Der Wurf passt. Mit einem zischenden Geräusch flutscht der Basketball durch das Netz des Korbes in der Kürnacher Höllberghalle. Viel Gelegenheit sich zu freuen, hat Schütze Andreas Bieber nicht. An seinem Rollstuhl gibt es ein technisches Problem. Der Speichenschutz hat sich gelöst und ist davon gerollt. Bieber muss sich auswechseln lassen. Er schreitet selbst zur Reparatur.
Im Prinzip unterscheidet sich Rollstuhlbasketball kaum vom Basketball für Fußgänger. Die Spielzeit beträgt viermal zehn Minuten, die Größe des Feldes ist identisch, die Höhe des Korbes auch - 3,05 Meter hoch hängt der über dem Boden. Und wer vergisst zu dribbeln, wird zurückgepfiffen. Entsprechend zum Schrittfehler wird vom Schubfehler gesprochen. Erfunden wurde der Sport etwa um 1946 in den USA von Kriegs-Veteranen, die trotz ihrer Verletzungen weiter werfen und treffen wollten.
Der Trainer ist die gute Seele
In Würzburg ist Rollstuhlbasketball eng mit dem Namen Gerd Herold verbunden. Den Spielertrainer nennen sie bei der RSG auch "unsere gute Seele". Seit einem Motorradunfall vor elf Jahren ist Herold querschnittgelähmt, in der Reha in Bayreuth ist der einst passionierte Fußballer aufs Rollstuhlbasketball aufmerksam geworden. "Entweder du bist sofort infiziert oder schnell abgeneigt", sagt der 39-Jährige. In seinem Fall galt ersteres. "Durch Basketball habe ich den Umgang mit dem Rollstuhl erst richtig gelernt."
Mit der RSG Würzburg, die zum Verein der Rollstuhlfahrer und ihrer Freunde gehört, ist Herold vergangene Saison in die Oberliga aufgestiegen, die vierthöchste Klasse im Land. Von acht Spielen wurden bislang fünf gewonnen, diesmal gab es deutliche Siege gegen Heilbronn und Göppingen.
Die zwölf Teammitglieder sind zwischen 15 und 63 Jahre alt. Der Jüngste, Christian Andree, ist vor wenigen Wochen hinzugekommen. Andree, gleichzeitig deutscher Männer-Meister im Rollstuhl-Fechten, hat einen Mannschaftssport gesucht. Gemeinsam Sport zu machen - das hat, so bestätigen viele, auch einen therapeutischen Charakter. "Ich wurde hier mit offenen Armen empfangen", sagt der 15-Jährige.
Trotzdem bedauert es Herold, dass junge Rollstuhlfahrer noch zu selten den Weg in den Sport finden. Er vermutet, dass dies auch mit den enormen Kosten zusammenhängt. Der Rollstuhl, der bis aufs kleinste Detail auf den Besitzer zugeschnitten ist, kostet rund 4000 Euro. Auch der Verein hat Sorgen, verursacht durch geringere Zuschüsse in Folge der Gesundheitsreform. Kurzfristig wurde sogar die Abmeldung der Mannschaft aus dem Spielbetrieb in Erwägung gezogen. Jetzt sind wir wieder auf dem aufsteigenden Ast", sagt Herold. Sponsoren werden dennoch händeringend gesucht.
Im Team treffen unter anderem Querschnittgelähmte, Beinamputierte und Nicht-Behinderte aufeinander. Einer aus der letztgenannten Gruppe ist Frederic Kluge. "Beim Fußgänger-Basketball hat er sich immer die Knöchel verstaucht. Jetzt ist nur die Hand gelegentlich mal offen", sagt seine Ehefrau Claudia und feuert ihren Mann von der Seitenlinie aus an. Doch das, wird sie sofort belehrt, regelt mit der Zeit die Natur: in Form von mehr Hornhaut.
Fünf Spieler und 14 Punkte
Um Ungleichmäßigkeiten zu vermeiden, ist bei den Rollstuhlbasketballern üblicherweise nur ein Nicht-Behinderter pro Mannschaft auf dem Feld. Geregelt wird dies in einer Klassifizierung, in der die Spieler je nach Beeinträchtigung Punkte erhalten. Ein Nicht-Behinderter hat 4,5 Punkte, ein Querschnittgelähmter einen Punkt. Zusammen dürfen die fünf Spieler maximal 14 Punkte erreichen. "Auf dem Feld", betont Andreas Bieber jedoch, "sind wir alle gleich. Es gibt keine Unterschiede, und so soll es auch sein."
Mit seinem nicht-behinderten Mitspieler Christian Meyer liefert sich Bieber in dieser Saison ein heiß umkämpftes Duell um die Top-Scorer-Krone der Oberliga Süd. Mit durchschnittlich 22 Punkten pro Spiel hat Bieber die Nase zurzeit knapp vorn. Doch der träumt lieber von höheren Zielen: "Ich will in der ersten Bundesliga spielen", sagt er, "am liebsten mit Würzburg."