Wenn sich im Londoner Alexandra Palace momentan „The Power“, „Mighty Mike“, “Snakebite” und “The Wizard” vor verkleideten und begeisterten Zuschauern gegenüberstehen, dann geht es nicht etwa um ein Rollenspiel oder eine Fantasy-Messe, sondern um die Weltmeisterschaft im Dartsport. Während diese Form der Punktejagd in Großbritannien wie ein Rock-Konzert zelebriert wird, geht es hierzulande etwas ruhiger zu. Doch auch im Main-Spessart hat dieser Sport einige Anhänger, die sich im Ligabetrieb miteinander messen.
Ganz so gut wie sein Lieblingsspieler Phil Taylor, der sich hinter dem Spitznamen „The Power“ verbirgt, ist Michael Bayer zwar nicht, die Profis im Fernsehen zu sehen sei aber trotzdem pure Motivation, meint der 32-jährige Systemadministrator, der den Dart-Club Deutschland aus Karlstadt anführt.
Noch ist es ruhig bei der Weihnachtsfeier der Mannschaft im Stammlokal „Gonzo's“. „Dart ist aber ein sehr emotionaler Sport, bei dem es auch laut wird. Man hält als Mannschaft zusammen und versucht, sich gegenseitig zu pushen“, sagt Bayer und bereitet sich auf ein Spiel gegen einen Portugiesen vor. Die Zukunft seien nämlich mit dem Internet verbundene Automaten, mit denen man gegen Gegner auf der ganzen Welt in Echtzeit antreten kann.
„Es ist eben der einzige Sport, wo man auch am Tresen gewinnen kann“
In heimischen Gefilden findet man den DC Deutschland in der A-Klasse wieder, nachdem er in der Vorsaison aus der B-Klasse aufgestiegen war. Zwar steht der Neuling momentan auf einem ernüchternden achten und damit letzten Platz, „aber wir werden bis zum letzten Dart um den Klassenerhalt kämpfen“, verspricht Bayer. Pro Durchgang müssen bei einem Spiel 501 Punkte abgearbeitet werden, beendet wird er mit einem Double-Out, also nur mit einem passenden Doppelfeld. Genau dieses wird mir selbst zum Verhängnis, als ich spaßeshalber gegen DC-Mitglied Benny Huth antrete und im ersten Durchgang als Laie Dank meines Anfängerglücks nahe am Sieg bin. Im zweiten Durchgang verliere ich dann aber bereits mit über 300 Punkten.
An einem regulären Spieltag stehen sich pro Mannschaft vier Spieler gegenüber, was zusammen mit zwei Doppeln 18 Duelle ergibt, die alle ausgespielt werden. Eine wichtige Rolle spiele dabei der Kopf, „denn wenn der Kopf nicht frei ist, spielt man einfach schlecht. Selbstvertrauen ist sehr wichtig“, sagt Bayer, der die Niederlage gegen den Portugiesen trotzdem nicht vermeiden kann. Eigentlich sei er ja gut drauf, meint er, denn das Schöne am Dart sei eben, dass man mit Freunden zusammenkommen und sich entspannen könne. Viele der Mitglieder sind beruflich sehr angespannt, weshalb es manchmal schwierig sei, sich wöchentlich zum Training zu treffen oder am Samstag genügend Spieler zusammenzubekommen. Neue Mitglieder sind allein schon deshalb willkommen und können sich gerne im „Gonzo‘s“ melden.
Außerdem habe Dart noch einen ganz anderen Reiz: „Es ist eben der einzige Sport, wo man auch am Tresen gewinnen kann“, scherzt Bayer. „Am sympathischsten sind die Gegner, für die ebenfalls das Gesellige im Vordergrund steht und nicht die, die alleine sein wollen und schnell wieder verschwinden“, sagt der Mannschaftskapitän aus Karlstadt, der Teil einer sehr jungen Mannschaft ist. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten spielt das Alter beim Dart keine Rolle.
Ein Mitgliedsbeitrag fällt beim DC übrigens nicht an. Dafür muss man aber ein paar Euro für die Automaten und den Verzehr im Lokal mit einrechnen. Was die Darts selbst angeht, so könne man entweder 10 oder auch über 100 Euro ausgeben, erklärt Bayer, denn für die einzelnen Bestandteile hält der Markt eine große Auswahl bereit. Die 300 Euro Startgeld, die pro Saison anfallen, übernehmen – zumindest im Falle des DC – indes Sponsoren. Für den sportlichen Erfolg müssen die Karlstadter aber noch selbst sorgen.
Da schauen sie wieder hin, zur Live-Übertragung der mit 1.250.000 Pfund dotierten Weltmeisterschaft in London, die bis auf wenige Ausnahmen wie immer von englisch sprachigen Nationen dominiert wird. „Solche Dartturniere sind eine riesige Party. Das muss man mal erlebt haben“, schwärmt Bayer.
Ganz so groß sind die Partys im Gonzo’s nicht – aber gesellig, ja, schön gesellig sei es, sagt der 32-Jährige, der die sportliche Situation nicht zu ernst nehmen möchte. „Natürlich kämpfen wir weiter verbissen gegen den Abstieg, aber wenn es nicht reicht, dann steigen wir eben wieder auf. Hauptsache, es macht Spaß!“