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WÜRZBURG: Der Bocksbeutel und das Pfand

WÜRZBURG

Der Bocksbeutel und das Pfand

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    Dem neuen Verpackungsgesetzzufolge bleiben Bocksbeutelpfandfrei. Dafür lobt sichAnja Weisgerber (CSU).Foto: Karl Josef Hildenbrand, dpa
    Dem neuen Verpackungsgesetzzufolge bleiben Bocksbeutelpfandfrei. Dafür lobt sichAnja Weisgerber (CSU).Foto: Karl Josef Hildenbrand, dpa Foto: A3542/_Karl-Josef Hildenbrand (dpa)

    Als die unterfränkische Abgeordnete Anja Weisgerber (CSU) vergangene Woche die ZDF „Heute Show“ anschaltete, erlebte sie eine Überraschung. Oliver Welke zog gerade das neue Verpackungsgesetz durch den Kakao, als eine kleine Sequenz mit ihr folgte: Vor dem Bundestag verkündete die Umweltexpertin der Unionsfraktion freudig, dass „die Pfandpflicht für Weinflaschen – und damit auch für den fränkischen Bocksbeutel – vom Tisch“ sei. „Verrückt“ sei das gewesen, postete Anja Weisgerber einen Tag später auf ihrer Facebook-Seite – und vergaß nicht, sich darüber zu amüsieren, wie „schön“ Oliver Welke das Wort „Bocksbeutel“ ausspreche.

    Am Donnerstag vergangener Woche verabschiedete der Bundestag das neue Verpackungsgesetz. Mit dem Ergebnis, dass der Bocksbeutel pfandfrei bleibt. „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass Weinflaschen weiterhin pfandfrei bleiben“, sagte Anja Weisgerber dieser Redaktion. Ein Mehrwegsystem für Weinflaschen sei für Winzer und Verbraucher ein zu hoher Aufwand, findet die CSU-Abgeordnete. Der Bocksbeutel mit seiner einzigartigen Form sei das beste Beispiel dafür. „Was will ein Pfälzer Winzer denn damit?“

    Mit der Argumentation steht Weisgerber nicht allein da. Auch Hermann Schmitt, Geschäftsführer des Fränkischen Weinbauverbands, hält ein Mehrwegsystem speziell beim Bocksbeutel für kaum durchsetzbar: „Der Bocksbeutel ist wegen seiner Form schlecht zu spülen und eignet sich nur bedingt für ein Mehrwegsystem“, sagt er. Zudem sei der Weinmarkt – anders als beim Bier oder Wasser – sehr globalisiert. „Kunden kaufen Wein aus Europa und der ganzen Welt.“ Pfand müsse es dann schließlich auch auf ausländische Weinflaschen geben.

    Das Recycling über Altglas sei indes einfacher – und mitunter auch ökologischer: „Wenn die leeren Weinflaschen mit dem Lkw durch ganz Deutschland gefahren werden, ist das möglicherweise umweltschädlicher, als das Glas einzuschmelzen und neu herzustellen.“

    Eine Ansicht, die Hartmut Hoffmann, Sprecher des Arbeitskreises Abfall und Rohstoffe des Bund Naturschutz, nicht teilt. „Das Glas wird bei über 1000 Grad Celsius eingeschmolzen – das verbraucht deutlich mehr Energie als der Transport und das Spülen.“ Der Bund Naturschutz habe jedoch kein Pfand auf Einweg-Glasflaschen gefordert. „Das kann man den einzelnen Winzern nicht zumuten“, sagt Hoffmann. Ein Mehrwegsystem, etwa für standardisierte Ein-Liter–Weinflaschen, könne er sich grundsätzlich vorstellen. Allerdings räumt er ein: „Mit dem Bocksbeutel wird das schwierig.“

    Laut Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern, hat der Verband bewusst darauf verzichtet, Pfand auf Weinflaschen zu fordern: „Wir wussten, das hat keine Chance. Daher haben wir unsere Aufmerksamkeit darauf gerichtet, die bereits vorhandenen Mehrwergsysteme zu sichern.“ Denn die Entwicklung laufe gegen das Mehrwegsystem, sagt Weiger. Die Einwegverpackungen hätten in den vergangenen 20 Jahren um rund 30 Prozent zugenommen. Nichtsdestotrotz: Ein Mehrwegsystem bei Weinflaschen begrüßt Weiger. „Möglich wäre etwa ein regionales Kreislaufwirtschaftssystem in Unterfranken. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagt Weiger.

    Als „nicht praktikabel“ bezeichnet Karl Martin Schmitt, Seniorchef des Weinguts „Schmitts Kinder“ in Randersacker, diese Idee. Ein Großteil seines Weins verkauft der Winzer, der selbst Mitglied beim Bund Naturschutz ist, in entferntere Märkte. „Selbst wenn ein Kunde aus Hamburg Pfand auf unsere Flaschen zahlen würde, dann schmeißt er die am Ende eh in den Container“, sagt Schmitt. Bier- und Weinflaschen könne man außerdem nicht miteinander vergleichen. „Beim Bier sind das ganz andere Mengen und eine ganz andere Umschlagdauer. Viele Kunden kaufen Wein und lassen ihn dann noch lange reifen.“

    „Man kann die Winzer nicht behandeln wie Coca-Cola“, ist Manuela Rottmann, Grünen-Bezirksvorsitzende und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, überzeugt. Der einzelne Winzer könne das nicht organisieren. „Möglich wäre allerdings ein freiwilliges Mehrwegsystem – etwa, indem sich einzelne Winzer zusammenschlössen“, sagt Rottmann. Denn das Mehrwegsystem sei grundsätzlich ökologischer als die Verwendung von Neuglas. Allerdings, „das System müsste intelligent organisiert sein: Die Flaschen müssten an einer Stelle gesammelt und gereinigt werden. Einzelne Flaschen durch die Gegend zu fahren, ist Quatsch.“

    Und käme das Pfandsystem doch – wäre das das Ende vom Bocksbeutel? „Das glaube ich nicht“, sagt Anja Weisgerber. „Der Bocksbeutel steht für Qualität, ist international bekannt und ein Markenzeichen für ganz Franken – daran würde auch Pfand nichts ändern.“ Fotos: Hartmut Haas/Tobias Hase, dpa

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