Brutale U-Bahn Überfälle haben eine Diskussion über den Umgang mit jugendlichen Gewalttätern ausgelöst. In Würzburg ist zwar körperliche Gewalt im Öffentlichen Nahverkehr die Ausnahme. Die Zahl an Gewalttaten durch Jugendliche steigt laut Polizeistatistik aber auch hier: 119 Gewaltdelikte haben Kinder (bis 14 Jahre) und Jugendliche 2006 im Stadtgebiet begangen. „Der Trend nahm auch 2007 zu“, erklärt Polizeisprecher Wolfgang Glücker.
Was passiert mit den Tätern? Wer schon mehrmals zugeschlagen hat, kann von der Jugendgerichtshilfe zum Antigewalt-Training bei der Aktionsgemeinschaft Sozialisation (AGS) in der Füchsleinstraße vorgeschlagen werden. Der Jugendrichter entscheidet dann über einen solche Weisung. Die Sozialpädagogen Heinz Sanwald und Bernd Mergler empfangen ihre „Klienten“ mit deutlichen Worten: „Der Kurs wird nicht gemütlich für Dich werden“. Wer dreimal fehlt, angetrunken zu Terminen kommt oder nicht mitmacht fliegt raus – und muss seine Strafe antreten. Rund ein Drittel der straffällig Gewordenen denen Möglichkeit eines solchen Trainings angeboten wird ziehen Arrest oder sogar Gefängnis von vorneherein dem halbjährigen Kurs vor. Der Rest hat die Chance, etwas zu verändern.
Zum Beispiel der 17-Jährige Albaner A.. Wenige Wochen nachdem er zusammen mit acht Kumpels einen Passanten am Bahnhof krankenhausreif getreten hatte, saß er in mit Türken, Russland-Deutschen, einem Punker und einem Nazi in der wöchentlichen Gruppenstunde. „Der war stolz darauf, wie er zugeschlagen hatte“, beschreibt Sanwald, das Auftreten des jungen Schlägers. So wie 90 Prozent der Täter ist auch A. mit Gewalt aufgewachsen.
Im Kreis der Gruppe lernt A. andere Herausforderungen kennen: Wie verschaffe ich mir Respekt, ohne zuzuschlagen? Wie bleibe ich cool, wenn ich provoziert werde? „Solches Verhalten kann man trainieren,“ erklärt Sanwald. Nach Einzel- und Gruppenstunden blieb A. sogar ruhig, als Mergler ihn bewusst mit seinen sonst üblichen Auslösern für Aggressionen, wie Nationalstolz oder Familienehre provozierte.
Die Sozialpädagogen unterstützten die Jugendlichen bei der Job- oder Wohnungssuche sowie beim Abbau ihrer Schulden. Familie und Freunde werden einbezogen. „Das Positive an Gewalttätern ist, dass sie Power haben“, sagt Mergler. „Man muss nur die Kraft in die richtigen Bahnen lenken.“ A. hat innerhalb der halbjährigen Betreuung eine Ausbildungsstelle gefunden. Und er macht Kampfsport bei dem die Achtung des Gegners entscheidend ist.
Gleichzeitig lernen die Täter die Perspektive der Opfer kennen: Ein Gerichtsmediziner erläuterte den Tätern, welche Verletzungen sie angerichtet haben. In einer Rekonstruktion spürte A. was es bedeutet, am Boden zu liegen und einen Stiefel über dem Gesicht zu sehen.
Zwischen 12 und 15 Gewalttäter nehmen jährlich am Antigewalt-Training teil. Davon, dass die Prognose deutlich besser ist, als bei konventionellen Strafen, ist Mergler überzeugt: „Im Gefängnis übernehmen die Jugendlichen wenig Eigenverantwortung. Bei uns werden sie mit ihren Taten konfrontiert und lernen praktische Schritte für einen gewaltfreien Alltag.“ Bei zwei Dritteln der Absolventen des Antigewalt-Trainings sieht er eine positive Veränderung. Wie bei A. Über den hat sich neulich sein Kumpel bei Mergler beschwert. Er sei jetzt ganz anders als früher. Statt sich mit ihm zu schlagen, trete er bei Schlägereien jetzt beiseite.