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Talent allein genügt nicht

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Talent allein genügt nicht

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    Heiko Herrlich: "Ein bisschen
Steffen-Freund-Mentalität darf nicht
fehlen."
    Heiko Herrlich: "Ein bisschen Steffen-Freund-Mentalität darf nicht fehlen." Foto: FOTO YVONNE VOGELTANZ

    Heiko Herrlich errang in seiner Karriere als Fußballprofi viele Siege, seinen größten allerdings außerhalb des Spielfeldes: Im Herbst 2000 wurde bei ihm ein bösartiger Gehirntumor festgestellt, der erfolgreich per Strahlentherapie bekämpft werden konnte. Nach seiner Krebserkrankung kam er nie wieder richtig in Form und beendete 2004 seine Profi-Laufbahn. Danach wechselte er in den Jugendstab von Borussia Dortmund. Seit 2005 ist er Trainer der A-Junioren, mit denen er beim internationalen Sinngrund-Turnier in Burgsinn (Lkr. Main-Spessart) Dritter wurde.

    FRAGE: Wie geht's gesundheitlich?

    HEIKO HERRLICH: Danke, alles bestens. Ich habe ja mit dem Fußballspielen nicht wegen der Krebsgeschichte aufgehört, sondern hauptsächlich wegen eines schlimmen Ellenbogen-Checks ins Gesicht im Frühjahr 2000. Die Platten sind übrigens heute noch nicht entfernt.

    Und jetzt sind Sie als Fußballtrainer bei Borussia Dortmund maßgeblich für den Bundesliga-Nachwuchs verantwortlich.

    HERRLICH: Ja, seit einem Jahr trainiere ich die A-Junioren von Borussia. Wir haben die letzte Saison als Fünfter in der Bundesliga West abgeschlossen, das war okay. Man muss ja bedenken, dass mit Sahin, Kruska, Tyrala und Saka vier Spieler abgegeben wurden an die Profimannschaft, obwohl sie ja noch bei der U19 mitspielen hätten dürfen.

    Und wie ist die Perspektive für die neue Saison?

    HERRLICH: Ich habe in meinem Kader nur sieben Spieler des End-Jahrgangs, alle anderen gehören noch dem jüngeren Jahrgang an. Leider ist Marco Rummenigge verletzt. Er hat sich 2005 das Kreuzband gerissen, hat dann dieses Jahr gespielt, musste nun aber nach dem Saisonende an der Schulter operiert werden.

    Die golden Zeiten, in denen Borussia Dortmund von 1994 bis 1998 fünfmal in Folge deutscher A-Juniorenmeister geworden ist, scheinen vorbei.

    HERRLICH: Okay, aber schauen Sie mal, wer damals den Sprung zu den Profis geschafft hat. Lars Ricken, Ibrahim Tanko - viel mehr nicht. Und das lag nicht daran, dass der Verein damals den jungen Leuten keine Chancen geboten hätte. Viele hatten damals einfach nicht die Klasse und das Durchsetzungsvermögen.

    Wie wollen Sie die Jungs an den Profikader heranführen, welche Fußball-Philosophie verfolgen Sie?

    HERRLICH: Da bin ich von klein auf geprägt. Ich war schon immer ein Anhänger der holländischen Art, Fußball zu spielen. Da ist es gut, dass Borussia Dortmund mit Bert van Marwijk einen holländischen Cheftrainer hat. Drei Stürmer, drei Mittelfeldspieler und ein System, in dem die Außenverteidiger Druck nach vorne erzeugen, das bevorzuge ich. Ich mag auch, wie die Italiener spielen, wie sie die Räume eng machen und diszipliniert in der Abwehr stehen. Aber ganz ehrlich: In mir steckt auch der deutsche Panzer. Ich sage meinen Spielern immer: Jungs, ein bisschen Steffen-Freund-Mentalität darf nicht fehlen.

    Wie ist um den deutschen Fußballnachwuchs bestellt?

    HERRLICH: Wir haben hoffnungsvolle Talente in Deutschland. Die U17 hat es ja bis ins Halbfinale der EM geschafft und ist nur unglückliche gescheitert. Schauen Sie mal zum TSV 1860 München, dem deutschen B-Juniorenmeister. Dort finden Sie unglaublich viele gute Spieler, wie die Bender-Zwillinge, Gebhardt, Jungwirth oder Wittek. Ich wünsche Stefan Reuter, dass daraus mal was wird. Aber die Gefahr ist natürlich auch groß, dass das Talent vergeudet wird. Es ist ein großer Unterschied, ob ich vor 100 Zuschauern am Sonntagvormittag ein Junioren-Bundesligaspiel bestreite oder in ein Stadion einlaufe, wo 40 000 Leute sind. Viele werden mit dem Druck nicht fertig. Plötzlich stehen sie im Fokus der Medien und können nicht damit umgehen. Talent ist das eine, aber die Spieler müssen auch den Kopf dafür haben. Und sie müssen bereit sein, mehr zu tun als andere. Sie müssen auch bereit sein, samstags mal zu Hause zu bleiben, wenn die Freunde ausgehen.

    Obwohl die Versuchung bei dem ein oder anderen sicher groß ist, auch an einem Wochenende wie in Burgsinn mal auszubüchsen?

    HERRLICH: Das wäre bitter für den Betroffenen. Der müsste am nächsten Morgen mit mir zum Waldlauf, den er bestimmt lange in Erinnerung behalten würde. Sehen Sie, die Spieler haben alle große Ziele. Sie machen quasi eine Ausbildung zum Fußballprofi, da geht es auch auf dem Platz nicht mehr nur mit Spaß. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir uns bei so einem Turnier wie hier nicht nur gut präsentieren, sondern auch erfolgreich sind. Die Jungs müssen lernen, hungrig zu sein auf Siege. Das Gewinnen wollen muss zur Gier werden.

    Zur Person

    Heiko Herrlich spielte von 1989 bis 2004 insgesamt 258 Bundesliga- spiele für Bayer Leverkusen, Borus- sia Mönchengladbach und Borussia Dortmund und schoss 76 Tore. Mit Borussia Dortmund wurde er 1996 und 2002 Deutscher Meister und gewann 1997 die Champions League und den Weltpokal. Mit Borussia Mönchengladbach holte er 1995 den DFB-Pokal, den er 1993 auch mit Bayer Leverkusen gewann. 1995 trug er fünfmal das Trikot der Nationalmannschaft und erzielte einen Treffer. Im gleichen Jahr wurde er zusammen mit Mario Basler Torschützenkönig in der Bundesliga.

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