Lebkuchengeruch liegt in der Luft. Es riecht nicht, es duftet. So muss es im Schlaraffenland sein. Hineinlegen möchte man sich in den Duft. Ihn aufheben für schlechte Zeiten, ihn zurückrufen aus dem Gedächtnis, wenn man über Rohkost darbt.
Doch stopp. Irgendetwas passt nicht. Es ist August. Lebkuchen-Zeit? In Mainbernheim schon. Mitten im Sommer verwandelt sich dieses Fleckchen im Landkreis Kitzingen in eine Weihnachtsbäckerei. Bei Bären Schmidt ist Hochsaison. Dominosteine, Anisgebäck und Lebkuchen in allen Variationen verlassen dieser Tage die Bänder und treten ihre Reise über die Verkaufsläden auf die Adventsteller an.
Gewaltige Mengen rollen vom Hof: 35 Tonnen Dominosteine können pro Tag produziert werden. Legt man die aneinander, bekommt man eine Strecke von Bären Schmidt in Mainbernheim bis ins Zentrum von Kitzingen. „Das habe ich heute früh noch ausgerechnet“, erklärt Wolfgang Poser, Geschäftsführender Mitgesellschafter von Bären Schmidt.
Ein Teller mit Lebkuchen und anderen Weihnachtsleckereien steht auf dem Tisch. Draußen scheint die Sonne. Alltag in Mainbernheim. „Klar nasch' ich auch bei 30 Grad Dominosteine“, gibt Helga Buchta – sie arbeitet in der Lebkuchenherzen-Produktion – schmunzelnd zu. „Warum denn auch nicht?“, fragt sie ein bisschen verwundert. „Wir müssen ja schließlich die Qualität testen“, pflichtet ihr Bäckermeister Werner May augenzwinkernd bei. Er ist für die Qualitätsprüfung zuständig.
Selbst im Advent sind ihnen die Naschereien noch nicht über. „Natürlich können wir an Weihnachten noch Lebkuchen sehen – und essen“, versichern sie unisono. Man müsse einfach – wie überall – Arbeit vom Privatleben trennen. „Der erste Lebkuchen im Advent ist immer noch was Besonderes“, schwärmt Helga Buchta. Außerdem gehöre ja viel mehr zu Weihnachten: Glühwein, Kerzenschein, Tannenzweige und die Familie möchte ja auch mal Plätzchen naschen. „Wir haben ja jetzt auch noch keinen Weihnachtsbaum aufgestellt“, scherzt Bäckermeister May.
Man kann sich also trotz monatelangem Lebkuchen-Duft das besondere Weihnachtsgefühl bewahren? „Ich riech' das doch gar nicht mehr“, so die einfache Erklärung von Helga Buchta. Nur die Enkel sind manchmal anhänglicher als sonst und schnuppern an der Oma, weil die so gut nach Weihnachten riecht. Und das mit dem Naschen ist auch kein Problem, erklärt die 58-Jährige. Mit der Zeit werde das immer weniger. „Obwohl es bei uns kein Naschverbot gibt“, betont Wolfgang Poser.
Lebkuchen im Sommer verderben also nicht die Weihnachtsstimmung, der Rhythmus bei Bären Schmidt mit 190 Angestellten und 90 Saisonarbeitern ist aber trotzdem ein anderer. Im Juli, wenn alle Welt Eis schleckt, laufen die ersten Dominosteine vom Band.
Und dann, wenn bei den meisten die Lebkuchen-Saison erst anfängt, hört sie bei Bären Schmidt schon auf. Um Nikolaus herum werden die letzten Weihnachtsbäckereien produziert. „Dann nehmen wir Urlaub und genießen Weihnachten“, erklärt May.
Bären Schmidt wurde 1863 von Johann Friedrich Schmidt, einem Lebküchner aus Nürnberg, in Mainbernheim gegründet. Das Unternehmen wuchs schnell, schon 1900 wurde es auf das heutige Gelände in der Gebrüder-Schmidt-Straße direkt am Bahnhof verlegt. Von dort wurden bis 1970 die Süßigkeiten überwiegend per Bahn wegtransportiert. 1971 ging Bären Schmidt eine Kooperation mit Haribo (seitdem Mehrheitseigner) ein. Dreiviertel der heutigen Produktion sind Zuckerwaren, ein Viertel Backwaren.