Fünf Stunden hat er noch vor sich. Dann ist Feierabend. Wochenende. Schon um kurz nach sieben lächelt die Frühlingssonne. Es war ein Freitag, wie ihn Udo Ixmeier all die zehn Jahre zuvor schon erlebt hatte. Bis zur Frühstückspause ist alles wie immer. Dann aber ist nichts mehr so, wie in den zehn Jahren zuvor. "Hundertmal", sagt Ixmaier, "ist es gut, an diesem Tag aber ist es schief gegangen." Die Routine weicht in Sekundenbruchteilen, Ixmaier blickt in Gesichter, die vor Angst und Hilflosigkeit schreien. Er schreit vor Schmerz, Ixmaier ist gefangen. Zwischen Gabelstapler und Betonwand. Der Druck will nicht weichen, die Schmerzen sind unerträglich.
Auch vier Operationen in der Würzburger Universitätsklinik können seinen linken Fuß nicht retten. "Knochen waren zertrümmert, die Blutversorgung gekappt, die Nerven durchtrennt. Die Ärzte haben mir gesagt, dass wenig Hoffnung besteht", erzählt Ixmeier von den Tagen der Ungewissheit, "in denen ich niemanden sehen wollte und keinen Hunger mehr hatte. Als die Amputation dann unausweichlich war und ich meinen Fuß verloren hatte, dann ging es mir wieder viel besser. Die Ungewissheit war weg. Ich musste mich jetzt mit Tatsachen beschäftigen. Die Hoffnung hatte mich einfach zermürbt."
"Ich habe mir unmögliche Ziele gesteckt und trotzdem gewonnen"
Udo Ixmaier
Die Realität machte dem Fußballer, der seinerzeit bei den Freien Turner spielte und sich davor beim SC Lindleinsmühle, dem TSV Gerbrunn, dem SV 09 oder dem ETSV Würzburg einen Namen gemacht hatte, weit weniger Probleme als befürchtet: "Der Blick ging stets nach vorne. Meine Freundin hat mir sehr geholfen, war wie meine Familie jeden Tag bei mir am Krankenbett. Der Blick ging schnell vorwärts."
Neuneinhalb Wochen nach dem Schicksalsschlag kann Ixmeier wieder laufen. Ohne Krücken, mit Prothese. "Ich habe gekämpft, mir Ziele im Bereich des Unmöglichen gesteckt und trotzdem gewonnen", sagt Ixmeier, der in seiner Leidensphase manch bittere Erfahrung machen musste: "Von einigen Menschen bin ich sehr enttäuscht."
Das kann er vom SC Lindleinsmühle freilich nicht behaupten, der Kreisklassist engagierte Ixmaier vor Beginn dieser Spielzeit als Co-Trainer an der Seite von Jochen Reinhart: "Es musste auch im Fußball weitergehen. Ich wollte schon immer mal Trainer werden, fühlte mich aber nicht reif genug. Der Unfall hat mich aber verändert, mich geprägt und gestärkt."
Heute steht Ixmaier wieder auf dem Trainingsplatz, obwohl er noch vor ein paar Monaten arge Probleme hatte, Treppen zu steigen: "Ich habe gekämpft und gewonnen. Ich wollte wieder ein normales Leben führen." Ein Leben mit dem Fußball, eingeschränkt zwar, aber immerhin: "Ich war schon in jungen Jahren Libero. Dort, wo die anderen erst hinlaufen, stehe ich eben schon. Der Laufstärkste war ich nie", sagt Ixmaier - und lächelt. Nach seiner Umschulung zum Industriekaufmann möchte er den Trainer-Schein machen.
Ixmaier hat Ziele. Nicht nur eines. "Wenn es klappt, will ich schon kommende Saison einen Verein als Allein-Verantwortlicher trainieren. Es passt derzeit zwar bestens, aber ich möchte gerne mal was alleine bewegen. Ich denke, dass sich ein Verein finden wird, der mit mir arbeiten will." Der Verein würde einen Kämpfer verpflichten.