Der mutmaßliche Amokschütze Bernd G., der am Freitag im Raum Ansbach zwei Menschen umgebracht haben soll, war möglicherweise so psychisch gestört, dass er nicht wusste, was er tat. Der 47-Jährige wurde noch am Freitag von einem Sachverständigen untersucht. Der geht „nach vorläufiger Beurteilung davon aus, dass beim Beschuldigten der Verdacht des Vorliegens einer akuten Psychose mit einem bizarren Wahnsystem gegeben ist“. Dies teilte die Staatsanwaltschaft Ansbach am Samstag mit.
„Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Schuldfähigkeit des Beschuldigten zur Tatzeit zumindest erheblich vermindert war“, heißt es bei der Ermittlungsbehörde in Mittelfranken.
Im Bezirkskrankenhaus Ansbach soll ihn nun ein Sachverständiger untersuchen. „Mit dem Vorliegen des Gutachtens ist nicht vor Ablauf von zwei bis drei Monaten zu rechnen“, teilt die Staatsanwaltschaft Ansbach mit.

Bernd G. hatte am Freitag den gesamten Regierungsbezirk Mittelfranken in Angst und Schrecken versetzt. Er fuhr am Vormittag im silbernen Cabrio seines Vaters umher und schoss scheinbar willkürlich auf Menschen, die ihm begegneten.
Zuerst feuerte der mutmaßliche Täter um kurz nach 10 Uhr in Leutershausen-Tiefenthal, einem Ortsteil mit rund 80 Einwohnern, auf die 82 Jahre alte Anna A., die gerade Blumen goss. Sie starb. Wenige Kilometer weiter, in Rammersdorf, erschoss er den 72 Jahre alten Alfred H. auf seinem Fahrrad. Beide soll er nicht gekannt haben. Dann feuerte er auf einen Landwirt und eine Autofahrerin, ohne zu treffen, sowie auf eine Hauswand. Die Polizei leitete sofort eine Großfahndung nach dem Auto des Tatverdächtigen ein und ließ Warnungen übers Radio verbreiten.

Kurz vor 12 Uhr konnte der aus Ansbach stammende Tatverdächtige von den Angestellten einer Tankstelle im etwa 30 Kilometer entfernten Bad Windsheim überwältigt werden. Als er seine 45er Automatikpistole kurz auf den Tresen legte, griff die Kassiererin beherzt danach, rannte in die Toilette und schloss sich mit der Waffe ein.
Irritiert stapfte Bernd H. hinaus zu seinem Auto, in dem seine zweite Schusswaffe lag – ein ebenfalls großkalibriger Revolver. Aber mehrere Mechaniker, die aus dem Radio wussten, wen sie vor sich hatten, rangen ihn nieder und hielten ihn fest, bis die Polizei kam.
„Die ganze Welt ist verseucht“, will einer der Mechaniker von G. gehört haben. Auch auf der Fahrt zur Polizei habe der Mann wirres Zeug geredet. Er sei „psychisch auffällig gewesen“, hieß es in einer Pressekonferenz am Freitag in Ansbach.
Der Fall nährt Zweifel daran, ob Sportschützen wie G. – trotz zahlreicher ähnlicher Vorfälle in der Vergangenheit – effektiv überprüft werden. Offiziell geschieht das alle drei Jahre. Wird bekannt, dass ein Schütze psychisch erkrankt ist, wird die Waffenbesitzkarte ungültig. Bernd G. war 2013 zuletzt überprüft worden. „Da war alles in Ordnung“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Sonntag. Der nächste Check wäre Ende 2016 fällig gewesen – und genauso wenig aussagekräftig: Die Betroffenen müssen nicht persönlich beim Amt vorsprechen. Man verlässt sich auf Meldungen der Schützenvereine. Doch in Ansbach war Bernd G. in keinem Schützenverein, dem etwas hätte auffallen können.
Beim Ermittlungsrichter äußerte er sich am Samstag nicht zur Tat oder seinem Motiv. Er gab lediglich an, er sei Gesundheits- und Krankenpfleger, aber seit ein bis zwei Monaten arbeitslos. Dies passt zu Angaben von Passanten in Bad Windsheim, die nach der Festnahme Reportern erklärten: Ihnen sei G. als Pfleger aus einer nahen Reha-Klinik bekannt. Er habe im zweiten Stock gearbeitet. Er sei aber entlassen worden, weil er einem Patienten den Arm verdreht habe. Am Wochenende wurde darüber gerätselt, ob er nicht zufällig nach Bad Windsheim fuhr, sondern an seiner früheren Arbeitsstätte seinen Amoklauf fortsetzen wollte. Dafür gibt es aber keine Bestätigung.
Sein Anwalt Benjamin Schmitt sah sich in der „Bild am Sonntag“ veranlasst, Spekulationen entgegenzutreten, sein Mandant habe „aus Hass auf alte Menschen“ gehandelt. Für solche Spekulationen gebe es „keinen Raum. Zum jetzigen Zeitpunkt gehört jegliche Anteilnahme den Opfern und Angehörigen.“
Erschüttert zeigten sich die Eltern des Tatverdächtigen, mit deren Mercedes 500-SL-Cabrio der Schütze herumgefahren war. „Wir sind geschockt, haben tiefes Mitgefühl für die Opfer“, sagt Karl-Heinz G., der Vater. In Leutershausen will man trotz des Amoklaufes das Altstadtfest am 25. und 26. Juli feiern – dabei jedoch auch der beiden Opfer gedenken. Der Gottesdienst zur Eröffnung solle im Zeichen der Opfer stehen, sagte Bürgermeister Siegfried Heß der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende.
Zeugen, die den Schützen mit seinem Auto auf der Flucht beobachtet haben oder geschädigt sind, sollen sich an die Polizei wenden: Tel. 08 00 7766 310