Gemeinsam bringen es Christian Gündling (53) und Michael Spahn (55) auf 108 Jahre, bald 110. Das alleine wäre keine erwähnenswerte Leistung. Sie wird zu einer, sogar zu einer ganz besonderen, da die beiden noch immer aktive Handballer sind – und zwar beim Bezirksligisten HSV Thüngersheim. Seit klein auf frönen sie einem Sport, der als einer der härtesten gilt.
Krumme Finger
Und was ist mit ihren Verletzungen und dem physischen Verschleiß? Praktisch nicht vorhanden. Sowohl Gündling als auch Spahn erklären unabhängig voneinander: „Ich fühle mich gut und will noch solange weiterspielen, wie der Körper fit ist und es Spaß macht.“ Kreisläufer Gündling, der früher auf allen möglichen Positionen gespielt hat, zeigt seine Finger; sie sind krumm. Einmal sei ihm der Daumen nach einem Torwurf komplett hinaus gekugelt. Anschließend habe ihn sein Gegenspieler wieder eingerenkt – und weiter ging es. „Von echten Verletzungen bin ich tatsächlich verschont geblieben“, bemerkt Gündling. Klar, seit er 40 ist, reißt schon mal eine Muskelfaser. „Aber dann warte ich halt zwei, drei Wochen, bis es wieder geht.“
Mehrmaliges Karriereende
Mehrmals hat der Sozialpädagoge seine scheinbar endlose Karriere für beendet erklärt, einmal gab es sogar ein Abschiedsspiel mit aktuellen und früheren Weggefährten. Doch allzu lange konnte er nicht vom Handball lassen. „Ohne hat mir immer etwas gefehlt. Vielleicht die Möglichkeit, an seine Grenzen zu gehen – und darüber hinaus“, sagt Gündling, der seit 30 Jahren bekennender Vegetarier ist.
Sieben Siebenmeter in Serie gehalten
Gebürtig stammt er aus Michelbach, einem Stadtteil von Alzenau nahe der bayerisch-hessischen Grenze. Dort begann er als kleiner Steppke mit seinem Sport, bejubelte mit 13 Jahren die Weltmeister von 1978. Irgendwann landete er zwischen den Pfosten. Auf einem Turnier hielt Gündling, der fünf Geschwister hat, mal sieben Siebenmeter in Serie. Weitere Highlights zu Jugendzeiten waren zwei Testspiele gegen die Junioren-Nationalmannschaft aus Katar. „Eines konnten wir sogar gewinnen“, erinnert sich Gündling.
Zum Studium nach Würzburg
Noch in der A-Jugend wollte er wieder zurück ins Feld. Das Studium führte ihn schließlich nach Würzburg, wo er sich schnell der „Waschküch“ anschloss. Als sich deren Handballer auflösten, ging er für viele Jahre zu den Würzburger Kickers. 2005 wurde der vierfache Vater mit seiner Familie in Thüngersheim sesshaft – und startete 40-jährig sportlich nochmals so richtig durch.
Frauen-Trainer
Im Weinort traf er Torwart Michael Spahn. Dieser spielt Zeit seines Lebens in Thüngersheim – bis zum heutigen Tag. Der 55-Jährige hat am Donnerstagabend zwei Turnmatten hochkant aufgebaut und lässt die HSV-Frauen darüber werfen. Denn Spahn ist nicht nur Schlussmann in der ersten Mannschaft, sondern auch Trainer des Frauen-Teams – und zwar bereits seit einem Vierteljahrhundert.
Wichtiges Spiel gewonnen
„Ich habe mehrmals angeboten, das Amt in jüngere Hände zu legen. Doch es hat sich noch niemand gefunden. Also mache ich halt weiter“, sagt Spahn. Auch Tochter Helena, genau wie der Vater zwischen den Pfosten beheimatet, ist mittlerweile unter seinen Fittichen. Michael Spahn geht derweil mit gutem Beispiel voran. Er steht zwischen den Handballerinnen in der Abwehr seinen Mann. Die Intensität wird erhöht. Das zahlt sich aus. Im wichtigen Spiel im Bezirksliga-Abstiegskampf gegen den MHV Schweinfurt II am Sonntag siegten die Thüngersheimerinnen 22:17.
Nach seiner Schlussansprache wechselt Spahn nahtlos ins Männer-Training – und lässt sich von seinen Mitspielern einwerfen. „Christian und Michael gehen immer mit gutem Beispiel voran, fehlen bei fast keinem Training“, berichtet Übungsleiter Klaus Beck. Sie sind mit Abstand die Ältesten im Kader. Wenn die Jüngeren offen sind für Ratschläge, dann geben sie ihr Wissen gerne weiter.
Gemeinschaft nicht mehr so intensiv
Die Gemeinschaft, sagt Spahn, sei heutzutage nicht mehr so intensiv wie früher. „Da haben wir uns nach jedem Training zusammengesetzt, nach Spielen sowieso. Heute gehen viele ihre eigenen Wege.“ Dafür ist für Spahn und seine Thüngersheimer 2013 ein Traum wahr geworden: eine schmucke Spielstätte im eigenen Ort. „Das hat uns nochmals einen richtigen Schub gegeben“, betont der Spediteur. „Bis dahin haben wir in der Stadt gespielt, da schaute praktisch niemand zu.“
Rund 150 Zuschauer pro Spiel
Nun kommen zu den HSV-Heimspielen stets rund 150 Zuschauer – und sorgen für eine tolle Atmosphäre. „Die Leute identifizieren sich mit uns, weil bei uns nur Thüngersheimer spielen oder enge Freunde. Wir sind ein echter Dorfverein.“ Am Samstag gastiert die benachbarte HG Maintal – eine Spielgemeinschaft der Gemeinden Veits- und Margetshöchheim – in Thüngersheim. Dann wird in der Raiffeisen-Sporthalle noch mehr los sein als sonst. Und mittendrin tummeln sich zwei junggebliebene Sportler-Greise.