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INGOLSTADT: Geiseldrama im Rathaus von Ingolstadt nach neun Stunden beendet

INGOLSTADT

Geiseldrama im Rathaus von Ingolstadt nach neun Stunden beendet

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    Erfolgreicher Einsatz: Nach fast neun Stunden stürmten Spezialkräfte des Sondereinsatzkommandos das Alte Rathaus in Ingolstadt. Ein Mann hatte dort mehrere Geiseln genommen. Der Täter wurde bei dem Einsatz verletzt, die beiden Geiseln blieben unverletzt.
    Erfolgreicher Einsatz: Nach fast neun Stunden stürmten Spezialkräfte des Sondereinsatzkommandos das Alte Rathaus in Ingolstadt. Ein Mann hatte dort mehrere Geiseln genommen. Der Täter wurde bei dem Einsatz verletzt, die beiden Geiseln blieben unverletzt. Foto: Foto: DPA

    Um 17.43 Uhr erschüttern drei laute Knallgeräusche die Ingolstädter Innenstadt. Es herrscht helle Aufregung. Aufregung in der weiträumig abgesperrten Zone rund um das Alte Rathaus. Notärzte eilen zum Tatort. Zunächst bleibt unklar, wer geschossen hat. Beamte des Sondereinsatzkommandos, der Geiselnehmer?

    Nach fast neun Stunden stürmte das SEK das Gebäude. Nur drei Minuten später kommt die erlösende Nachricht: Das Geiseldrama von Ingolstadt ist beendet. Spezialkräfte des Sondereinsatzkommandos haben das Alte Rathaus gestürmt. Es sind Schüsse gefallen. Die Geiseln sind unverletzt. Der Täter ist verletzt, aber am Leben.

    • Chronologie: Spektakuläre Geiselnahmen in Deutschland

    Knapp eine Stunde vorher war noch nicht absehbar, wie der Tag enden wird. Der Geiselnehmer hatte Hunger. Er forderte einen Döner Kebap und bekam ihn. Wie er zuvor schon Zigaretten und Tabletten bekommen hatte. Die Polizei war froh, dem 24-jährigen, psychisch auffälligen und mehrfach vorbestraften Mann Wünsche erfüllen zu können. Denn seine genauen Forderungen blieben bis zuletzt unklar.

    Forderungen blieben unklar

    Um kurz vor 9 Uhr am Montagmorgen beginnt das Drama. Die erste Nachricht: Ein bewaffneter Mann hat im Alten Rathaus von Ingolstadt mehrere Geiseln in seiner Gewalt. Für den Nachmittag ist eine große CSU-Wahlkampfveranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rathausplatz geplant. Steht die Geiselnahme im Zusammenhang mit dem Besuch der Kanzlerin? Nach und nach sickern Informationen durch. Es handelt sich um vier Geiseln. Alle arbeiten in der Stadtverwaltung. Oberbürgermeister Alfred Lehmann ist in Sicherheit.

    Aber unter den Geiseln ist Ingolstadts Dritter Bürgermeister, Sepp Mißlbeck (Freie Wähler) sowie die 25 Jahre alte Vorzimmerdame von Mißlbeck. Die junge Frau kennt den Geiselnehmer gut. Beide waren befreundet – bis der 24-Jährige beginnt, sie zu belästigen und ihr nachzustellen. Diese Vorgeschichte ist offenbar der Auslöser der Geiselnahme. Eigentlich wollte die 25-Jährige, die zuvor Angestellte im Sozialen Rathaus war, einem Gestrauchelten helfen. Das jedenfalls gab die junge Frau im Juni vor dem Landgericht Ingolstadt im Zeugenstand an, als dem Mann der Prozess gemacht wurde.

    Mehrere Jahre kannte man sich flüchtig und nur aus dienstlichen Gründen. Als der Arbeitssuchende die Verwaltungsmitarbeiterin dann fragte, ob man sich treffen könnte, willigte sie ein. Spaziergänge nach Dienstschluss und gemeinsame Pizzaessen waren die Folge. „Es wurde irgendwie eine Freundschaft“, sagte die Frau der Strafkammer. Eine Freundschaft ohne Interesse an einer tieferen Beziehung oder gar sexuelle Absichten, betonte sie. Doch diese Freundschaft geriet aus den Fugen, als die junge Frau dem Mann im Frühjahr vergangenen Jahres sagt, dass sie einen festen Freund habe.

    Von nun an bombardierte er sie mit SMS, nicht selten bis zu 50 Stück am Tag. Er „verbot“ ihr eine Beziehung und warnte sie vor allen Männern. Weil die brutal seien und Frauen nur schlagen würden. Denn diese Erfahrung hat der 24-Jährige in seinem Leben schon sehr oft gemacht.

    Vor allem in seinem Elternhaus, wo die Mutter neun Kinder mit fünf Männern hatte, von denen einige zuschlugen, wenn es Probleme gab. Daraus wuchs wohl der innige Wunsch des Mannes nach einer festen und tiefen Beziehung ohne Streit, in der er die Rolle des Beschützers einnehmen könnte. Die junge Frau aus dem Sozialen Rathaus sollte seinen Schutz bekommen. Ob sie ihn wollte oder nicht. Sie wollte nicht und teilte ihm das auch mit. Seine SMS wurden aggressiver. Falls sie ihren neuen Freund nicht verlasse, „breche ich Dir die Knochen!“, schrieb er. Als die Frau nicht mehr antwortete, drohte er: „Also gut, dann zerstöre ich Dein Leben!“

    Diese Drohung will der junge Mann möglicherweise am Montag wahr machen, als er mit einer Waffe im Alten Rathaus auftaucht. Die 25-Jährige war in das Vorzimmer von Bürgermeister Mißlbeck versetzt worden. Das Opfer der Nachstellungen litt seit Monaten an Angstzuständen.

    Die Frau stand zeitweise sogar unter Polizeischutz und ließ aus Angst vor dem Angeklagten in ihrer Wohnung eine Alarmanlage und Überwachungskameras installieren. Denn der Stalker war wieder im Sozialen Rathaus aufgetaucht, wo er Hausverbot hatte. Die Polizei wartete auf ihn und führte ihn ab. Seither war er im Bezirkskrankenhaus Straubing untergebracht.

    Vorbestrafter Geiselnehmer

    Die jüngste Anklage reichte von Nachstellung über versuchte Nötigung, Beleidigung, Körperverletzung, Bedrohung und Hausfriedensbruch bis zum Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz. Ende Juli wurde er zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Der Staatsanwalt erklärte in seinem Plädoyer: „Für die Allgemeinheit und auch für Sie wäre es besser, wenn Sie sich in stationäre Behandlung begeben würden. Aber ich weiß, dass Sie das nicht wollen, und rechtlich können wir es nicht erzwingen.“

    Immerhin: Noch am Mittag lässt der 24-Jährige die erste Geisel frei. Und um 14 Uhr kommt der Dritte Bürgermeister, Sepp Mißlbeck, um die Ecke, begleitet von zwei Polizisten. Auch er wurde freigelassen. Es scheint ihm gut zu gehen. Was er durchgemacht hat, deutet sich erst an, als Mißlbeck sich kurz gegenüber den Medien äußert. Der Geiselnehmer habe zu ihm gesagt: „Alter Mann, du bist der Erste, der eine Kugel in den Kopf kriegt.“

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