Das Leben hat sich wieder normalisiert für Jenny Tamas. Keine Kamerateams, die sie belauern, keine Radioreporter mehr, die Fragen stellen und nach O-Tönen verlangen. Vor zwei Jahren war das alles anders. Das damals sechzehn Jahre alte Mädchen aus Schweinfurt fuhr als jüngste deutsche Sportlerin zu den Olympischen Winterspielen nach Turin, wo sie mit der Eishockey-Nationalmannschaft der Frauen Fünfte wurde. Und als lokales Leckerli gab es die Kür zur „Schweinfurter Sportlerin des Jahres 2006“.
„Der Rummel war damals riesig. Es ist mir manchmal wirklich zu viel geworden. Jetzt hat sich das gelegt“, erzählt die Gymnasiastin. Und erfreut sich wieder erlangter Freiheiten. „Es ist besser, wenn man mit mir normal umgeht und nicht sagt: Oh, die war bei Olympia.“ Trotzdem denkt Jenny Tamas gern an das Turnier im Torino Palasport Olimpico zurück. Beim 0:5 gegen die USA machten 8 000 Leute auf den Rängen mächtig Lärm. Und mit Eisschnelllauf-Queen Anni Friesinger saß sie sogar einmal am Frühstückstisch. „Es war ein Klasse-Erlebnis“, sagt sie begeistert über ihre Reise. Gut hat sich die gebürtige Herforderin auch bei der erstmals ausgetragenen Juniorinnenweltmeisterschaft unlängst in Calgary geschlagen, obwohl es für die deutsche Mannschaft dort nur zum fünften Platz gereicht hat und den 2:1-Sieg in der Platzierungsrunde gegen Russland ganze 64 Zuschauer in der Norma-Bush-Arena sehen wollten. „Bronze wäre drin gewesen“, sagt Tamas. Die Freude aber überwiegt den Ärger. „Wir waren eine einzigartige Mannschaft.“ Deren Kapitän war: Jennifer Tamas. Dies sind nicht die schlechtesten Perspektiven, um nun auch im A-Team voll durchzustarten. 53 Einsätze hat sie dort bisher hinter sich gebracht, dabei auch zwei Tore erzielt. Nächste internationale Herausforderung für sie wird die Weltmeisterschaft im April im chinesischen Harbin sein. Ihre Ziele hat sie bereits formuliert. „Der fünfte Platz, dann wären wir für Olympia qualifiziert.“
Vorerst gilt das Interesse aber dem Alltag am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium. Der gestaltet sich „ganz schwierig“ (Tamas) und das nicht nur aufgrund der beiden Leistungskurse Mathematik sowie Wirtschaft/Recht. „Ich fehle wegen des Eishockeys abartig viel. Eigentlich müsste ich ein Jahr dran hängen“, sagt sie. Nur: Erst 2010 das Abitur zu bauen wäre ebenso problematisch, denn im Frühjahr 2010 locken schon wieder die Olympischen Spiele kanadischen Vancouver. Und das möchte sich die 18-Jährige auf keinen Fall entgehen lassen: „Es wäre geil, dort wieder dabei zu sein.“ Und reizvoll für die eigene Perspektive, denn gerade das eishockeybegeisterte Nordamerika hat sich Jenny Tamas für ihre sportliche Zukunft ausgeguckt. Die ersten Kontakte sind schon seit 2006 in Turin geknüpft, inzwischen locken die amerikanischen Eliteuniversitäten Yale und Princeton mit konkreten Angeboten. Als Bedingungen gelten Hochschulreife sowie sportliches Talent, das sie zweifellos besitzt.
„Es wäre geil, wieder dabei zu sein.“
Jenny Tamas über die Olympischen Spiele 2010
Als läuferisch gute, kräftige Verteidigerin, die ein Spiel zu lesen vermag, hat die Schweinfurterin sich schon in ihrer Jugend behauptet. Die Erfahrung ist hinzu gekommen („Ich weiß in manchen Situationen besser, was zu tun ist“). Und selbst der Schlagschuss sitzt jetzt („Aber noch nicht perfekt“). Es hat sich ausgezahlt, dass Vater Gabor, ein gebürtiger Ungar, sie als Kind zum Eishockey gebracht hat. Beim ERV Schweinfurt lernte sie, sich als junges Mädchen in einer Nachwuchsmannschaft gegen lauter Jungen durchzusetzen. Das hieß auch: den Kampf gegen Vorurteile annehmen – notfalls mit einem sauberen Check gegen die stämmigen Kontrahenten.
Im Oktober 2004 machte Tamas ihr erstes Länderspiel, obwohl das Spiel unter Frauen eine große Umstellung bedeutete. Denn anders als bei den Männern sind Checks dort verboten. Eigentlich nicht ihre Sache: „Ohne Check ist es doch kein richtiges Eishockey. Aber ich mache die Regeln nicht.“
Bei den ERV-Junioren kann Tamas noch zwei Jahre über das Eis wirbeln, dann muss sie wegen ihres Alters ins weibliche Fach wechseln. Frauen-Eishockey in Deutschland reizt sie aber bloß bedingt. Seit den achtziger Jahren gibt es zwar einen Ligen-Betrieb, „aber leben kann man hierzulande davon nicht“. Da bleibt nur der Weg über den großen Teich – und vorher nächtelanges Pauken, bis das Abitur eingefahren ist. Harte Aussichten für die Schweinfurterin: „Ich werde den Hintern zusammenkneifen müssen“, sagt sie.