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DINKELSBÜHL: Drehorgelbauer halten Musiktradition am Leben

DINKELSBÜHL

Drehorgelbauer halten Musiktradition am Leben

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    Alte Tradition: Kai Rafeldt, Geschäftsführer eines Drehorgelbauers im mittelfränkischen Dinkelsbühl, im Museum des Unternehmens.
    Alte Tradition: Kai Rafeldt, Geschäftsführer eines Drehorgelbauers im mittelfränkischen Dinkelsbühl, im Museum des Unternehmens. Foto: Foto: D. Karmann, dpa

    Sie sind das Gegenteil des modernen MP3-Musikplayers – trotzdem lebt die Drehorgel-Tradition in Deutschland fort. Dafür sorgt ein halbes Dutzend Hersteller. Sie fertigen die mechanischen Musikspeicher noch so wie anno dazumal – in reiner Handarbeit.

    Ohne mehrere hundert Jahre altes Elsbeerenholz geht dabei nichts. Die geschickten Hände von Instrumentenbauer Hubert Reinwand fertigen daraus Pfeifenköpfe, die später dem Instrument die zarten, schalmaienhaften Töne entlocken. Hochkonzentriert setzt er sein scharfes Schnitzmesser an – und weitet mit kurzen, präzisen Schnitten die Pfeifenöffnung. Neben ihm liegen sauber aufgereiht die bereits fertigen Orgelpfeifen, fertig zur Endmontage zusammen mit Blasebalg, Windlade und „Spieltisch“.

    Reinwand ist Drehorgelbauer. Mit drei anderen Kollegen und seinem Chef Kai Rafeldt gehört er in einer Firma im mittelfränkischen Dinkelsbühl zu den wenigen in Deutschland, die die Drehorgelbau-Tradition am Leben erhalten. Denn trotz DVD- und MP3-Player – der gute alte Leierkasten hat noch immer seine Liebhaber, nicht nur in Deutschland. Die Firma exportiert Drehorgeln in alle Welt. Wichtigster Auslandsmarkt ist Japan, sagt Rafeldt: „Das Land ist von deutscher Kultur fasziniert.“

    Viele deutsche Hersteller gibt es nicht mehr. Die Zahl ist bundesweit auf ein halbes Dutzend zusammengeschrumpft. Einer von ihnen sitzt in Waldkirch in Baden-Württemberg. Der Orgel- und Drehorgelbau hat in dem Schwarzwald-Ort eine lange Tradition. Die große Zeit des Drehorgelbaus aber ist längst vorbei. Allein in Waldkirch, so erzählt Orgelbaumeister Wolfgang Brommer, habe es einst 25 Drehorgel-Werkstätten gegeben; übrig seien noch zwei. Und auch für seine Werkstatt sind Drehorgeln nur ein Standbein. Der 17-Mann-Betrieb baut vor allem Kirchenorgeln. Beide Instrumente sind eng verwandt: „Die Orgel ist die Königin, die Drehorgel die Prinzessin“, sagt Brommer. Die Betriebe sind bis heute Manufakturen, die pro Jahr zwischen 40 und knapp 100 Drehorgeln bauen.

    „Bei uns ist alles Handarbeit“, betont auch Rafeldt. Der gelernte Kaufmann, der den mittelfränkischen Betrieb im Jahr 2006 von einem Freund seines Vaters übernommen hatte, macht klar, was einen versierten Drehorgelbauer ausmacht: „Er muss was vom Pfeifenbau verstehen. Er braucht Geduld und er muss extrem sauber und präzise arbeiten. Wir arbeiten hier im Millimeterbereich. Eine Drehorgel verzeiht keine Fehler.

    “ Nur Naturmaterialien werden verarbeitet: Elsbeeren- und Ahornholz für die Pfeifenköpfe und die Pfeifendeckblätter, Holz der Tonfichte für den Pfeifenkorpus, Ziegenleder für die Dichtungen und Rinderdarm für die Ventile der sogenannten Windlade. Kein Wunder, dass Drehorgeln ihren Preis haben. Das Einstiegsmodell ist bei Rafeldts Unternehmen für 1695 Euro zu haben. Für eine Drehorgel der gehobenen Klasse mit 26 Tonstufen und 44 Pfeifen müssen Kunden oft mehr als 10 000 Euro hinblättern. „Schon die Preise für ein solches Instrument machen deutlich: Wer in den Innenstädten mit einer Drehorgel auftritt, ist in der Regel kein armer Bettler“, macht Rafeldt deutlich.

    99 Prozent seiner Kunden seien Privatleute, die sich eine Drehorgel zu Hause hinstellen. Das ist bei Alex Stüber ähnlich. Die Kundschaft des Berliner Drehorgelbauers ist bunt gemischt: Selbst Vorstands- und Aufsichtsratschefs großer deutscher Unternehmen gehörten dazu. Denen mache das Musizieren mit den Lochband-gesteuerten, rein mechanischen Musikinstrumenten einfach Spaß, erzählt der 61-jährige Firmenchef. Allerdings, so räumt Stüber ein: Die Geschäfte seien schon mal besser gelaufen.

    „Die große Nostalgiewelle ist vorbei.“ In den 70er und 80er Jahren habe sich so mancher mit der Drehorgel Kindheitserinnerungen in sein Wohnzimmer geholt. Das sei vorbei.

    Auch Rafeldt spricht von einem „eher stagnierenden Markt“. Die Orgelbauer, so urteilt Rafeldt, litten dabei unter einem hausgemachten Problem: „Die Orgeln sind so solide gebaut, dass sie uralt werden. Jemandem, dem ich eine neue Orgel verkaufe, habe ich praktisch als Kunden verloren – außer er braucht später noch Zubehör.“

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