Ochsenfurt gibt es zwei syrisch-orthodoxe Gemeinden. Sie feiern ihre Gottesdienste in der St. Malke Kirche und in der Kreuzkirche.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden