„Ich mache das für mich, nicht des Geldes wegen, oder um im Rampenlicht zu stehen“, sagt Mario Staller so überzeugend wie bescheiden. Er hat 2008 alles gewonnen, was es in der fernöstlichen Kampfsportart Ju-Jutsu zu gewinnen gab: die German Open, die Paris Open, den Europacup. Und im schwedischen Malmö wurde er im November Weltmeister in der Klasse bis 77 Kilogramm. Das Finale gegen den Kasachen Nurlan Tleumbetov entschied er deutlich für sich.
Als Staller vor 14 Jahren beim TV Bad Brückenau begann, eine Kampfsportart zu erlernen, war das eher eine zufällige Angelegenheit: Die damals populären Jean-Claude-Van-Damme-Filme begeisterten den Jungen derart, dass er sich zunächst im Judo versuchte. „Es wurde mir aber schnell klar, dass Judo nicht das war, was die in den Filmen gemacht hatten“, erinnert er sich. Kurioserweise unter Anleitung seines Judo-Trainers Manfred Klauer begann er schließlich mit Ju-Jutsu.
Obwohl der damals Zwölfjährige diese Kampfsportart beim TV Bad Brückenau seinerzeit als Einziger ausübte, trainierte er verbissen und lernte schnell. Klauer begleitete den Jungen zu ersten Wettkämpfen. Als er, gerade mal 15, zum ersten Mal bayerischer Meister wurde und ein Jahr später die German Open gewann, reiften die Träume von den ganz großen Erfolgen. Es dauerte nicht lange, da wurde der Jugendliche aus der Rhön in den Nationalkader berufen.
Nach seinem Abitur zog es Mario Staller, mittlerweile 19 Jahre alt, nach Wiesbaden. Während seiner Ausbildung beim Bundeskriminalamt wurde man schnell auf den jungen Mann aus Detter aufmerksam. Bereits mit 22 Jahren wurde er dort Einsatztrainer für Selbstverteidigung, Schießen und Einsatztaktik.
Sportlich ging es für Staller aber nicht immer nur bergauf. Zwar errang er beachtliche Erfolge, zahlreiche Verletzungen warfen den heute 26-Jährigen allerdings immer wieder aus der Bahn. Ein weiterer Rückschlag war die knappe Halbfinalniederlage bei der Weltmeisterschaft 2006 gegen den Russen Igor Rudnev. Von der unglücklichen Entscheidung der Kampfrichter war er so enttäuscht, dass er 2007 fast keine Wettkämpfe bestritt. Nur bei der deutschen Meisterschaft trat er an – und holte beinahe selbstverständlich seinen dritten Titel.
Der Wettkampf war für Staller allerdings nur eine Zwischenstation auf dem Weg zur WM 2008. Mit dem großen Ziel vor Augen, trainierte der Polizeibeamte ein halbes Jahr lang verbissen. Denn jedes Land schickt nur einen Sportler zu den im zweijährigen Turnus stattfindenden Weltmeisterschaften. „Ohne große Disziplin und eine Frau, die hinter einem steht, wäre das alles nicht zu schaffen gewesen“, glaubt der Weltmeister und spricht von einem Balanceakt, das Trainingspensum von etwa 25 Stunden pro Woche mit Beruf und Partnerschaft in Einklang zu bringen.
Dass seine Familie aus Detter und sein zum Freund gewordener Ex-Trainer Manfred Klauer zur WM nach Malmö gereist waren, das war für Staller ganz besonderer Ansporn. Einen Coach brauchte der Polizeibeamte auf seinem Weg zum Weltmeistertitel nicht. Er hat drei Trainerlizenzen, absolviert außerdem ein Trainer-Studium. „Ich bin mein eigener Trainer und fahre gut damit“, sagt er.
Als U-18-Bundestrainer engagiert sich Staller im Nachwuchsbereich. Seine Begeisterung gibt er gerne weiter: „Es gibt kaum eine Sportart, die so vielfältig ist wie Ju-Jutsu.“ Abgefunden habe er sich, dass die Sportart nicht olympisch ist. Doch eine Art Olympiade gibt es auch im Ju-Jutsu. Bei den im Juli in Kaohsiung/Taiwan stattfindenden World-Games will Mario Staller ganz oben auf dem Treppchen stehen. „Die World-Games finden nur alle vier Jahre statt und haben eine herausragende Bedeutung“, sagt der Rhöner, für den ein Sieg dort der Höhepunkt seiner Karriere wäre. „Wenn die Wettkämpfe gut laufen, könnte es sein, dass ich meine Laufbahn dann beende.“ Für die deutsche Ju-Jutsu-Szene wäre sein Gewinn damit ein Verlust.
Daten & Fakten
Ju-Jutsu heißt übersetzt „die Kunst, durch Flexibilität, Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit zu siegen“ – oder „sanfte Kunst“. Dahinter verbirgt sich ein modernes, offenes Selbstverteidigungssystem, aber auch eine Kampfsportart. Der Wettkampf besteht aus drei Teilen. Zunächst versuchen die Kämpfer, durch Schläge und Tritte zu punkten. Es folgt Abschnitt zwei, in dem der Gegner durch einen Wurf oder Hebel zu Boden zu bringen ist. Der Bodenkampf bildet den dritten Teil; Ziel ist, den Gegner zu halten oder durch Würge- und Hebeltechniken zum Abklopfen zu bringen.