Als der Abschiedsklassiker „Time to say goodbye“ über den Residenzplatz hallte, lief sie unaufhaltsam weiter. In einem Takt – und ohne Unterbrechung. Fast so, als hätte sie nicht mitbekommen, dass sich ein langer Tag dem Ende neigt und es Zeit ist, nach Hause zu gehen. Vielleicht wollte sie auch einfach nur noch einen Moment alleine sein, nachdem sich stundenlang so viele Blicke auf sie gerichtet hatten. Die große Digitaluhr neben der Ziellinie stand bei der 27. Auflage des Würzburger Residenzlaufs im Fokus wie selten zuvor. Dass sie durch ihr ständiges Fortschreiten bei den anvisierten Bestzeiten eine nicht unwichtige Rolle spielt, war sie gewohnt. Dass sie aber auch vor und während der Rennen so häufig umgarnt wurde, war ihr dann schon etwas peinlich.
Der Veranstalter hatte eine Grenze von 37 Minuten bei den Männern und 43 Minuten bei den Frauen eingeführt. Wer beim Hauptlauf, an dem mit 2095 Startern so viele wie noch nie teilnahmen, unter diesen Zeiten neben der Uhr über die Ziellinie gelaufen war, wurde nicht als Sieger geehrt. Mit dieser zuvor deutlich kommunizierten Maßnahme war es zum großen Teil gelungen, die schnellen Athleten in den Lauf der Asse zu bewegen. Am Ende liefen zwei Männer und sechs Frauen den Hauptlauf zu schnell, einige haben vermutlich rechtzeitig das Tempo gedrosselt. Für die acht Starter kannte Organisationsleiter Reinhard Peter indes kein Pardon: „Wir müssen da konsequent bleiben, ansonsten machen wir uns unglaubwürdig.“
Alma Goller nimmt es sportlich
Ein Härtefall war sicher Alma Goller. Die 15-jährige Kitzingerin geht nur sporadisch bei Wettkämpfen an den Start und ist die zehn Kilometer bis zum gestrigen Tag noch nie unter 45 Minuten gelaufen. Diese Marke ist wiederum die Qualifikationszeit für den Lauf der Asse. Folglich hätte Golla dort gar nicht starten dürfen. Dass die Residenzlauf-Debütantin dann mit ihrer fantastischen Zeit (42:22 Minuten) nicht als Siegerin des Hauptlaufs geehrt wurde, war insofern schon bitter. Die Gymnasiastin nahm es sportlich: „Ich habe kurz vor dem Ziel noch überlegt, ob ich abbremsen soll. Doch ich war einfach zu ehrgeizig. Dass ich nicht die offizielle Gewinnerin war, macht mir nichts aus. Es war auch so ein tolles Rennen.“
Als Siegerin tatsächlich geehrt wurde Sandra Eltschkner – und das sogar beim Lauf der Asse. Die 27-jährige Forscherin des Würzburger Rudolf-Virchow-Zentrums war die schnellste deutsche Frau gewesen. „Das Feld ist klasse besetzt, das hat natürlich zusätzlich angespornt“, sagte die gebürtige Rostockerin, die erst seit zweieinhalb Jahren in Unterfranken lebt. „Es gefällt mir hier sehr gut, nur das Meer vermisse ich häufig.“ Lediglich eine halbe Minute hinter Eltschkner kam Carmen Förster vom SV Würzburg 05 ins Ziel. Ihre Zeit von 37 Minuten ist umso höher zu bewerten, da sie zuletzt eine Babypause eingelegt hat. Offensichtlich hält der Nachwuchs die Laufikone so richtig in Schwung. Drittschnellste Unterfränkin war ihre Vereinskollegin Laura Zimmermann (37:36 Minuten).
Bei den Männern gewann Solomon Eshete Merne die bayerische Wertung. Der Äthiopier hat vor längerem in Deutschland in der Nähe von Alzenau Aysl gesucht und ist unter 30 Minuten über die Ziellinie gelaufen. Eine äußerst enge Angelegenheit war das Rennen um den zweiten Platz zwischen Patrick Karl vom TV Ochsenfurt und Mario Wernsdörfer (LG Bamberg/Würzburg). Wernsdörfer hatte sich in den ersten beiden Runden einen Vorsprung von etwa 15 Sekunden herausgelaufen – und diesen im dritten Umlauf auch halten können. Doch der erst 18-jährige Karl legte einen atemberaubenden Schlussspurt hin und sicherte sich noch den zweiten Platz in der Bayern-Wertung. Mit seiner überragenden Zeit von 31:52 Minuten war er zudem der schnellste Deutsche des Residenzlaufs.
Die so häufig fokussierte Digitaluhr neben der Ziellinie meinte es nicht nur mit Karl gut. Julia Lieb war im vergangenen Jahr lediglich zwei Sekunden unter 43 Minuten geblieben und musste folglich beim Lauf der Asse ran. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Würzburg hat im Vorfeld befürchtet, dass sie als Letzte die Ziellinie überquert. Doch auch Lieb, die es bei ihren Trainingseinheiten sehr locker angehen lässt, hat den Kampf gegen die unaufhaltsam laufende Uhr gewonnen: Mit ihrer neuen Bestzeit von 42:34 Minuten hat sie noch zwei Kontrahentinnen hinter sich gelassen.