„Trainieren kann man immer“. Angesichts der Wetter- und Platzverhältnisse zuckt Nadine Koberger nur mit den Schultern. Auch Teamkollegin Miriam Scheffler lässt das eiskalte Wetter kalt. „Am Samstag haben wir Spiele, da müssen wir fit sein.“ Ob die 7er-Frauenmannschaft des Würzburger Rugyb Klubs 2012 am Samstag tatsächlich das Turnier in der Bundesliga Süd in Regensburg bestreiten kann, ist noch offen – abgesagt ist es nicht.
Und so trabt also ein gutes Dutzend junger Frauen mangels anderer Trainingsmöglichkeiten an diesem Dienstagabend bei gefühlten Minusgraden und eisigem Wind über den ungeräumten städtischen Bolzplatz am Oskar-Neisinger-Weg durch den knöchelhohen Schnee. Schließlich steht der Rückrundenauftakt bevor – und die Würzburgerinnen haben Großes vor: Bereits im zweiten Jahr des Bestehens wollen sie die Qualifikation zum Endturnier der deutschen Meisterschaft (2. und 3. Juni in Stuttgart) schaffen.
„Wir haben uns das vorgenommen und wir erreichen das auch.“ Die Ansage von Trainer Benedikt Kischka ist klar. Auch von seinen Spielerinnen zweifelt keine daran, dass sie den zweiten Platz in der Süd-Staffel der Bundesliga hinter München sowie den weiteren starken Teams verteidigen.
Kischka ist sozusagen der Vater des Erfolgs auch wenn viele seiner Spielerinnen älter als er sind. Dafür ist der 22-jährige Heidelberger schon seit seinem fünften Lebensjahr mit dem Rugby-Virus infiziert. „Ein Kindergartenfreund hat mich damals mitgenommen und ich habe mich sofort in diesen Sport verliebt.“
Dazu muss man wissen, dass Heidelberg die Wiege des deutschen Rugbys ist und auch heute noch die Hochburg. Wo es hierzulande die Kinder zum Fußball oder zum Handball zieht, geht der Heidelberger Nachwuchs zum Rugby. Kischka durchlief zahlreiche Auswahlteams, seit seinem 14.Lebensjahr ist er auch als Coach tätig. „Dies hier ist mein erstes Damenteam. Aber die sind leichter zu trainieren als die Männer, weil sie disziplinierter sind.“
Heute spielt er nicht mehr aktiv. „Weil ich nicht mehr die Zeit habe, so fit zu sein, dass ich meinen eigenen Ansprüchen genüge.“ Und die sind hoch. Denn neben deutschen Trainerscheinen hat Kischka auch ein Zertifikat der New Zealand Sports Academy in Rotorua, dem Zentrum der neuseeländischen Maori Kultur. Fünf Monate war Kischka als 19-Jähriger auf eigene Kosten in dem Land, in dem Rugby mehr ist als Sport – eine Art Religion. „Ich bin mit riesigem Selbstbewusstsein dort hin gegangen und musste nach sehr kurzer Zeit feststellen, dass ich sehr weit zurück bin.“ Am Ende war er soweit, dass er auch in einer neuseeländischen Spitzenmannschaft hätte mithalten können. Obwohl er eigentlich eher schmächtig ist, das Gegenteil von einem „120-Kilo-Bullen“, wie sich manche einen Rugby-Spieler vorstellen mögen. „Alles ein Vorurteil, Rugby bietet Positionen für wirklich jeden Körperbau.“
In Neuseeland hatte der junge Mann dann auch Rugby endgültig so eingesogen, dass er es heute seinen „Lebensstil“ nennt. „Respekt, Wille, Kraft, Disziplin und Zusammenhalt. Rugby formt den Charakter. Es gibt keinen mir bekannten toleranteren Sport. Sprache, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, das spielt überhaupt keine Rolle. Das versuche ich auch privat so zu leben.“
Nach der Zeit bei den „Maori All Blacks“ kam Kischka über Passau nach Würzburg. Schulfreundin Sina Schäfer, erfolgreiche Ruderin für den Akademischen Ruderklub, holte den Studenten der Politikwissenschaften und Soziologie nach Würzburg. Wie es der Zufall wollte, war da gerade der ehrenamtliche Trainerposten des Damenteams beim WRK 2012 frei. Dort traf der 22-Jährige auf eine „tolle, liebe Mannschaft mit einem unglaublichen Potenzial. Ihnen fehlte bis dahin nur der professionelle Anspruch, den ich mitbrachte.“
Das große Plus sei der große Zusammenhalt. „Das ist wie eine Familie. Selbst wenn jetzt eine „All Blacks“-Spielerin zu uns käme, würde uns das nicht weiter bringen. Rugby funktioniert nur im Team“. Und das steht gemeinsam für das große Ziel: „In spätestens zwei Jahren sind wir Deutscher Meister. Da habe ich keinen Zweifel dran.“ Und spätestens dann, so hofft Kischka, bekommt der Würzburger Rugby Klub in der Stadt die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Und müssten nicht mehr im Schnee trainieren. „Bisher haben wir keinen Platz. Wären wir Fußballer, wäre das kein Problem.“