„Sind Sie mit dem Auto gekommen?“, fragt der Polizeibeamte an der Pforte des Münchner Innenministeriums freundlich. Es kann sich nur um eine Fangfrage handeln. Denn vor dem Beamten liegt die Teilnehmerliste für einen „Trinkversuch“ mit Innenminister Joachim Herrmann (CSU). In den nächsten Stunden wird es darum gehen, sich mit dem obersten Dienstherrn von Bayerns Polizisten vorsätzlich durch die Promillegrenzen zu trinken.
„Das ist ein streng wissenschaftlicher Versuch“, betont Herrmann vor den noch nüchternen, knapp zwei Dutzend Journalisten gleich zu Beginn. Der Hintergrund ist ernst: Im vergangenen Jahr starben über hundert Menschen auf Bayerns Straßen bei alkoholbedingten Unfällen. Mehr als jeder zehnte Verkehrstote war auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen.
Auch die Zahlen, die der Münchner Rechtsmediziner Thomas Gilg präsentiert, geben zu denken: Rechnerisch nimmt jeder Deutsche zwischen 14 und 70 Jahren pro Jahr 14 Liter reinen Alkohol zu sich – das entspricht rund einem Liter Bier am Tag. Drei Millionen Deutsche gelten als alkoholabhängig. Und der Durchschnittswert bei betrunkenen Autofahrern, die von der Polizei erwischt werden, liegt bei 1,6 Promille.
Harte Alkoholika werden im Innenministerium nicht serviert. Schnaps gebe es bei seinen „Alkoholselbsterfahrungstests“ nur für Richter und Staatsanwälte, erzählt Gilg – wegen der „oft strafverschärfenden Wirkung“. Denn vielen Juristen sei nach dem Selbstversuch klarer, welche Wirkung auch geringe Mengen Alkohol anrichten können.
Bevor es losgehen kann, muss jeder Teilnehmer sein Körpergewicht und den angestrebten Blutalkoholwert angeben. Obergrenze sind 1,1 Promille – der Wert, der juristisch die strafbare Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit darstellt.
Ich wähle aus meiner Sicht undramatische 0,8 Promille – und bin verwundert, dass ich dafür vier halbe Bier trinken soll. In eineinhalb Stunden. Auf nüchternen Magen. „Das sind ja die zwei Beckstein-Maß“, scherzt ein Kollege. „Damit darfst du in Bayern noch ans Steuer.“
„Ich kann nicht mehr!“
„Schütten Sie es nicht mit Gewalt runter“, warnt dagegen Rechtsmediziner Gilg vor dem Start. Eine Kellnerin achtet dagegen akribisch darauf, dass die Testteilnehmer ihre Ziele nicht verfehlen: „Sie müssen schneller trinken“, mahnt sie etwa einen Redaktionsleiter vom Bayerischen Fernsehen. Er will mit 6,5 Bier auf 1,1 Promille kommen. Doch nach fünf Halben streicht er entnervt die Segel. „Ich kann nicht mehr“, gesteht er mit merklich schwerer Zunge.
Nach eineinviertel Stunden und vier geleerten Gläsern zeigt der Alkomat bei mir 0,94 Promille. Gefühlt liegt der Wert aber deutlich höher. Ein Auto zu steuern erscheint in diesem Zustand mehr als abwegig. Selbst die nun gereichte Tomatensuppe unfallfrei in den Mund zu bugsieren, gelingt nur mit höchster Konzentration. Bei einer Verkehrskontrolle käme ich trotzdem mit einer Geldstrafe und maximal zwei Monaten Fahrverbot davon.
Auch die Mittrinker, die sich an im Straßenverkehr noch erlaubte Promillegrenzen herangetrunken haben, sind erstaunt, wie stark der Alkohol wirkt. Innenminister Herrmann kommt übrigens mit zwei halben Bier auf 0,34 Promille. Selbst ans Steuer setzen würde er sich so aber nicht mehr, beteuert er: „Ich bleibe bei meinem Credo: Wenn ich fahre, dann trinke ich überhaupt nichts.“