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WÜRZBURG: Wilde Sprachenvielfalt auf engstem Raum

WÜRZBURG

Wilde Sprachenvielfalt auf engstem Raum

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    Stephan Behringer (rechts) und zwei neue Teilnehmerinnen sind bereits ins Gespräch vertieft.
    Stephan Behringer (rechts) und zwei neue Teilnehmerinnen sind bereits ins Gespräch vertieft. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Es ist Mittwochabend, 20 Uhr, langsam füllt sich der Außenbereich des „Wohnzimmers“ in der Sanderstraße. Nach und nach finden junge Menschen ihren Weg in die Seitengasse. Knapp eine Stunde später sitzen rund 50 Menschen an vier großen Tischen nah beisammen und vereinen 24 Nationen auf engstem Raum. Jeder trägt ein kleines Schild, versehen mit Name und Herkunft. Darüber kleben etliche Fähnchen, die auf die verschiedenen Sprachen hinweisen, die der jeweilige Teilnehmer spricht.

    Stephan Behringer, Gründer des Sprachenstammtisches „Würzburg Language Exchange“, begrüßt jeden neuen Gast persönlich und achtet darauf, dass die richtigen Leute zusammen finden. So gibt es z.B. einen Tisch an dem nur Englisch gesprochen wird, während an den anderen Tische jeweils mehrere Sprachen vertreten sind.

    „Unser Ziel ist es, im Tandem neue Sprachen zu lernen“, erklärt der 34-Jährige. Bei diesem Prinzip handelt es sich um eine Sprachlernmethode, mit deren Hilfe sich zwei Personen mit unterschiedlicher Muttersprache gegenseitig die fremde Sprache beibringen. So werden beim Stammtisch jede Woche über Smalltalk Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch, Portugiesisch und Türkisch gelernt.

    Multikulti nach Würzburg bringen

    Vor zehn Jahren beschloss der damalige Student, bis zu seinem 35. Lebensjahr hundert Länder bereist zu haben, im Juni dieses Jahres erreichte Stephan Behringer dann tatsächlich sein selbstgesetztes Ziel. Auf seinen Reisen lernte er viele Sprachen, u. a. Russisch in Sankt Petersburg und Spanisch auf Kuba.

    Heute spricht er sieben Sprachen fließend und lernt nebenbei Türkisch und Schwedisch. Besonders beeindruckt hatten ihn die multikulturellen Sprachstammtische im Ausland. „So etwas gab es bis dahin in Würzburg noch nicht“, berichtet er. Die Besonderheit liegt hier in der Diversität: Anders als traditionell wird nicht nur eine Sprache praktiziert, sondern mehrere werden gesprochen und gelernt.

    Von diesem Konzept inspiriert, entschloss sich Behringer im September 2014 dazu, das Projekt „Würzburg Language Exchange“ ins Leben zu rufen. Mit einigen Freunden gründete er den Stammtisch in der Salsa-Bar La Bamba. Neue Teilnehmer ließen nicht lange auf sich warten: Das neue Semester hatte begonnen und viele Studenten schlossen sich der kleinen Gruppe an.

    Keine Grenzen gesetzt

    Seit den Anfängen ist der Stammtisch stetig gewachsen. Vor allem junge Menschen, Anfang bis Mitte zwanzig, schließen sich an. Viele sind Studenten im Auslandssemester, aber auch Au-Pairs und Couchsurfer aus aller Welt nehmen teil. Kommen darf jeder, egal welchen Alters, oder Nationalität.

    Der aktuell älteste Teilnehmer sitzt am englischsprachigen Tisch und ist 41 Jahre alt. Einen Tisch weiter sitzt der Jüngste; auf dem Schoß seiner Mama. Der heute elf Monate alte Bub besuchte den Stammtisch zum ersten Mal im Alter von zwei Wochen und zählt somit schon zu den alten Hasen.

    Neben den bereits genannten Sprachen, die jede Woche vertreten sind, kommen immer neue dazu. „Das Exotischste waren bisher Teilnehmer aus Bangladesch, dem Kongo und von den Fidschi-Inseln“, erinnert sich Behringer.

    Völkerverständigung ohne Vorurteile

    Aus den Gästen ist inzwischen eine richtige Gemeinschaft geworden, die sowohl über Facebook als auch im echten Leben immer neue Mitglieder anlockt. Hier treffen Menschen aus der ganzen Welt aufeinander. Die Atmosphäre ist so locker, und das Publikum überwiegend so jung, dass sich alle Mitglieder duzen und sich völlig ungezwungen unterhalten können. Themen sind hierbei nicht vorgegeben. Da die Charaktere, die sich hier kennenlernen, so unterschiedlich sind, handeln die meisten Gespräche von Persönlichem. Heikle Themen wie Politik werden laut Behringer zum Glück selten angesprochen.

    Die gebürtige Brasilianerin Isabele ist heute zum sechsten Mal beim Stammtisch und ist begeistert: „Seit ich hier bin, habe ich über hundert neue Kontakte in meinem Handy“. Hussein studiert in Würzburg Chemie, seine Eltern kommen aus der Ukraine und dem Libanon. Aufgewachsen ist er zweisprachig und beherrscht inzwischen fünf Sprachen. In zwei Jahren hat er erst zweimal gefehlt. „Ich habe so viele Freunde dazugewonnen“, freut sich der 20-jährige, der alleine nach Deutschland kam.

    Mohammeds Geschichte unterscheidet sich von den anderen. Vor zehn Monaten kam er nach einer fünfzehntägigen Flucht über die Türkei nach Deutschland. Seitdem lebt der gebürtige Syrer in Würzburg und hat soeben einen fünfmonatigen Deutschkurs abgeschlossen. Einen Übersetzer braucht er nicht mehr: „Ich komme jeden Mittwoch und Samstag zum Stammtisch. Das viele Reden ist eine gute Übung für mich.“ Durch die Hilfe seiner neuen Freunde und seine Sprachbegabung wird er bald eine Ausbildung zum Bankkaufmann beginnen können.

    Der 22-jährige Luis, der mit vier Jahren zusammen mit seinen Eltern aus Peru nach Deutschland kam, trifft den Sinn des „Würzburg Language Exchange“ auf den Punkt genau: „Keiner verurteilt dich! Hier ist es egal, woher du kommst.“ Stephan Behringer ist stolz auf seinen Sprachenstammtisch: „Bei uns wird jeder integriert.“ So entstehen nicht nur viele Freundschaften, auch geflirtet wird ab und zu. Wer Lust hat, feiern zu gehen, kommt ebenfalls auf seine Kosten: Samstags endet das Treffen oft in einer gemeinsamen Partynacht.

    Aktuell trifft sich der Stammtisch jeden Mittwoch und Samstag von 19.00 Uhr bis 23.00 Uhr im Restaurant Martinz. 

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