„Ich freue mich, dass die Terrasse fast zusammenbricht“, sagte Siegfried Kaidel launig. Der Vereinsvorsitzende des RC Franken und Präsident des Deutschen Ruderverbandes fühlte sich angesichts von 70 Vereinsmitgliedern auf kleinstem Raum angenehm beengt.
Die Ehrung der erfolgreichen RCF-Junioren geriet zu einer kurzen und knackigen Veranstaltung, erfreulicherweise weit entfernt von Selbstbeweihräucherung. So sprach Kaidel von ständigen vereinsinternen Herausforderungen („Es ist immer schwer, die Balance zu halten zwischen Spitzensport und Breitensport“). Fünf Mal Silber und einmal Bronze bei den deutschen Junioren-Meisterschaften für Georg Tully, Andreas Rumpel und Jan Roßberg könnten sich aber sehen lassen.
Dennoch: Es waren nicht selten undankbare Plätze, deren Nennung gerade bei den Sportlern mit einem süß-säuerlichen Lächeln aufgenommen wurden. Undankbar deswegen, weil damit die erhoffte WM-Qualifikation verfehlt wurde. „Beide Tullys saßen zur falschen Zeit im falschen Boot“, suchte Trainer Thomas Böhme („Wir hätten egoistischer sein können“) die Schuld für das nicht optimale Abschneiden in den Bootskollegen anderer Vereine. Der ein oder andere Start im Einer werde daher nächstes Jahr ernsthaft erwogen.
Im Einer anzutreten, hat natürlich den Vorteil, dass man selbst fürs Abschneiden vollverantwortlich ist. Aber Georg Tully, für zwei zweite DM-Plätze geehrt, sieht für sich als Ruderer der „schweren Klasse“ (keine Gewichtsbeschränkung nach oben) enorme physische Nachteile. „Die guten Einer-Ruderer sind zwei Meter groß und wiegen hundert Kilo“, beschreibt er die Kraftpakete.
Apropos Kraft: Die wird im Winter gebolzt und im Frühjahr von einem Verbandstrainer abgenommen. Sie ist das Erstkriterium für die Zusammenstellung der Mehrsitzer-Boote in den Verbänden. Zeitintensives Training ist aber das ganze Jahr angesagt.
Mindestens vier Stunden Training
Für den zwölfjährigen Björn Roßmann, zweifacher Vizemeister über 1000 und 3000 Meter, sind es „nur“ vier Stunden am Tag. Bei den 17-jährigen Andreas Rumpel und Georg Tully eher das Doppelte. „Ich komme von der Schule, esse was. Dann geht's zum Ruderclub, und um 19 Uhr bin ich daheim“, beschreibt Tully den typischen Tagesablauf und betont die Wichtigkeit des Zeitmanagements. Gelernt wird abends beziehungsweise nachts. Und die Wochenenden stehen auch im Zeichen des Ruderns.
Andreas Rumpel in der Leichtgewichtsklasse (bis 65 kg) sieht seine Wettkampfkategorie nicht so im Rampenlicht wie die der schweren Jungs, berichtet dafür über Bootskollegen aus Renngemeinschaften, die sich mehrtägigem „Abkochen“ hingeben, wie man es vom Boxsport her kennt, um das Gewichtslimit zu erreichen. Er selbst hat keine Gewichtsprobleme, kommt ohne Diät klar.
Wie sieht die Zukunft aus? „Bei der Tour de France wäre heute ein Ruhetag, und ab morgen geht's in die Berge“, beschreibt Böhme die Herausforderungen in den höheren Altersklassen. Und mit dem Eintritt in die Männerklasse bei gleichzeitigem Studium, wie es Karl Tully beabsichtigt, wird's natürlich noch schwieriger. Die englischen Ruderer, Gastgeber der Olympischen Spiele 2012, werden von einem Sponsor massiv unterstützt – für den ehrenamtlich tätigen DRV-Präsidenten ein Fingerzeig. Dass die Gelder ausgerechnet von einem deutschen Weltkonzern kommen, ist ein anderes Thema.