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GAUKÖNIGSHOFEN: Zwischen Bullen und Bildschirm

GAUKÖNIGSHOFEN

Zwischen Bullen und Bildschirm

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    Ungezogen:
    Ungezogen: Foto: Foto: Gerhard Meißner

    Rund 250 Landwirte im Landkreis Würzburg halten noch Rinder. Die Zahl hat sich seit 1999 mehr als halbiert. Die Zahl der Tiere sank im gleichen Zeitraum von knapp 25 000 auf rund 16 000. Neben dem Preisdruck auf den immer globaler werdenden Agrarmärkten macht den Rinderhaltern die zunehmende Bürokratie und eine aus Sicht der Landwirte unsachliche Tierschutzdiskussion zu schaffen. Viele haben die Nutztierhaltung deshalb aufgegeben. Nun schlägt der Bauernverband (BBV) Alarm und sucht Unterstützung bei der Politik. Zum „politischen Stallbesuch“ hat BBV-Kreisobmann Hermann Brell deshalb die Landtagsabgeordneten Manfred Ländner und Oliver Jörg eingeladen.

    Gemeinsam mit dem Leiter des Würzburger Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Andreas Maier, stehen die beiden Politiker im Stall von Paul Öchsner. Ganz gegen den Trend hat sich der 45-jährige Landwirt aus Gaukönigshofen für den Einstieg in die Bullenmast entschieden. Im vergangenen Jahr wurde der neue Stall für 260 Tiere fertig. Im November sind die ersten 100 Jungbullen eingezogen.

    Mindestens 20 Jahre werde es wohl dauern, bis sich die Investition in den modernen Stall amortisiert hat, schätzt Paul Öchsner. Er setzt auf seinen Sohn Jonas, der in die Fußstapfen des Vaters treten will. Trotzdem treibt ihn die Sorge um, ob sich die Bullenmast bis dahin überhaupt noch rentiert.

    „Es kommt nicht auf die Bestandsgröße an, sondern darauf, dass sich das einzelne Tier wohlfühlt.“

    Paul Öchsner, Landwirt in Gaukönigshofen

    Der Stall ist hell und kühl. Paul Öchsner hat seine Erfahrungen als Milchviehhalter in die Planung einfließen lassen. Im hinteren Teil der Herdbuchten kuscheln sich die Tiere aneinander, einige betreiben gegenseitig Fellpflege – Zeichen eines ausgeprägten Sozialverhaltens. „Es macht total zufrieden, den Tieren zuzuschauen“, sagt Paul Öchsner. Selbst als Fremde den Stall betreten, bleibt es still – kein aufgeregtes Muhen, nur neugierige Blicke. „Es kommt nicht auf die Bestandsgröße an, sondern darauf, dass sich das einzelne Tier wohlfühlt“, meint der Landwirt.

    Die Fütterung übernimmt vier Mal am Tag ein Automat. Er mischt Stroh, Maissilage und Kraftfutter und dosiert das Futter auf den Futtertisch vor den Stallbuchten. Am Computer hat Paul Öchsner die richtige Mischung vorgegeben. Vor dem Bildschirm verbringt der Bauer inzwischen viele Stunden – nicht nur, weil die Technisierung immer weiter voranschreitet, sondern vor allem, um den umfangreichen Kontroll- und Dokumentationspflichten nachzukommen. Die überbordende Bürokratie ist den Landwirten längst ein Dorn im Auge.

    Als Beispiel nennt Kreisobmann Hermann Brell den Nachweis über den Arzneimitteleinsatz. Der muss genau dokumentiert werden, um beispielsweise zu verhindern, dass Rückstände von Antibiotika in Nahrungsmittel gelangen. Landwirte tun dies ohnehin, im Rahmen ihrer Qualitätssicherung. Dass dazu ein eigener Nachweis geführt werden muss und sich die Systeme nicht integrieren lassen, will Hermann Brell nicht in den Kopf. Vier bis fünf unterschiedliche Bestandslisten für die verschiedenen Zwecke muss der Nutztierhalter inzwischen führen. Das raubt nicht nur Zeit, sondern erhöht auch das Fehlerrisiko, sagt Paul Öchsner. „Man steht immer mit einem Bein in der Grauzone.“

    Vergleichbare Beispiele kennt Hermann Brell zuhauf. Statt sich an der fachlichen Praxis zu orientieren, werden immer neue Vorschriften und Auflagen erlassen. Sich in ständig neue Sachverhalte einarbeiten zu müssen, werde inzwischen auch für die Mitarbeiter im Landwirtschaftsamt zum Problem, gesteht Behördenleiter Andreas Maier.

    „Jeder will sich absichern“, sagt Landtagsabgeordneter Manfred Ländner, „das liegt daran, dass nach jedem Vorfall ein Schuldiger gefunden werden muss, den man hängen kann.“

    Zu schaffen macht den Bauern die aus ihrer Sicht immer sachfremder geführte Diskussion über den Tierschutz und Lebensmittelsicherheit. Statt die marktorientierten Ansätze zwischen Landwirten und Lebensmittelhandel zu unterstützen, werde die Sachkunde und Erfahrung der Bauern durch viele Vorschriften schlichtweg konterkariert.

    Landtagsabgeordneter Oliver Jörg führt dies auf die zunehmende Entfremdung zwischen der Landwirtschaft und der übrigen, überwiegend städtisch geprägten Bevölkerung zurück. „Es geht nicht, dass man sich das Fleisch möglichst billig aus dem Kühlregal holt und mit allem, was mit seiner Produktion zusammenhängt, nichts zu tun haben will.“

    Dabei belegen Umfragen, dass die bäuerliche Landwirtschaft und die regionale Lebensmittelerzeugung von einem überwiegenden Teil der Verbraucher als wichtig und erhaltenswert angesehen wird.

    Den Widerspruch bringt Kreisobmann Hermann Brell auf den Punkt: „Alle wollen regionale Lebensmittel, aber keiner will, dass sie in seiner Nachbarschaft produziert werden.“

    Manfred Ländner empfiehlt dem Bauernverband deshalb, in der Bevölkerung noch mehr Aufklärung als bisher über die Landwirtschaft und ihre Produktionsweisen zu betreiben.

    Mit Sorge betrachtet der Leiter des Landwirtschaftsamts, Andreas Maier, die rückläufige Nutztierhaltung in Unterfranken. „Je weiter die Hürden angehoben werden, desto schneller schreitet der Strukturwandel fort“, fürchtet er. „Nach einfachen Lösungen suchen“, lautet deshalb der Appell, den Maier an die Politik richtet. Die regionale Grundversorgung mit Nahrungsmitteln müsse unbedingt erhalten bleiben.

    Wenn noch mehr Landwirte aus der Tierhaltung aussteigen, hätte das zur Folge, dass noch mehr Fleisch aus dem Ausland importiert werden muss, sagt BBV-Kreisobmann Hermann Brell. Und dort sind die Qualitäts- und Tierschutz-Standards in der Regel schlechter als in Deutschland.

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