Die Zeitnahme zeigt 38 Minuten und 32 Sekunden an, als Patrick Wenzl mit leicht angespanntem, aber glücklichem Gesichtsausdruck die Ziellinie passiert und die Arme in die Höhe reißt. Der 34-jährige Urspringer hat gerade die zehn Kilometer des diesjährigen Warema-Laufs absolviert – als bester Vertreter aus dem Landkreis Main-Spessart und voller Stolz auf seine erreichte Zeit. „Ich will unter die 40 Minuten kommen“, verriet er, der bei seiner ersten Teilnahme vor einem Jahr knapp an der 40-Minuten-Marke vorbeigeschrammt war, im Vorfeld. Auch beim Lohrer Altstadtlauf nur einen Tag später ging er an den Start. Und auch hier schaffte er mit 38 Minuten und 24 Sekunden und einem neunten Platz seine persönliche Vorgabe.
Aufgeben war keine Option
„Das Laufen ist für mich wie eine Sucht“, erklärt der aus Erbach im Odenwald stammende Wenzl. Das war keineswegs immer so. Erst im Frühjahr 2015 begann der technische Betriebswirt, der bei Bosch Rexroth in Lohr als Teamleiter beschäftigt ist, mit dem Laufen. War er bis zur Geburt von Tochter Mara vor sieben Jahren lediglich einmal die Woche Fahrrad gefahren, betätigte er sich aus Zeitgründen lange überhaupt nicht mehr sportlich.
Zunächst die kleine Tochter, dann die Weiterbildung zum technischen Fach- und Betriebswirt, schließlich der Hausbau in Urspringen. „Ich habe mir gedacht, ich brauche einen Ausgleich“, sagt Wenzl. Mit einem Körpergewicht von 110 Kilogramm startete er. „Anfangs bin ich auf den Feldwegen eine Runde gelaufen. Als ich den Berg hoch gerannt bin, war ich völlig außer Puste“, erinnert er sich an die Anfänge, als er mit Müh und Not zwei Kilometer schaffte.
Doch Aufgeben war keine Option. „Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, habe ich den Ehrgeiz und den Willen, dies auch durchzuziehen“, sagt er mit einem Grinsen. So lief er anfangs zwei Mal pro Woche zwei Kilometer, merkte aber schnell, dass es immer besser klappte und er dadurch auch rasch noch ein Stück Strecke dranhängen konnte.
Das erste Ziel des Urspringers war der Hindernislauf „Tough Mudder“ mit einer Distanz von 18 Kilometern im Herbst 2015 in Wassertrüdingen. Nachdem er diesen Wettbewerb gemeistert hatte, standen 2016 der Lohrer Altstadtlauf und der Warema-Lauf in Marktheidenfeld mit jeweils zehn Kilometern, sowie der Würzburger Firmenlauf mit sieben Kilometern auf dem Programm.
Beim Lauf in Lohr wurde die in Läuferkreisen bekannte Koryphäe Sebastiano Ilardi auf Wenzl aufmerksam und fragte ihn, ob er sich nicht der Lohrer Laufgruppe anschließen wolle.
Der Familienvater schnupperte rein und blieb dabei. Jeden Dienstag und Donnerstag trifft er sich seitdem bei jedem Wetter mit Gleichgesinnten vom TSV Rechtenbach und von Viktoria Wombach, um in der Umgebung von Lohr zwischen 13 und 20 Kilometer zu laufen. So trainiert er seither mindestens zweimal pro Woche, besucht Mittwochabend in seinem Heimatort den schweißtreibenden Männersport und absolviert einen langen Lauf mit etwa 30 Kilometern am Wochenende. Mittlerweile hat der 34-Jährige zahlreiche weitere Läufe in seiner Vita verzeichnet, darunter beispielsweise den „Braveheart Battle“ in der Rhön, den „Strongman Run“ am Nürburgring und den Halbmarathon in Frankfurt und Würzburg, den er in einer Stunde und 25 Minuten bewältigte. Beim jüngsten Residenzlauf war er bei der Zehn-Kilometer-Strecke sogar für den „Lauf der Asse“ qualifiziert.
32 Kilo hat Patrick Wenzl abgenommen, seitdem er mit dem Laufen begonnen hat. „Jedes Kilo weniger ist eine Erleichterung“, sagt er. Und wie sieht es mit der Ernährung aus? „Während der Woche und auch am Wochenende ernähre ich mich tagsüber ganz normal. Am Abend nehme ich jedoch keine Kohlenhydrate mehr zu mir“, so Wenzl, der sich abends gerne einen frischen Salat, beispielsweise mit Garnelen oder einem Steak, zubereitet. Steht ein Wettkampf an, beginnt er zwei Tage vorher, vermehrt Kohlenhydrate wie Nudeln zu sich zu nehmen. Und wie sieht es mit Süßigkeiten aus? „Die brauche ich. Genascht wird jeden Tag“, verrät der aktive Feuerwehrmann schmunzelnd.
Training wird sich verändern
Hat Patrick Wenzl sich in den vergangenen Wochen vor allem auf die Kurzstreckenläufe in Marktheidenfeld und Lohr vorbereitet, wird er sein Training in den nächsten Monaten verändern. „Mein Ziel ist der erste Marathon“, verkündet er voller Freude. Denn der Urspringer hat sich für den Berlin-Marathon beworben, bei dem am 24. September rund 50 000 Teilnehmer an den Start gehen. Da jedoch etwa die doppelte Anzahl an Bewerbern vorliegt, wird im Losverfahren entschieden.
„Ich hatte Glück“, freut sich Wenzl. So trainiert er eben in den nächsten Wochen nicht auf Schnelligkeit, sondern legt sein Augenmerk auf die Distanz. Für einen Lauf-Süchtigen wie Patrick Wenzl sicher kein Problem. Vielleicht eher für Tochter Mara, die ihn bisher beim Kurzstrecken-Training voller Begeisterung auf dem Fahrrad begleitet.