Sechs Jahre vor dem Gewinn der Silbermedaille hört der damals 30 Lenze zählende Schweidler von einem Kollegen, dass man traditionelles Bogenschießen, also ohne technisch aufwändige Hilfsmittel wie Stabilisator, Visier oder Zughilfe, auch im Wettbewerb ausüben kann. Der Estenfelder erinnert sich, schon als Kind gerne mit Pfeil und Bogen gespielt zu haben, und beginnt eine Liaison mit einer Sportart, die vor etwa 40 000 Jahren erstmals Erwähnung gefunden hat. Das traditionelle ist nicht etwa zu verwechseln mit dem olympischen Bogenschießen, bei dem technisch aufwändige Konstruktionen verwendet werden, die nur noch bedingt an die Bögen erinnern, die wir aus den Robin-Hood-Streifen kennen.
Schweidler aber hatte ein Problem: Da traditionelles Bogenschießen nicht wirklich ein verbreiteter Sport ist, mangelte es an Übungsplätzen in der näheren Umgebung. Kurzerhand wurde der heimische Garten in Estenfeld unter Berücksichtigung der Sicherheitsfragen zum Schießplatz umfunktioniert. Zumindest seine Freundin Melanie Krömer dürfte sich darüber gefreut haben. Denn fortan verbrachte der Rechtswirt einen Großteil seiner Freizeit hinter der Balkontür und blieb damit wenigstens in "greifbarer" Nähe. In den folgenden Jahren wurden bessere Bögen angeschafft, und auch Schweidler wurde durch die unentwegte Übung immer treffsicherer und im vergangenen Jahr deutscher Meister. In den Ergebnis-Listen war Schweidler später dem imaginären Bogenschützen-Klub "BS Estenfeld" zugeordnet. Scheinbar konnten die Verantwortlichen nicht glauben, dass Schweidler keinem Verein angehört.
Das skurrilste an der Geschichte Schweidlers: Er brachte sich das Bogenschießen selbst bei! "Ich hatte nie einen Trainer oder so etwas. Ich denke, es gibt keinen technischen Fehler, den ich noch nicht gemacht habe", erzählt er mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Beim Bogensport sind Motorik, Optik und nicht zuletzt Kraftausdauer gefragt. Besonders das Anvisieren ist problematisch, weil es keine Zielvorrichtung am Bogen gibt. "Das muss instinktiv gelingen", meint Schweidler.
Instinktiv war es auch, wie er aus seinen Fehlern gelernt und seinen ganz eigenen Stil entwickelt hat. Aber der "Selfmade-Robin-Hood" geht noch weiter: "Ich glaube, es ist auch ein übriggebliebener Urinstinkt, der mir den Spaß am Pfeileschießen gibt."
"Bowhunting", wie traditionelles Bogenschießen auch genannt wird, findet üblicherweise unter freiem Himmel statt, gezielt wird nicht nur auf Zielscheiben, sondern auch Plastik-Tiere werden erlegt. "In bestimmten Ländern, wie zum Beispiel den USA, gibt es leider sogar Bogen-Jagd auf lebendige Tiere", bedauert Schweidler, für den das freilich nicht in Frage kommt. Er hat ganz anderes im Sinn. Und zwar die Bowhunter-Weltmeisterschaften im September in Bergamo: "Ich muss nur noch schaffen, die Form aus meinem Garten auch im Wettkampf zu zeigen." Möglicherweise bringt Schweidler dann eine Goldmedaille mit nach Estenfeld.