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WÜRZBURG: David Odonkor: Die Eintagsfliege

WÜRZBURG

David Odonkor: Die Eintagsfliege

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    Die Flanke, die David Odonkor (links) berühmt machte: Der Nationalspieler setzte sich 2006 in der Nachspielzeit gegen die Polen Jacek Bak (Mitte) und Dariusz Dudka durch, der Ball erreichte in der Mitte Oliver Neuville, der den 1:0-Siegtreffer erzielte.
    Die Flanke, die David Odonkor (links) berühmt machte: Der Nationalspieler setzte sich 2006 in der Nachspielzeit gegen die Polen Jacek Bak (Mitte) und Dariusz Dudka durch, der Ball erreichte in der Mitte Oliver Neuville, der den 1:0-Siegtreffer erzielte. Foto: Foto: Imago

    David Odonkor hat etwas Einmaliges geschaffen. Er ist einer von den deutschen Fußballern, die einen historischen Sportmoment kreiert haben. Seine Szene während des Sommermärchens 2006 reiht sich mühelos hinter solche Gänsehaut-Attraktionen ein wie: „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt. Tooooor! Tooooor! Tooooor!“ Oder – für die jüngere Generation: „Mach ihn, mach ihn rein – Mario Götze!“

    Fast jeder Fußballbegeisterte weiß noch genau, wo er wie den späten Abend des 14. Juni 2006 verbracht hat. Zur Auffrischung: Die deutsche Nationalmannschaft bestreitet nach dem 4:2-Turnierauftakt über Costa Rica ihr zweites WM-Spiel. Im Dortmunder Westfalenstadion gegen Polen müht sich die DFB-Auswahl nach Kräften, doch ein Treffer will einfach nicht gelingen.

    Der Kasten des überragend haltenden polnischen Schlussmannes Artur Boruc ist für die permanent anrennenden Gastgeber vernagelt. Als in der 90. Minute nacheinander Miroslav Klose und Michael Ballack nur die Latte treffen, scheint das torlose Remis unausweichlich. Unausweichlich? Blödsinn! Zwei deutsche Einwechselspieler sorgen in der ersten Minute der Nachspielzeit für einen kollektiven Rausch.

    David Odonkor entwischt auf der rechten Außenbahn seinem Gegenspieler, er passt den Ball scharf in die Mitte. Dort rutscht Oliver Neuville in die Flanke und trifft zum 1:0. „Wenn ich daran denke, habe ich heute immer noch Gänsehaut“, berichtet David Odonkor. Die Fans im ausverkauften Stadion produzierten einen derart eruptiven Jubel, den Augenzeugen als „Lautstärke-Tsunami“ beschrieben.

    Ein Flankenlauf, eine Hereingabe und ein Tor haben aus der Weltmeisterschaft ein Sommermärchen werden lassen. Mit dem 1:0-Siegtor und der Vorlage schwappte Euphorie durchs Land. Fußball-Deutschland mauserte sich zu einem ernstzunehmenden Mitbewerber auf den Titel. Die Nation tankte Selbstvertrauen und lebte ihren Slogan: „Zu Gast bei Freunden“. Odonkors Flankenlauf und Neuvilles Treffer waren die Initialzündung zu vier tollen Wochen.

    Für One-Hit-Wonder Odonkor war es der Moment seiner sportlichen Karriere. Den gebürtigen Bünder hatte vor der WM-Nominierung außer Bundestrainer Jürgen Klinsmann niemand auf der Rechnung. Auch nach der Ernennung zum Nationalspieler war Odonkor eher eine geheime Geheimwaffe. In den drei Testspielen vor der WM kam er zweimal gar nicht zum Einsatz und einmal 27 Minuten. Das WM-Eröffnungsspiel gegen Costa Rica verbrachte er 90 Minuten auf der Auswechselbank, ehe er für 60 Sekunden den Leverkusener Bernd Schneider ersetzte.

    Auch in Dortmund gegen Polen blieb Odonkor zunächst 68 Minuten lang Ersatz, ehe ihn die Teamleitung einwechselte. Da er im weiteren Turnierverlauf dreimal gar nicht berücksichtigt wurde und zweimal lediglich für ein paar Minuten Restspielzeit (plus Verlängerung), ist der Sturmlauf des David Odonkor in Dortmund die Referenz seiner Laufbahn. Davon profitierte er nach der WM, als er von Borussia Dortmund für eine Ablöse von 6,5 Millionen Euro zu Betis Sevilla wechselte. Dort war die Eintagsfliege Odonkor mit 1,4 Millionen Euro Jahresgehalt netto einer der Topverdiener.

    Anschließend konnte der heute 32-Jährige das Topniveau allerdings nicht halten. Verletzungen zwangen ihn immer wieder zu Pausen. Das führte ihn in die Zweitklassigkeit bei Alemannia Aachen oder ins Ausland – zuletzt zum ukrainischen Verein FC Hoverla Uschhorod, wo er seine Fußballschuhe an den Nagel hängte.

    Skurrile Auftritte als Trainer

    Auch abseits des grünen Rasens setzte sich der Abwärtstrend fort. Seine Ambitionen, einmal ins Trainergeschäft einzusteigen, scheiterten spektakulär. Odonkor, den sportlich seine Geschwindigkeit auszeichnete, verdribbelte sich als Führungskraft gleich bei seinem ersten Engagement beim Bielefelder Westfalenligisten TuS Dornberg.

    Der abstiegsbedrohte Klub verpflichtete den ehemaligen Nationalspieler, weil „wir uns von ihm als Prominenten und bundesweit bekanntem Fernsehgesicht einen Motivationsschub erhofft hatten“, sagte im Frühjahr 2015 Manager Hans-Werner Freese. Gerade einmal zwei Monate später war die Zusammenarbeit wieder beendet, und Freese sprach von „einem großen Fehler“.

    Odonkor war mit der sicherlich nicht einfachen Gemengelage am Dornberger Mühlenbrink heillos überfordert. Bei Telefonaten über soeben erlebte Auswärtsspiele blieb er seltsam einsilbig. Ehemalige Spieler berichteten von skurrilen Besprechungen und ausgefallenen Pausenansprachen. Die Halbzeit verbrachte Odonkor bisweilen vor der Kabinentür und von den Spielern getrennt, weil er seinen Schützlingen scheinbar nichts zu sagen hatte.

    Ansprache und Kommunikation waren auch zu Beginn seiner Zeit als sportlicher Leiter beim Oberligisten Hammer SpVg 03/04 gewöhnungsbedürftig. Seine Vorstellung bei der Spielvereinigung verkam zu einer Lachnummer. „Rhetorisch ist der ehemalige Nationalspieler einem Mediengespräch offenbar kaum gewachsen“, schrieb ein Kollege vom Reviersport. Der Klub installiert sogar einen Pressesprecher, der die Telefonate von Odonkor entgegennehmen muss, weil dieser nicht mit jedem direkt kommunizieren möchte. Auch das dürfte einmalig in Fußball-Deutschland sein.

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