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UNTERFRANKEN/MÜNCHEN: Freistaat erbt herrenlose Häuser

UNTERFRANKEN/MÜNCHEN

Freistaat erbt herrenlose Häuser

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    In vielen fränkischen Dörfern sieht man leer stehende Häuser – wie hier in Aub (Lkr. Würzburg).
    In vielen fränkischen Dörfern sieht man leer stehende Häuser – wie hier in Aub (Lkr. Würzburg). Foto: Foto: Stefan Pompetzki

    Die Entwicklung – bei der Unterfranken den Spitzenplatz einnimmt – kam durch eine Anfrage des Hofer Landtagsabgeordneten Klaus Adelt (SPD) zu Tage. Er und sein unterfränkischer Kollege Volkmar Halbleib sehen darin ein Indiz für schlechtere Lebensverhältnisse in Unter- und Oberfranken im Vergleich zu Oberbayern.

    Die Zahlen aus dem Finanzministerium alarmierten die Abgeordneten: Adelt bat das Finanzministerium vergeblich um eine Erklärung für den überproportionalen Anstieg in Unter- und Oberfranken. Die Antwort: „Es werden keine Daten erfasst, die belastbare Aussagen zu Zusammenhängen mit dem demografischen Faktor oder anderen gesellschaftlichen Entwicklungen zulassen würden.“

    Man müsse „dringend Ursachenforschung betreiben, Gegenmaßnahmen ergreifen“, fordert Halbleib. „Wenn mehr als die Hälfte der in Bayern aufgegebenen Häuser in Unter- und Oberfranken stehen, dann muss man schon die Frage nach dem Grund stellen“, verlangt er. Aber darauf habe die Staatsregierung „keine Antwort parat und das scheint sie auch nicht sonderlich zu stören“, ärgert sich Halbleib. Adelt bezeichnet die Entwicklung als dramatisch: „Die Zahlen belegen, dass wir von gleichwertigen Lebensverhältnissen weit entfernt sind.“ Gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern – in München wie in Marktbreit, in Memmelsdorf, Münnerstadt? Das klingt weltfremd, ist aber in der Verfassung verankert und erklärtes Ziel von Heimatminister Markus Söder. Glaubt man seinem Heimatbericht vom Sommer, gibt es einen Aufwärtstrend: Der ländliche Raum ziehe wieder Leute an.

    Nirgendwo ist der Trend besser zu beobachten als im Landkreis Main-Spessart: Hier wurden in den letzten zehn Jahren 269 Häuser nicht vererbt und damit mehr als drei Mal so viele wie in München. Im Raum Würzburg waren es 142, in Schweinfurt 121, in Bad Kissingen 86.

    Die „Immobilien Freistaat Bayern“ – Makler der Landesregierung – hat jede Menge Beispiele: Ein altes Fachwerkhaus in Sulzdorf an der Lederhecke, eine Doppelhaushälfte in Fladungen (beide Lkr. Rhön-Grabfeld) oder ein Wohnhaus in Elfershausen (Lkr. Bad Kissingen). Der Immobilienverwalter des Freistaates soll neue Nutzer suchen – tut sich aber schwer: Viele der geerbten Häuser sind laut Halbleib „nicht im besten Zustand“. Für die betroffenen Kommunen ist das schwierig, „denn sie haben mit unansehnlichen heruntergekommenen Gebäuden zu kämpfen, die die Attraktivität des ganzen Wohnumfelds in Mitleidenschaft ziehen können und als Wohnraum nicht mehr zur Verfügung stehen“, macht der Abgeordnete klar.

    Die Situation ist paradox: Während in strukturschwachen ländlichen Regionen Immobilien leer stehen, herrscht in den Ballungsgebieten Wohnungsnot. Junge, gut ausgebildete Menschen zieht es in den Raum München. Dort legt man selbst für ein gebrauchtes Einfamilienhaus heute oft mehr als eine Million Euro hin. In Franken wäre manches Haus für ein Zehntel zu haben.

    „Das könnte ein Warnsignal für die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum sein,“ warnt Halbleib. Bei Heimatminister Markus Söder „müssen die Alarmsignale klingeln, der muss das zu seiner Aufgabe machen“, findet der Abgeordnete aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg).

    Söders „hilflose Erklärung, keine Daten zu haben, mit der man diese Entwicklung erklären kann, ist ein politisches Armutszeugnis“, kritisiert Halbleib. Er fordert Söder auf, sicher zu stellen, dass sich das Land mit den Gemeinden um die aufgegebenen Häuser kümmert. Nach seiner Überzeugung sollte der Freistaat Vorbild für andere Hausbesitzer sein und Verantwortung für die Entwicklung der Häuser in den Orten übernehmen. „Eigentum verpflichtet“.

    Bayern am stärksten betroffen Die 16 Bundesländer sind durch Erbschaft mittlerweile Allein- oder Miteigentümer von rund 10.000 Wohnhäusern und privaten Liegenschaften geworden, wie eine bundesweite Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Länderverwaltungen und Bezirksregierungen ergeben hat. Den Rekord hält mit weitem Abstand Bayern. Kein anderes Bundesland hat eine vierstellige Zahl an Häusern geerbt. Die aktuellen Zahlen erfuhr der Abgeordnete Klaus Adelt aus Hof auf Anfrage aus dem Finanzministerium. Ein alarmierender Trend: Waren es 2013 noch 4363 Nachlassimmobilien, nennt der Freistaat 2015 bereits 5677 solcher Gebäude sein Eigen – ein Anstieg von 23 Prozent in zwei Jahren. Ein Anstieg von 23 Prozent in zwei Jahren sei höchst problematisch, betont der SPD-Landtagsabgeordnete Adelt, der früher selbst Bürgermeister in Oberfranken war. 1187 von 4251 und damit 27,9 Prozent der besagten Immobilien befinden sich in Unterfranken, 25,2 Prozent (1075) in Oberfranken. „Die Zahlen sind ein Warnsignal,“ sagt sein Kollege Volkmar Halbleib, der auch Stadtrat im unterfränkischen Ochsenfurt ist. 

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