In Lengfurt fing alles an, denn dort hat Waltraud, genannt „Walli“, Pfenning aus Altfeld, ihre ersten Schritte auf dem Fußballplatz gemacht, als es noch „Damenfußball“ hieß und gerade mal ein paar Monate in Deutschland offiziell erlaubt war. Sie spielte fast zwei Jahre lang beim SV Frankonia Lengfurt im Frauenteam mit und ihr Einsatz, ihre Technik und ihre ganze Art, Fußball zu spielen, verrieten da schon, dass sie zu Höherem berufen sein würde.
Entdeckt wurde ihr Talent durch den damaligen Fußball-Spartenleiter des SV, den langjährigen Vereinsvorsitzenden Josef Roth, der gerade ein Frauen-Fußball-Team gegründet hatte. Er sah in Walli Pfennings Heimatort Altfeld bei einem Kundenbesuch aus dem Fenster auf einer Wiese Jugendliche Fußball spielen und war beeindruckt wie ein Mädchen, kaum ein Teenager, sich mit dem Ball am Fuß gegen die Jungs durchsetzte. „So eine wie dich könnten wir in unserer Mannschaft brauchen“, warb Roth darum, dass Walli Pfenning in seinem Verein Fußball spielen solle. Die antwortete prompt: „Ja!“
Allerdings hielt sich die Unterstützung seitens der Familie in Grenzen. „Anfangs wurde ich noch geholt und wieder nach Haus gefahren, aber zum Training bin ich oft von Altfeld den ganzen Weg durch den Wald über den Schleusensteg zum Lengfurter Waldsportplatz gelaufen und oft anschließend wieder zurück“, sagt sie. Und: „Ich habe in jeder freien Minute Fußball gespielt“, noch als Schülerin. Als nach gut zwei Jahren der SV sein Frauen-Team wieder auflöste, wechselte Walli Pfenning zum SV Viktoria Wertheim, wo sie bald schon in der ersten Mannschaft auflief. Nach weiteren zwei Spielzeiten ging sie im Jahr 1975 zum SV Schlierstadt (Neckar-Odenwald-Kreis). Nach einem ausgeklügelten Abholplan fuhr sie mit zwei anderen Fußballerinnen aus der Region mehrmals pro Woche zum Training oder zum Spiel. Da absolvierte sie in Marktheidenfeld schon eine Lehre zur Tankwartin. So mancher Weg wurde in dieser Zeit auch per Anhalter zurückgelegt.
Mit Führerschein wurde die Sache dann etwas leichter. Der Spielplan führte sie kreuz und quer durch Nordbaden (Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim), wo sie mehrfach Meisterschaften und Pokalsiege feierte. Und bald stand sie („Ich hab außer Torwart alles gespielt, meist aber linkes Mittelfeld.“) in ihrem Team mit „einem jungen Mädel“ aus Walldürn, die, wie Walli Pfenning sagt, auch heute noch so ist wie damals: „Sie sagt, was sie für richtig hält, unverblümt und kerzengerade.“ Und so spielte sie auch: Silvia Neid, genannt „Silv“, die jetzige Bundestrainerin. „Sie war so gut, dass sie schon als Jugendliche in die erste Mannschaft durfte.“
Jetzt wurden aber auch die Fahrstrecken länger, denn man brachte es regelmäßig bis in die Endrunde um die deutsche Meisterschaft: Bremen, Hamburg, Bad Neuenahr, Bergisch-Gladbach („Die waren damals führend.“), FC Bayern München. Und 1977 verlor man unglücklich im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft gegen die NSG Oberst Schiel Frankfurt. „In dieser Zeit haben wir alles selbst bezahlt, jede Fahrt, alles für die Ausrüstung. Eine Spendenquittung für die Steuer oder ein Mittagessen zu bekommen, war eine absolute Seltenheit.“
Mit Silvia Neid und der damals sehr bekannten Gerda Horn fuhr man zwei Wochen in die USA im Rahmen eines internationalen Sport-Austauschs. Weil die zwei Wochen Urlaub, die sie wollte, mit dem Urlaub ihres damaligen Chefs zusammenfielen und er sie nicht weglassen wollte, kündigte sie kurzerhand und wechselte zu einer Firma nach Kreuzwertheim, um das Handwerk der Zweirad-Mechanikerin zu erlernen. Dort konnte sie ihre zwei Wochen Urlaub problemlos antreten. Gegen die US-College-Mannschaften gab es dann auch Siege.
