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Gewichtheben: „Es könnten gerne vier Kilo mehr sein“

Gewichtheben

„Es könnten gerne vier Kilo mehr sein“

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    Strahlende Erscheinung: Wenn Saida Thenhart vom Gewichtheben erzählt, gerät sie ins Schwärmen.
    Strahlende Erscheinung: Wenn Saida Thenhart vom Gewichtheben erzählt, gerät sie ins Schwärmen. Foto: Foto: Andreas Stöckinger

    Wie eine Gewichtheberin sieht Saida Thenhart auf den ersten Blick nicht aus. Und auch nicht auf den zweiten. Kein Wunder, schließlich war sie bis vor kurzem Stewardess und hatte mit Sport lange Zeit nichts am Hut. Bis Saida vor fast fünf Jahren ein Fitnessstudio in Würzburg betrat, was das Leben der heute 29-Jährigen total verändern sollte. „Ich wollte einfach nur fit werden“, sagt sie im Nachhinein.

    Es sollte der erste Schritt eines ungewöhnlichen Weges werden. Vor einem halben Jahr kündigte Saida ihren unbefristeten Vertrag bei der Lufthansa, Schluss mit der Fliegerei. Zunächst hatte sie für einige Zeit ihren Dienst mit dem Fitness-Training kombiniert. Das lief so, dass sie etwa vor einem Flug nach Seattle bereits checkte, wann und wo sie dort trainieren könne.

    Auf Dauer wurde ihr das zu stressig. Zudem sah sie in der Rolle als Stewardess auch Nachteile. „Es ist ein toller Job. Aber in dem Kostüm wirst du wie ein kleines Mäuschen behandelt. Ich habe gemerkt, du passt nicht mehr in das Denken. Also habe ich servus gesagt“, schildert sie in ihrer selbstbewussten Art. Heute ist die Würzburgerin Inhaberin eines eigenen Fitnessstudios und bietet Personal-Training an. Dazu hat sie eine Sportart für sich entdeckt, die sie begeistert. Sie ist Gewichtheberin beim KSV Kitzingen in der Bayernliga.

    Saida Thenhart hat ihr Ding durchgezogen. „Ich halte nichts davon, etwas zu machen, was ich nicht mag“, sagt sie. Das beziehe sich auf das Leben und den Sport gleichermaßen. Beim Start vor Jahren im Fitness-Studio bescheinigte ihr Trainer Hans-Otto Wöhrle nach den ersten Einheiten, dass sie über eine gute Grundfitness verfüge. Die junge Frau trainierte, begann langsam mit Hanteln und steigerte sich mit der Zeit. Dazu erweiterte sie ihr Programm um Cross-Fit, eine Mischung aus Gewichtheben, Turnen und Schnellkraftübungen wie Sprint.

    Das Heben lag ihr auf Anhieb. Saida probierte es später mit der schwierigeren 20-Kilo-Langhantel, die eigentlich auf Männer zugeschnitten ist. Zu ihrem Trainer sagte die temperamentvolle Frau: „Ich möchte richtig schwer heben können! Ich möchte mal auf die Kacke hauen als Frau, weil man das nie darf.“ Wöhrle empfahl ihr das Gewichtheben. Um Wettkämpfe bestreiten zu können, musste sie in einen Verein. Kai Kaspar vom Kraftsportverein (KSV) Kitzingen meldete sich schnell auf ihre elektronische Anfrage. Beim KSV fand sie mit Harald Sauf einen erfahrenen Trainer, der ihr wertvolle Tipps gab und gibt.

    Dass viel mehr hinter dieser Sportart steckt, als einfach nur schnell mal eine Hantel hoch zu heben, weiß Saida mittlerweile. Gewichtheben sei wie Physik. „Man muss die Winkel genau treffen und braucht viel Durchsetzungsvermögen und Geduld“, zählt sie weitere Voraussetzungen auf. Um die Sportart zu betreiben, müssen Körper und Geist passen. Wichtig sei gerade der Kopf. Dazu kommt die richtige Ernährung. „Ich kann so viel essen wie nie zuvor“, freut sie sich über einen weiteren Vorteil. Was steht denn so auf dem Speiseplan? „Fleisch noch und nöcher, Eiweiß, Eier, viel Gemüse, viele Kohlenhydrate. Von Obst halte ich nichts.“ Zunehmen, eine Top-Figur haben und gleichzeitig topfit sein – für Frauen wohl ein Traum.

