Wieder einmal liegt in Amerika der Geburtsort für etwas, was kurz darauf die Welt erobert. 1972 startet die Fernsehserie "Kung Fu" mit David Carradine in der Hauptrolle. Die Älteren erinnern sich: Ein stoischer buddhistischer Mönch, der Ende des 19. Jahrhunderts zu Fuß durch Amerika zieht und dank überlegener Selbstverteidigung zum Schrecken der Bösewichter wird. Im Kino sausen Bruce Lees Fäuste und Handkanten auf seine fiesen Gegner. Der Kung-Fu-Kämpfer reiht im Kino Erfolg an Erfolg. Mit dem Lied "Kung Fu Fighting" landet Carl Douglas 1974 einen Welthit.
Ob in Kino, Fernsehen oder Disco - Kung Fu und andere fernöstliche Kampfsportarten starten einen weltweiten Eroberungszug. Auch Deutschland wird vom Fieber gepackt. Karate, Kung Fu, Taekwondo oder Judo stehen bei den Jugendlichen hoch im Kurs. Die großen Vorbilder heißen Bruce Lee, Jacky Chan oder David Carradine.
In diese Blütezeit der Kung-Fu-Euphorie fällt die Gründung des Vereins SC Bushido Kitzingen. 1977 war das, der Fröhstockheimer Fritz Hutzelmann sein erster Vorsitzender. 150 aktive Mitglieder zählte Bushido damals. Trainiert wurde in einem Raum nahe beim alten Kitzinger Arbeitsamt. Auf sechs mal acht Metern übten Judokas, Karate- und Teakwondo-Sportler.
Die Euphorie ist heftig, aber kurz. Das spürt auch der SC Bushido. 1984 besteht der Verein nur mehr aus Judokas. Die Zahl der Mitglieder rutscht deutlich unter 100, heute sind es gut 50.
1984 tritt der Kitzinger Hans Jürgen Pavel in den Verein ein. Dort erlernten bereits seine drei Kinder Frank, Marco und Nicole den Judosport. 35 Jahre ist Pavel damals alt. Zu alt, um eine Judo-Karriere zu beginnen. "Aber das wollte er gar nicht. Er wollte aus purem Spaß Judo lernen. Eigentlich hat er sich damit einen Jugendtraum verwirklichen." Dies sagt seine Witwe Irmgard Pavel.
Doch zurück zur Chronologie. Schnell wird Hans Jürgen Pavel im Verein unentbehrlich. Bald trainiert er die Kinder und Jugendlichen. Anfang der 90er Jahre wird Pavel zum ersten Vorsitzenden gewählt. 1992 erwirbt er noch die Lizenz zum Kampfrichter. Er besucht Lehrgänge, ist 80 Mal als Kampfrichter im Einsatz an der Matte, in der Region, aber auch im nahen Ausland. Mit Hans Jürgen Pavel ist der Verein alles, ohne ihn nichts.
Dann kommt der 25. Mai 2001. An diesem Freitag ist Hans Jürgen Pavel mit seiner Motorrad-Clique im Sauerland unterwegs. Die fünf Motorradfahrer fahren gemächlich auf einer lang gezogenen Kurve, als das Schicksal zuschlägt.
Ein 24-Jähriger rast in seinem Auto auf die Gruppe zu, verliert die Kontrolle. Die ersten zwei Motorradfahrer können ausweichen. Der dritte, Hans Jürgen Pavel, hat keine Chance. "0,7 Sekunden hätte die Reaktionszeit betragen müssen. Das hat ein Gutachter bei der Gerichtsverhandlung errechnet", sagt seine Witwe. Sie spricht gefasst, doch die Schilderung geht ihr immer noch nahe.
Bitter erzählt sie, dass der Unfallverursacher keinen Führerschein besaß, unter Drogen stand und bis zu dieser Todesfahrt bereits 38 mal wegen Verkehrsdelikten vor dem Richter gestanden habe.
Auch den SC Bushido Kitzingen trifft Pavels Tod schwer. Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung heißt die Frage: Lösen wir den Verein auf oder machen wir weiter? Wenn ja, aber wie?
Hans Jürgen Pavel war im Grunde nicht zu ersetzen. "Ohne ihn lief gar nichts im Verein. Er war Vorstand, Trainer, Vertrauter", sagt die stellvertretende Vorsitzende Jutta Wendinger. Der jetzige Vorsitzende Benno Müller schildert Pavel als "ruhig, gelassen". Selbst bei tobenden Kindern habe er eine kraftvolle Ruhe ausgestrahlt. Wenn er nach einem Spaß wieder zur Ordnung, also zum Training mit leiser Stimme rief, dann sei sofort Ruhe gewesen.
Es geht weiter mit dem SC Bushido. Hans Jürgen Pavel folgt der Estenfelder Bezirksvorsitzende Winfried Mainberger nach, bis Juni 2002 übergangsweise. Seither führt der Rödelseer Benno Müller den Verein.
Als Müller und seine Vorstandskolleginnen die Weihnachtsfeier vorbereiten, entsteht der Gedanke. Erstmals in seiner Vereinsgeschichte will der SC Bushido ein Turnier ausrichten. 2003 und nicht 2002, was auf den ersten Blick nahe liegend gewesen wäre, denn der Verein bestand 25 Jahre. Aber nach Feiern war den Judokas nicht zu Mute.
Stattdessen will der Verein Hans Jürgen Pavel gedenken. "Das ist ein nachträglicher Dank dafür, dass es den Verein noch gibt", sagt Jutta Wendinger und spielt auf Anfang der 90er Jahre an, als nach dem Rücktritt des Gründungsvorsitzenden erstmals die Existenz des Vereins auf dem Spiel stand.
Pavels Witwe engagiert sich weiterhin für den Verein. Das Training hat sie seit dem tragischen Unfall nicht mehr besucht. "Dort würde ich immer Jürgen sehen", sagt sie fast entschuldigend. Dass der Verein mit einem Hans-Jürgen-Pavel-Gedächtnisturnier an die sportinteressierte Öffentlichkeit geht, findet sie toll. "Dass der Verein das Andenken an meinen Mann hoch hält, macht mich stolz."
Die Euphorie um fernöstliche Kampfsportarten ist lange verklungen. Die Judokas des SC Bushido Kitzingen haben längst ihre eigene Geschichte. Darin spielt der vorbildliche Sportsmann und engagierte Funktionär Hans Jürgen Pavel eine herausragende Rolle. In der Kitzinger Florian-Geyer-Halle werden am Samstag viele Judobegeisterte an ihn denken.