„Ich will die Boxhandschuhe zwar nicht endgültig an den Nagel hängen, mich aber jetzt als Trainer und Promoter verstärkt für Nachwuchstalente einsetzen. Und da gibt es ja noch mein Fitnessstudio, wo ich sehr viel Zeit investiere“, sagte Kirsten.
Euphorisch wurde der Schonunger zum Abschiedskampf von den knapp 800 Zuschauern in der nicht ausverkauften Halle empfangen: Spätestens als Kirsten mit seinem Betreuerstab und Bodyguards unter Blitzlicht, Nebelschwaden und Trommelwirbel zum Ring zog, geriet das Publikum in Ekstase. Der Hamburger Ringrichter Michael Wübke gab den Startschuss zum Weltmeisterschaftskampf im Weltergewicht bis 66,8 kg. Von anfänglichem Taktieren, wie Kirsten angekündigt hatte, war wenig zu sehen. Barron drückte aufs Tempo und ging volles Risiko. Mit gefährlichen Frontkicks lockte er den Weltmeister aus der Reserve und zwang ihn zu Gegenaktionen. Die kamen prompt: Mehrmals bohrte sich Kirstens Faust durch die Deckung des Amerikaners.
Besonders in der zweiten Runde gelangen dem Schonunger schmerzhafte Treffer, so dass sein Herausforderer zu Boden stürzte. Der berappelte sich aber recht schnell, konterte mit einem grandiosen Seit-Dreh-Kick und einem gesprungenem Rundkick. Überhaupt zeigten Kirsten und sein Kontrahent technisch hochwertiges Kickboxen, dabei beeindruckte vor allem die Beweglichkeit und kraftraubende Beinarbeit der Kämpfer. In der vierten Runde drehte der Weltmeister auf: Mit einem kraftvollen Kick in den Brustkorb beförderte er Barron in die Ring-Ecke. Kameraleute sprangen verschreckt zur Seite, das Publikum johlte. Dann donnert eine Serie von Kinnhaken auf den Amerikaner ein, aber auch der setzte Gegentreffer. Offenbar zog sich der Lokalmatador dabei einen Riss an der rechten Augenbraue zu: Ein paar Handgriffe des Betreuerstabs und die Blutung war gestillt. Barron nutzte das Handicap und steuerte seine Fäuste gezielt in Richtung der offenen Wunde: Kirstens Auge wurde dabei dicker und dicker. Doch da waren sie wieder, die „Sveni, Sveni“-Sprechchöre. „Das hat mich unheimlich gepusht!“, zeigte sich Kirsten dankbar.
Ab Runde sieben waren die Strapazen beiden anzumerken. Darunter litt auch die Technik: Immer öfter verfehlen Faustschläge und Kicks den gegnerischen Körper, das Reaktionsvermögen ließ deutlich nach. Beide warten auf Fehler des anderen.
Die leistete sich Barron ab Runde zehn. Kirsten kristallisiert sich als der Führende heraus. Dramatisch wurde es in der Finalrunde: Beide gaben alles, waren am Limit. Barron und Kirsten verkeilten sich – der Schlussgong machte daraus eine Umarmung. Nach der Entscheidung der Punktrichter war klar: Sven Kirsten ist alter und neuer Weltmeister. Die Halle verfiel dem Freudentaumel. Nur im Lager des Herausforderers getrübte Stimmung. Dennoch zeigte sich der Mann aus Chicago als fairer Verlierer: „Kirsten ist stark und hat einen hervorragenden Kampf abgeliefert. Besonders am Ende hatte ich Schwierigkeiten.“