    Ihr Gewicht kennt sie einigermaßen, steigt jedoch nicht ständig auf die Waage. Die nächste erstaunliche Aussage: „Ich hätte gerne noch ein paar Kilos und Muskeln mehr, dann könnte ich noch mehr heben. Aber da geht nichts“, lacht sie und schaut an ihren 164 Zentimetern hinunter. Das sei schon komisch, als Teenager habe sie immer gedacht, man müsste noch dünner sein. „Heute könnten es ruhig vier Kilo mehr sein.“ Beim letzten Wettkampf waren es 62.

    In Fitness und Gewichtheben hat sie sich regelrecht verbissen. Saida Thenhart fühlt sich wohl bei ihrer Leidenschaft, sagt sie, lebt sie regelrecht aus. Der Kampf mit sich und den Hanteln reizt sie. „Sport ist jetzt mein Leben. Das ist ein Privileg, über das ich froh bin.“ Dazu übt die 29-Jährige auch im mentalen Bereich. Im Wettkampf kommen nämlich noch Druck und Erwartungshaltung hinzu. Da setzt Saida Thenhart auf ihre eigene Taktik. Während des Wettkampfs steht sie meist ganz allein in einer Ecke, redet kaum mit jemanden, um sich zu konzentrieren. Das sehe bisweilen komisch aus. Sie brauche das aber. „Du musst alles ausblenden. Der eigentliche Gegner ist man selber.“

    Sie kennt die (männlichen) Blicke, die in der Halle häufig auf sie gerichtet sind. Auch wenn sie im nicht gerade vorteilhaften, aber eben vorgeschriebenen Gewichtheber-Outfit statt im Gymnastik-Top antreten muss. „Ich mache mich nicht extra hübsch vor dem Wettkampf, weil dann alle denken: Guck mal, das Püppchen! Dann fällt einem das Gewicht runter, und sie lachen nach dem Motto: 'Das war doch klar.' Auch damit musst du zurecht kommen“, gewährt Saida Einblick in ihr Inneres.

    Viel schöner als alle anderen Sportarten empfinde sie das Gewichtheben, „weil man sich persönlich besser kennen lernt. Das ist kein halbherziger Sport. Du musst ihn mit Leib und Seele machen.“ Sie sei nicht unbedingt mit großem Talent gesegnet und müsse sich Vieles erarbeiten, fügt Saida Thenhart hinzu. Etwa zehn Stunden in der Woche trainiert sie. Dazu kommen die Wettkämpfe, bei denen sie ihre Versuche per Kamera aufnimmt, um später zu analysieren, was gut war und was nicht.

    Mannschaftssport war für sie neu, gefällt ihr aber sehr gut, auch wenn man viel Zeit investiere. „Ich bin sehr teamorientiert, mir liegt viel an der Gemeinschaft. Meine Leistung bringe ich für das Team.“ Da müssen eben ihr Freund und ihr Hund, eine französische Bulldogge, mal für einige Stunden auf Saida verzichten. Mittlerweile hat sie auch ihre acht Jahre jüngere Schwester Amy für das Heben begeistert, die viel Talent hat und von ihr betreut wird.

    Was will Saida Thenhart als Gewichtheberin erreichen? An einer bestimmten Kilozahl will sie es nicht festmachen. Bayerische Meisterin war sie bereits, auch an der „Deutschen“ hat sie teilgenommen. Eher Bewunderung als Konkurrenzdenken befalle sie dort. „Mein Ziel ist offen. Der Sport ist wie ein Perpetuum mobile, er reizt mich und treibt mich weiter an.“ Mit ihrer Einstellungen und Einsatzbereitschaft wohl auch zu weiteren Erfolgen. Sowohl im Berufsleben als auch im Sport.

    Das meint der Trainer

    Harald Sauf: „Saida ist brutal ehrgeizig, sehr impulsiv und hat einen Narren am Gewichtheben gefressen. Mir als Trainer macht es großen Spaß, ihr Trainingspläne zu schreiben. Im März 2014 hat sie ihren ersten Wettkampf für den KSV Kitzingen bestritten und hat mittlerweile enorme Fortschritte gemacht. Schade, dass sie schon 29 Jahre alt ist. Das soll ihre tolle Leistung aber nicht schmälern. Ihre Bestmarken liegen momentan bei 57 (Reißen) und 70 Kilogramm (Stoßen). Den Höhepunkt ds aktuellen Trainingszyklus haben wir auf den Rundenwettkampf in einer Woche gelegt. Dort soll sie 60 und 72 Kilogramm angreifen. Bei der deutschen Meisterschaft im Herbst kann sie Vierte oder Fünfte werden.“

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