Wirklich gute Freundschaften sind langlebig – und halten trotz räumlicher Distanz. Ein gutes Beispiel für eine solche Freundschaft ist die zwischen Georg Freundorfer und Karl Mildenberger. Hier der frühere Amateurboxer aus Würzburg, Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre Bester seines Fachs in Unterfranken, deutscher Militärmeister und seit den Neunzigern lizenzierter Box-Trainer, der mit dem BC Esslingen den Aufstieg in die erste Bundesliga schaffte. Dort der bekannteste deutsche Profi-Boxer der sechziger Jahre, der sechsmal erfolgreich seinen Europameistertitel im Schwergewicht verteidigte, von seinen 62 Kämpfen 53 gewann und nur sechs verlor – und mit seinem großen Kampf am 10. September 1966 gegen Weltmeister Muhammad Ali vor 45 000 Zuschauern im Frankfurter Waldstadion sogar Weltruhm erlangte.
Über das Boxen – Freundorfers Trainer Theo Schlachter war ein Freund Mildenbergers – kamen sie einst zusammen. Dann hörten sie 15 Jahre lang so gut wie nichts voneinander, ehe sich Freundorfer nach der Gründung der Heidingsfelder Boxabteilung Anfang der neunziger Jahre wieder an den „wunderbaren Karl“ erinnerte und ihn bat, doch zu einer Autogrammstunde nach Würzburg zu kommen. Mildenberger sagte sofort zu und fuhr von Kaiserslautern nach Würzburg – der Beginn einer guten Freundschaft.
Seitdem sehen sie sich – zusammen mit ihren Ehefrauen – regelmäßig. Meist zwar nur zwei- bis dreimal pro Jahr, aber die Treffen sind immer gezeichnet von großer Herzlichkeit. Zu sehen und spüren war das zuletzt am Sonntagabend in der „Altdeutschen Weinstube“ in Heidingsfeld. „Das ist der Karl, ein Weltstar als Boxer und ein Weltstar als Mensch“ – mit diesen Worten beschreibt der 64-jährige Freundorfer den Kumpel. Dem 72-jährigen Pfälzer ist das sichtlich zu viel der Ehre. Er mag es eher zurückhaltend und bescheiden, wie schon bei seiner Box-Karriere. Die großen Worte überlässt er anderen, er lässt lieber Fäuste sprechen.
Übrigens auch am Sonntag. Beim Fototermin „attackiert“ er jeden, der ihm vor die im silbernen Handschuh steckende Faust kommt, gibt zahlreiche Kostproben seines boxerischen Repertoires. Natürlich alles nur gespielt, denn so richtig putzmunter ist Mildenberger nicht mehr. Äußerlich macht er zwar einen topfitten Eindruck – mit vollem, weißen Haupthaar und 90 auf 1,87 Meter Körpergröße bestens verteilten Kilogramm. Aber die Kniegelenke, die machen ihm zu schaffen. Eines ist bereits künstlich und will nicht so recht funktionieren. Deshalb läuft Mildenberger sichtlich unrund.
Von sportlicher Betätigung abhalten kann ihn das aber nicht. Jeden Morgen, wenn seine 15 Jahre jüngere Frau Miriam sich auf den Weg zur Arbeit macht, verlässt auch Karl Mildenberger sein Haus. Dann läuft das Ehrenmitglied des Fußball-Bundesliga-Aufsteigers 1. FC Kaiserslautern („Die Roten Teufel bleiben drin in der Bundesliga, da gibt es garantiert keine Schwierigkeiten“) raus aus der Stadt, hoch zur Burg Hohenecken. Nach zwölf Kilometern ist er wieder daheim, trotz künstlichen Kniegelenks. Ein Kämpfer bleibt ein Kämpfer – ob im Ring oder im Alter.
Wenig anfangen kann der 72-Jährige mit dem heutigen Boxen. „Früher wurde mehr geleistet“, sagt er und weist darauf hin, dass er oft über 15 Runden a drei Minuten gehen musste. Heute sind zwölf Runden das Maximum. Und dann dieses Brimborium, das um die Kämpfe gemacht werde. „Als Sportsmann lehne ich das ab.“ Regelrecht amüsieren müsse er sich allerdings, wenn ein Boxer von Bodyguards begleitet in den Ring steige. Einfach nur zum Lachen.
Genauso empfindet übrigens auch Walter Knieps. Den früheren Boxer und Trainer aus Köln – im Stall Sauerland hatte er unter anderem Größen wie Henry Maske, Sven Ottke oder Arthur Abraham unter seinen Fittichen – hatte Freundorfer ebenfalls eingeladen, Knieps wollte unbedingt Karl Mildenberger näher kennenlernen. Das hat geklappt, und jetzt will Knieps, Präsident des Boxverbandes Rheinland und zusammen mit seinen zwei Söhnen Geschäftsführer des größten Boxartikel-Herstellers in Deutschland, nostalgische Karl-Mildenberger-Handschuhe vertreiben. „Boxer sind irgendwie alle befreundet. Erst hauen sie sich zwar gegenseitig auf den Kopf, aber danach liegen sie sich wieder in den Armen“, sagt Knieps. Wahrscheinlich hat er Recht.
Karl Mildenberger
Der heute 72-Jährige – am 23. November feiert er 73. Geburtstag – gewann 1964 in Berlin im zweiten Anlauf und seinem 45. Kampf den EM-Titel – durch K.o. in der ersten Runde. Bei seinem ersten EM-Titelkampf war er selbst in Runde eins auf die Bretter gegangen, weshalb er einige Zeit als „Karl der Flache“ bespöttelt wurde. Danach verteidigte er noch sechsmal seinen EM-Titel erfolgreich. Seinen wohl bedeutendsten Kampf lieferte er am 10. September 1966 im Frankfurter Waldstadion ab, als er vor 45 000 Zuschauern Weltmeister Muhammad Ali schwer zu schaffen machte. Vor allem in Runde sechs und sieben setzte er Ali mit seiner gefürchteten Linken mächtig unter Druck. In Runde zwölf nahm ihn der Ringrichter nach einer schweren Platzwunde über dem linken Auge aber aus dem Kampf.