Gutbürgerlich ging es am Donnerstag beim Konzert von „Wir sind Helden“ in Würzburg zu. Im Rahmen der Telekom Street Gigs spielte die Deutschpop-Band nicht in der Posthalle und auch nicht in der s.Oliver-Arena, sondern im Landgasthof „Zum Alten Gut“ am Heuchelhof. Dort gab sie ein kleines, gemütliches Akustik-Konzert. Wer live dabei sein wollte, der konnte keine Karten kaufen, sondern musste das Glück haben, eines der wenigen Tickets zu gewinnen.
Wer nicht zu den Gewinnern zählte, der konnte das Konzert als Livestream in Radio und Internet verfolgen. Moderiert wurde das Ganze von MTV-VJ Joko.
Ziel der Street Gigs ist es, Bands, die sonst nur noch auf großen Bühnen spielen, an außergewöhnliche Orte zu holen. In diesem Jahr waren Künstler wie „Phoenix“, „Fettes Brot“ und „Die Fantastischen Vier“ über den Dächern Kölns, in Berliner Funkhäusern und Letztgenannte im Sendezentrum des in Unterföhring ansässigen Senders ProSieben zu sehen.
Etwas intimer ging es in Würzburg zu. Etwa 100 Gäste kamen ins „Alte Gut“, das sonst als Restaurant, Hotel und Jugendbegegnungsstätte dient, um „Wir sind Helden“ zu sehen; das sind Sängerin Judith Holofernes, Keyboarder Jean-Michel Tourette, Bassist Mark Tavassol und Schlagzeuger Pola Roy. Nach einer zweijährigen Pause ist im August 2010 ihr neues Album „Bring mich nach Hause“ erschienen.
Der Zeitplan der Veranstalter war streng: Pünktlich um 19.30 Uhr betrat der Songwriter und Helden-Support Francesco Wilking die Bühne. Wem dieser Name nichts sagt, der kennt ihn vielleicht als sympathischen Sänger der Band „Tele“, der nun auch auf Solopfaden unterwegs ist. Mittlerweile war es auch ziemlich kuschelig geworden, die Gäste machten es sich mit Kissen auf dem Boden bequem.
Dann kommen Sie endlich, die Helden, und bahnen sich durch den sitzenden Teppich einen Weg zur Bühne: „Schön, dass ihr es genauso eng habt wie wir!“ Mit „Alles“, der ersten Single des neuen Albums, beginnt ein rund eineinhalbstündiges Konzert in ländlicher Atmosphäre – aber nicht zu rustikal, das findet auch Frontfrau Judith Holofernes.
Rustikalitätsphobie
Die hat nämlich eine selbst ernannte „Rustikalitätsphobie“, ein Kindheitstrauma sozusagen, das nach dem einstigen Umzug von Berlin in den Schwarzwald entstanden ist. Umso besser, dass „keine Eberköpfe an der Wand hängen“.
Weiter geht's mit einem Mix aus alten und neuen Songs, auf „Von hier an blind“ folgt „Bring mich nach Hause“, „Dramatiker“, „23:55: Alles auf Anfang“ und „Die Ballade von Wolfgang und Brigitte“. Es folgen Geschichten über den „spontanen Wintereinbruch im Dezember“, über das Leid des Bahnfahrers („Bring mich nach Hause – aber nicht mit der Deutschen Bahn!“) und die freundliche Würzburger Polizei, die die Vier kurz nach ihrer Ankunft am Würzburger Bahnhof auf Drogen untersuchte.
Soviel zum Thema Bahn, Bayern und Spießbürgertum: „Du musst hier nicht dazugehören, aber such dir, was zu dir gehört. Du musst nicht tanzen, aber beweg dein Herz“.
Getanzt hat keiner (was wohl am Sitz-Gebot und Steh-Verbot gelegen haben mag), aber so manches Herz hat sich sicherlich zu alten Ohrwürmern wir „Aurélie“, „Müssen nur wollen“ und „Denkmal“ bewegt. Pünktlich um 22 Uhr war dann auch Schluss, doch zwei Zugaben gab es noch: „Heartbeats“, ein Cover von The Knife, und „Nur ein Wort“. Danach hatten die Helden kein Wort mehr zu sagen und manch einer mit schmerzendem Po hat sich wohl auch gefreut, endlich wieder stehen zu dürfen.
Das Konzert mit Wir sind Helden gibt es am 23. Dezember um 0.30 Uhr auf ProSieben zu sehen.