Es ist nicht schwer, auf den Spuren des Bruderkriegs in der Region ein exemplarisches Gefecht herauszusuchen. Theodor Fontane weist da klar den Weg. „Kissingen war der interessanteste Kampf auf dem westlichen Kriegsschauplatz“, erklärt der Schriftsteller unter dem Titel „Der Deutsche Krieg von 1866“ seiner zweibändigen Nacherzählung der Ereignisse, „wiewohl Langensalza wichtiger und Roßbrunn-Uettingen blutiger war“.
Fontanes aus preußischer Sicht geschriebener Kriegsbericht ist militärfachlicher als man es von einem Schriftsteller seiner Qualität erwarten könnte. Er listet die Stärke von Einheiten auf, beschreibt langatmig Truppenbewegungen und erörtert mit Eifer kriegstaktische Fragen.
Vom tapfren Bayern
Sein Bericht ist also nicht literarisch, enthält aber doch unterhaltende Elemente. Zum Beispiel, das kleine Heldenepos vom tapfren Bayern. Der hatte sich in einem Zimmer des Hotel Sanner verschanzt. „Jede Aufforderung, sich zu ergeben, wies er ab“; schildert Fontane, „dreizehn der unsrigen waren bereits verwundet, endlich drang eine Abtheilung durch eine Seitenthür ein. 'Nimm Pardon' riefen ihm die Westphalen zu; 'Ich will keinen preußischen Pardon', rief er, ging mit dem Bajonett vor und wurde niedergemacht.“
Einen kauzig-komischen Kontrapunkt setzt die Geschichte vom vergessenen Wachtposten. Nach der Einnahme des Kissinger Friedhofs, einem der markantesten Schauplätze des Gefechts, ließen die Preußen einen Münsterländischen Kürassier als Wache zurück, lösten ihn aber nicht rechtzeitig ab. „Er stand zwei Tage lang auf Posten“, erzählt Fontane, „ruhte dann und wann eine halbe Stunde, während welcher die Mesnersfrau den Wachtdienst für ihn that und schlief immer erst mit der Beschwörungsformel ein: 'Wecken's mich, Frau, oder 's kost't mein Leben'.“
Die Kissinger halten die Erinnerung an den Tag des Kampfes mit Ernsthaftigkeit am Leben. Vor allem auf dem historischen Kapellenfriedhof, aber auch an vielen weiteren Stellen in der Stadt und drum herum gibt es eindrucksvolle Grabdenkmale. So ist auch der tapfre Bayer bis heute nicht vergessen.
Trauernde Germania
Gleich neben dem Kapellenfriedhof sitzt zudem die „Trauernde Germania“. Das bald nach dem Feldzug in Auftrag gegebene Denkmal sollte zum Ausdruck bringen, nicht nur Bayern habe den Bruderkrieg verloren, sondern ganz Deutschland. Zur Einweihung schreiten konnten die Kissinger erst 1869. So lange dauerte es, bis die Namen der Opfer des Gefechts, die im Sockel eingemeißelt werden sollten, zusammengetragen waren.
Vom Standpunkt der politischen Moral betrachtet, hat Fontane sich bei seiner Einordnung des Kampfes um Kissingen weit verstiegen. Das Gefecht „hatte etwas von einer großen Action, deren zahlreiche Einzelmomente sich alle durch ein gewisses poetisches Kleid, durch eine besondere dramatische Lebendigkeit auszeichnen“, schreibt er begeistert. Dabei war der Kampf um Kissingen nicht weniger mörderisch als alle Kriege, auch schon vor ihrer Industrialisierung im 20. Jahrhundert. Die Angaben zu den Verlusten sind unterschiedlich. Die Stadt Bad Kissingen nennt für jenen Tag 314 Gefallene, 1289 Verwundete und 623 Vermisste.