Auch das Erlebnis, vor 30 000 Zuschauern zu spielen, stellte sich ein, als 1978 der FC Cosmos New York (mit Franz Beckenbauer) im damaligen Neckarstadion gegen den VfB Stuttgart spielte, der den Klub aus der US-Metropole mit 6:1 bezwang. Das Vorspiel bestritt Pfennings SV Schlierstadt gegen den VfL Schorndorf, und bei der zweiten Halbzeit füllte sich so langsam das Stadion. „So viele Zuschauer, die auch beim Spiel richtig mitgingen, diese tolle Atmosphäre gibt's nicht erst seit der WM, das war irre“, meint sie lachend.
Im Jahr 1981 machte sich das Frauen-Team des SV Schlierstadt unter dem Namen FC Klinge Seckach (ein Kinderdorf, auf dessen Hartplatz man immer trainierte) selbstständig, und da fuhr man 1982 zum ersten offiziellen Frauenfußball-Länderspiel nach Koblenz. „Die ganze Truppe, ich saß am Steuer“, erninnert sich Walli Pfenning. Deutschland gegen die Schweiz. Es war auch der erste Länderspieleinsatz „der Silv“: „Sie wurde eingewechselt und schoss zwei Tore.“
Vier Jahre später wechselten Silvia Neid und Petra Bartelmann zur SSG Bergisch-Gladbach. Und in dieser Zeit spielte Walli Pfenning mit der heutigen Assistentin der Bundestrainerin zusammen: Ulrike Ballweg, die in den späten 80er Jahren für Klinge Seckach akiv war. Später war dann Walli Pfenning noch zwei Jahre lang Ulrike Ballwegs Co-Trainerin.
Bis 1990 spielte Walli Pfenning in Seckach, dann kam eine Achillessehnen-Verletzung, die fast das Ende der Laufbahn bedeutet hätte. Hier half Dr. Sommer, denn so hieß der Arzt in der Uni-Klinik Heidelberg, er leistete Hervorragendes, und Walli Pfenning machte noch zehn Jahre weiter: Als Spielertrainerin beim FC Wertheim-Eichel, der unter ihrer Ägide dreimal bis in die Oberliga Baden aufstieg. Vor zehn Jahren beendete sie dann ihre Karriere. Sie war dann die erste Frau, die (für den TSV Kreuzwertheim, dem Verein ihres jetzigen Wohnorts) die Schiedsrichter-Prüfung ablegte. In den 80er Jahren pfiff samstagnachmittags auch Jugendspiele bei den Jungs, sonntags stand sie ja noch selbst auf dem Platz.
Elfmeter? Platzverweise? „Ja, öfters. Mal wegen Foulspiels, mal wegen Meckerns. Ich habe immer mit hohem Einsatz und mit Leib und Seele gespielt, da bleibt es nicht aus, dass man mal etwas aggressiver wird“, erklärt Walli Pfenning heute. Mit den Jahren wurde das mit dem Wettern gegen alles und alle ein bisschen weniger, aber sie ist dem Fußball stark verbunden: „Dem Fußball verdanke ich alles. Und wenn ich nicht ein paar dumme Fehler gemacht hätte, vielleicht wäre ich karrieremäßig auch noch weiter gekommen.“
Worauf sollen junge Fußballerinnen setzen, Kondition oder Technik? „Freilich braucht man Kraft, es nützt nichts, wenn man technisch brillant ist und den Ball dann keine zehn Meter weit schießen kann. Ich sage es ganz klar und habe es auch beim Training immer so gehalten: immer mit Ball.“ Das habe sich geändert gegenüber früher, „die jungen Spielerinnen fangen jetzt früh genug mit Technik an, und auch die Zuschauer sind mit anderer Einstellung dabei. Blöde Macho-Sprüche gibt es auch viel weniger als früher.“ Nur auf die Männermannschaft von Viktoria Wertheim in den 70ern lässt sie nichts kommen, denn die Spieler waren dem Frauenfußball gegenüber aufgeschlossen: „Die haben uns immer unterstützt, da kamen auch keine dämlichen Sprüche.“
Walli Pfenning arbeitet heute im Qualitäts-Management in einer namhaften Firma, trifft sich mit früheren Spielerinnen aus Wertheim-Eichel oder Seckach regelmäßig, schaut die Länderspiele der deutschen Frauen-Nationalmannschaft und hält ihre Freundschaft mit Romy Stroehl (lebt jetzt in München) aufrecht, der ehemaligen Mittelstürmerin des FC Klinge und Fast-Nationalspielerin, für die „ich fast alle Kopfballtore vorbereitet habe, mit meinen Flanken. Ich war der Rackerer im Mittelfeld, die Tore sollten die anderen machen.“
Walli Pfenning: von Altfeld über Lengfurt und Wertheim bis zum Halbfinale der deutschen Meisterschaft, mit zwei Bundestrainerinnen zusammen Fußball gespielt – was für eine Geschichte.