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WÜRZBURG: Zwei Jahrzehnte mit einem fremden Herz

WÜRZBURG

Zwei Jahrzehnte mit einem fremden Herz

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    Die Herztransplantierten Elisabeth Schulz (li.) und Karl Freudenberger (r.) mit ihrem Chirurgen, Prof. Dr. Rolf-Edgar Silber (mitte). Er pflanzte ihnen einst im Uniklinikum Würzburg ein zweites Leben ein.
    Die Herztransplantierten Elisabeth Schulz (li.) und Karl Freudenberger (r.) mit ihrem Chirurgen, Prof. Dr. Rolf-Edgar Silber (mitte). Er pflanzte ihnen einst im Uniklinikum Würzburg ein zweites Leben ein. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Den Dezember 1995 wird Karl Freudenberger aus Esselbach (Lkr. Main-Spessart) nie vergessen. Als 46-Jähriger hatte er zwei Herzinfarkte innerhalb von fünf Tagen erlitten und war dem Tod näher als dem Leben. Doch er hatte Glück. Nach nur zwei Tagen bangen Wartens lag er im OP-Saal. Am 5. Dezember schlug ein neues Herz in seiner Brust. Es schlägt bis heute. Freudenberger ist somit eine medizinische Ausnahme, manch einer würde von einem Wunder sprechen.

    Auch die heute 82-jährige Elisabeth Schulz aus Oberthulba (Lkr. Bad Kissingen) lebt seit 21 Jahren mit einem fremden Herzen in der Brust. Diese erfolgreichen Transplantationen feierten die zwei Patienten nun zum 50. Jubiläum der ersten Herztransplantation der Welt mit Vertretern der Uniklinik Würzburg und dem damals operierenden Chirurgen Prof. Rolf-Edgar Silber am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg.

    Im Schnitt liegt die Lebenserwartung mit einem Spenderherz bei 16 Jahren, da das Organ durch die Medikamente, welche eine Abstoßung verhindern sollen, schneller altert. Dass Schulz und Freudenberger nach über zwei Jahrzehnten noch leben, liege offenbar an deren guter Gewebeverträglichkeit, wie Prof. Rainer Leyh, Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie des Uniklinikums, erklärt.

    12 722 Herztransplantationen in Deutschland

    Mittlerweile werden in Deutschland jährlich zwischen 300 und 400 Herzen transplantiert, an der Würzburger Uniklinik zwischen sechs und zehn. Der Austausch von Organen ist Routine geworden. Seit der ersten Herztransplantation am 3. Dezember 1967 im südafrikanischen Kapstadt wechselten deutschlandweit 12 722 Herzen die Brust. Spenderorgane werden nach strengen Kriterien an Wartelisten-Patienten vergeben. Voraussetzung für die Annahme in die Liste ist ein endgültiges Herzversagen, das zur Lebenserhaltung eine medikamentöse oder apparative Behandlung erforderlich macht. In Würzburg warten derzeit 24 Patienten auf ein Spenderherz.

    Während Karl Freudenberger Glück im Unglück hatte und nur zwei Tage auf ein Spenderherz warten musste, waren es bei Elisabeth Schulz ganze fünf Jahre. „In dieser Zeit musste ich mindestens zehn Mal ins Krankenhaus eingeliefert und auch schon wiederbelebt werden“, erinnert sie sich an die furchtbarste Zeit ihres Lebens. Gegen Ende hatte die damals 60-Jährige eine Herztätigkeit von noch 17 Prozent. Einmal sei sie angerufen worden, man habe ihr erzählt, dass ein passender Spender gefunden wurde.

    Echotechnician Jasmin Simon untersucht das Herz von Karl Freudenberger am Ultraschall
    Echotechnician Jasmin Simon untersucht das Herz von Karl Freudenberger am Ultraschall Foto: Foto: Thomas Obermeier

    „Als der Anruf kam bin ich schnell in die Badewanne gehüpft, um sauber für die OP zu sein. Ich war so aufgeregt!“, erzählt sie. Auf der Intensivstation dann der Schock: „Auf einmal hieß es dann, dass sie doch kein Herz haben.“ In letzter Sekunde haben die Angehörigen des Patienten mit Spenderherz nicht eingewilligt.

    Geringe Zahl an Organspendern

    Dieser Vorfall ist kein Einzelfall, wie Leyh berichtet: „Selbst auf einer Hochdringlichkeits-Liste warten Patienten im Regelfall sechs Monate bis ein ganzes Jahr auf einer Intensivstation, bis sie ein Herz bekommen können.“ Grund sei die mangelnde Zahl an Organspendern. In Deutschland gilt die Regelung des Transplantationsgesetzes, dass der Organspender vorher eingewilligt haben und einen Organspendeausweis bei sich tragen muss. In Ländern wie Österreich sieht das anders aus. Dort gibt es die sogenannte Widerspruchsregelung. Hier muss ein Patient widersprochen haben, wenn er nicht damit einverstanden ist, dass seine Organe gespendet werden.

    „Das ist sicherlich eine viel bessere Lösung, aber da sind wir in Deutschland noch weit weg davon“, sagt Prof. Georg Ertl, Ärztlicher Klinikdirektor der Uniklinik Würzburg. Leyh ist da ähnlicher Meinung: „Dass hunderte Menschen jährlich sterben, die auf der Warteliste stehen, ist ein vollkommen indiskutabler Zustand!“

    Emotionales Wiedersehen

    Karl Freudenberger verbindet seit der Operation eine enge Freundschaft mit seinem Chirurgen. Ein Tag nach dem Wiedersehen im Zentrum für Herzinsuffizienz in Würzburg fahren die beiden gemeinsam zu einem Fußballspiel. Für Elisabeth Schulz war das Wiedersehen emotionaler: „Ich musste mir stark eine Träne verkneifen, als ich Professor Silber wieder gesehen habe. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen“, sagt sie mit Tränen in den Augen.

    Schulz und Freudenberger leben heute ein Leben nahezu ohne Einschränkungen, wenn man von der Einnahme zahlreicher Medikamente absieht. Den 800 anderen, die in Deutschland momentan noch auf ein Spenderherz warten, geht es nicht so gut. Deshalb müsse sich etwas ändern, wie Leyh sagt. Doch: „Solange wir alle Angst vor dem Tod haben, wird sich das System, welches wir momentan in Deutschland haben, nicht durchsetzen.“

    Organspendeausweis Eine Organspende ist theoretisch möglich, wenn ein Hirnfunktionsausfall eingetreten ist, der unumkehrbar ist. Für diesen Fall ist es wichtig, sich schon zu Lebzeiten mit dem Thema Organspende zu beschäftigen, um eine persönliche Entscheidung zu fällen. Mehr Informationen hierzu gibt es unter www.organspende-info.de. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet den Organspendeausweis zur kostenlosen Bestellung an. Außerdem ist der Organspendeausweis in vielen Arztpraxen oder Apotheken erhältlich.

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