Die kleine Fabienne Rich hat's schon vorher gewusst: "Der Papa gewinnt. Erst recht, wenn's so heiß ist." Sprachs und fuhr ein Eis lutschend auf ihrem Einrad davon. Die Rad-Beherrschung hat sie vom Vater Michael geerbt. Der ist Vizeweltmeister im Einzelzeitfahren und war auch bei den deutschen Titelkämpfen auf der A 71 zwischen Euerbach und Oerlenbach nicht zu schlagen (wir berichteten bereits im überregionalen Sport). Der Titelgewinn war bereits sein dritter in Folge.
Wasser und Schatten nichts war am Freitagnachmittag begehrter, als die Radcracks auf der neuen Autobahn ihre Meister ermittelten. Da kam es schon vor, dass ein Teilnehmer 100 Meter nach der Zieldurchfahrt dem überraschten Reporter die gerade angesetzte Wasserflasche vom Mund riss. Um nicht die aerodynamisch günstigste Position zu verlassen, wird auf der Strecke kaum zur Wasserflasche gegriffen. Die meist geschlossenen Zeitfahrhelme ohne Lüftungsschlitze tun ihr Übriges.
Während die Starter in nördlicher Richtung von der Startrampe rollten, hatten die Teamfahrzeuge die Autobahn Richtung Süden in Beschlag genommen. An den halbfertigen Mittelleitplanken der A 71 lehnten Carbon-Scheibenräder und anderes High-Tech-Material. Unter Sonnensegeln, Schirmen oder einfach nur unter einem nassen Handtuch rollten sich die insgesamt 220 Sportler auf ihren stationären Rädern ein.
Die größten Trauben der Radsport-Fans bildeten sich natürlich um die Profi-Rennställe wie Gerolsteiner (mit den beiden Schnellsten Michael Rich und Sebastian Lang) und dem dänischen CSC-Team um Publikumsliebling Jens Voigt. Gewohnt locker beantwortete der die Fragen der Fans, die staunend mit ansahen, wie eine Betreuerin Voigt eine halbe Stunde vor dem Start mit Akkupunkturnadeln traktierte. "Wartet's nur ab", flachste Voigt, "wenn ich heute damit gewinne, sitzen nächstes Jahr alle so da."
Auch für die Zuschauer wurde die A 71 zum Parkplatz umfunktioniert. Während sich bei den schon am frühen Nachmittag gestarteten Frauen und U23-Fahrern noch recht wenige Radsport-Interessierte eingefunden hatten, wurden es bis zum Männer-Rennen immer mehr. Ein Sprecher der Veranstaltung schätzt, dass insgesamt etwa 3000 Menschen am Start/Ziel-Gelände sowie an der Strecke zwischen Euerbach und Oerlenbach standen.
Neben den Gerolsteiner-Fahrern und Voigt war mit Daniel Becke ein weiterer Profi dabei, der nächste Woche die Tour de France in Angriff nehmen wird. Der Mann vom spanischen Team Illes Baleares und Olympiasieger mit dem Bahn-Vierer landete auf Rang vier. Gespannt war man auch auf den Nachwuchsfahrer Markus Fothen, der beim Giro dItalia mit Gesamtrang zwölf überrascht hatte. Auf der A 71 wurde er Siebter.
Fothen war einer von insgesamt vier starken Gerolsteiner-Fahrern. "Das Zeitfahren ist auch bei Rundfahrten enorm wichtig, wir versuchen es deshalb zu kultivieren", sagte Theo Mauch, einer der sportlichen Leiter des Teams. "Es ist eben ein Fehler der anderen, das zu vernachlässigen. Ein Seitenhieb auch auf das T-Mobile-Team, das mit Markus Burghardt nur einen Fahrer nach Schweinfurt geschickt hatte.
Bei den U 23-Fahrern rollte mit dem Schweinfurter Constantin Weiler der einzige Lokalmatador von der Startrampe. Die 30 Kilometer schaffte er in 45:22 Minuten und lag damit siebeneinhalb Minuten hinter dem deutschen Meister Paul Martens (Bianchi).






Die Radsport-Fans aus der Region hatten ihren Spaß am Zeitfahr-Spektakel. "So nah kommt man den Stars sonst nicht", freute sich ein Zuschauer bei seiner Wanderung entlang der Teamfahrzeuge. Ein Euerbacher, der unter einem riesigen Schirm Schutz vor der Sonne suchte, forderte: "Man sollte viel öfter versuchen, solche hochkarätigen Veranstaltungen in die Region zu holen."