„Stop, Kilian! Du musst schauen, wie die Bälle fliegen, ob sie flach kommen oder nicht. Dann musst du variieren, nicht immer langsam, nicht immer schnell.“ Kilian Ort, Mitglied der deutschen Schüler-Nationalmannschaft, hat die Ballwechsel mit seinem Trainingspartner und Mannschaftskameraden Christoph Schüller unterbrochen, schaut den Bundestrainer bei den Anweisungen aufmerksam an, nickt und setzt sie im weiteren Verlauf um. Klaus Schmittinger (60) aus Heusenstamm ist Jugend-Bundestrainer im Deutschen Tischtennisbund (DTTB) und war Gast bei einer der täglichen Übungseinheiten des 14-jährigen Gymnasiasten und Bayernligaspielers des TSV Bad Königshofen.
Kilian Ort hat erst vor einer Woche zusammen mit dem Frickenhausener Dang Qiu die Bronzemedaille für Deutschland im Mannschaftswettbewerb bei den internationalen Tischtennis-Schülermeisterschaften der Slowakei in Bratislava geholt. Längst überfällig, dass der Bundestrainer sich die Trainingsbedingungen seines Schützlings vor Ort einmal anschaute. Klaus Schmittinger ist seit 1979 Jugend-Bundestrainer und war seit den deutschen Jugendmeisterschaften 1980 in der Dr.-Karl-Grünewald-Halle nicht mehr in Bad Königshofen.
Frage: Sie waren einst der Nationalspieler mit dem blonden, langen Lockenhaar, oben schon damals etwas weniger. Welche Erfolge haben Sie selber in Ihrer aktiven Zeit erzielt?
Schmittinger: Ich habe elf Jahre lang bei Eintracht Frankfurt gespielt. Bei den Männern war ich drei Jahre hintereinander deutscher Meister im Doppel zusammen mit Jochen Leis und zwei Mal Einzel-Vizemeister, habe 1977 gegen Stellwag und 1978 gegen Hüging verloren und habe 40 Länderspiele bestritten.
Und Ihr Werdegang als Trainer?
Schmittinger: Am 1. Januar 1979 wurde ich Bundestrainer für den Nachwuchs. Von 1983 bis 1996 war ich Bundestrainer der Männer-Nationalmannschaft, danach wieder für den Nachwuchs, mal männliche Jugend, mal männliche Schüler wie zurzeit.
Worin besteht die Arbeit eines Tischtennis-Bundestrainers?
Schmittinger: Erst mal macht man zwölf bis 14 Trainingsmaßnahmen von je fünf Tagen im Jahr. Dazu kommt jedes Jahr ein dreiwöchiger Trainingsaufenthalt in China. Es kommt die Betreuung bei acht bis zehn Meisterschaften hinzu, die wir besuchen. Und natürlich als Saison-Höhepunkt die Jugend-Europameisterschaften im Juli oder August über jeweils zwei Wochen. Dann bleibt eigentlich nicht mehr viel übrig. Dazu kommen dann noch solche Trainingsbesuche wie hier in Bad Königshofen. Während ich hier nur beobachte und berate, leite ich sonst selber zusammen mit meiner Assistentin die Trainingseinheiten.
Seit wann kennen Sie Kilian Ort?
Schmittinger: Ich denke, so vier, fünf Jahre. Da war er aber noch im Mini-Kader, der vor dem normalen Schülerkader kommt. Seit letztem Jahr ist er Mitglied der Schüler-Nationalmannschaft.
Wie beurteilen Sie seine Entwicklung und seine Perspektiven?
Schmittinger: Eigentlich sehr gut, außer, dass er auf Dauer, und das habe ich auch schon versucht ihm zu erklären, einen Trainingsort finden muss, wo er noch optimalere Bedingungen hat als hier. Das Problem ist, er hat hier keine Trainingsgruppe mit den gleichen Motiven. Und er hat keinen Trainer, der sich vier oder fünf Mal in der Woche um ihn kümmert. Der Conny Borsos als bayerischer Verbandstrainer kommt ein Mal die Woche. Aber auf Dauer ist das für einen Hochleistungssportler zu wenig.
Wo wären solche Bedingungen?
Schmittinger: Das kann ein Sportinternat sein oder was die Bayern in Kolbermoor haben, zwar auch ein Internat, aber mehr auf Privatinitiative. Oder es kann ein Vereinswechsel irgendwohin sein, was ich aber in diesem Alter eher ausschließe. Die Spielklasse Bayernliga wie hier in Bad Königshofen wäre im Schüleralter ganz in Ordnung. Er müsste nur seine Trainingsbedingungen verbessern.
Wo liegen derzeit Kilians Stärken und wo muss er sich noch steigern?
Schmittinger: Stark ist er, wenn er Zeit hat, durch sein aggressives Spiel mit der Rückhand wie auch mit der Vorhand. Schwächer ist er noch im passiven Bereich und im Aufschlag-Rückschlag-Bereich.
Was sollte Kilian Ort auf jeden Fall tun und was auf keinen Fall?
Schmittinger: Wenn man weiter nach vorne guckt, wenn er mal Nationalspieler werden will, muss man ganz klar sagen, wird es ohne einen Wechsel nicht funktionieren. Wenn ich seine Bedingungen sehe und ihn mit anderen mit gleichem Talent vergleiche, ist er eindeutig benachteiligt. Wer wohnt denn hier am Ende der Welt? Wenn ich sage, wir machen eine Kooperation mit einem starken Verein und einer großen Firma, da geht doch hier nichts. Ich tue mich schwer mit ihm. Wir haben soeben ein Turnier in Bratislava gespielt. Wenn ich wüsste, er hat einen regelmäßigen Heimtrainer, gäbe ich dem mein Videomaterial und der kann mit ihm jeden Tag acht Wochen lang daran arbeiten. Und so sieht ihn sein Verbandstrainer Conny Borsos ein Mal die Woche. Ich hoffe, dass Kilian eines Tages sieht, welche Ressourcen er hat. Und wenn er sie ausnützen kann, hat er sehr gute Perspektiven. Ich würde ihm raten zweigleisig zu fahren, das heißt, in einem Internat Tischtennis und Schule möglichst optimal zu gestalten. Aber das muss er selber entscheiden. So leicht wie in einem Sportinternat wird er nirgendwo zum Abitur kommen. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert. Während man früher als Leistungssportler eher Nachteile hatte in der Schule, kann man heute in einem Sportinternat ja kaum durchfallen beim Abitur, so wird man unterstützt. Wer es da nicht schafft, schafft es nirgendwo.