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Klinikum Memmingen: Für den Moment den Tod ausschalten: So helfen Therapiehunde auf der Palliativstation

Klinikum Memmingen

Für den Moment den Tod ausschalten: So helfen Therapiehunde auf der Palliativstation

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    Ivana Seger besucht mit ihren beiden Hunden Sissi und Helga im Rahmen der tiergestützten Therapie auf der Palliativstation des Klinikums Memmingen den Patienten Richard Mentl.
    Ivana Seger besucht mit ihren beiden Hunden Sissi und Helga im Rahmen der tiergestützten Therapie auf der Palliativstation des Klinikums Memmingen den Patienten Richard Mentl. Foto: Maike Scholz

    Sie sind im Einsatz, warten geduldig vor der Tür. Mit einem Satz sind sie dann auf dem Bett, schnüffeln, lassen sich streicheln, hören zu, gucken dem Patienten in die Augen: Im Klinikum Memmingen kommen auf der Palliativstation ab sofort Hunde zum Einsatz. Tiergestützte Therapie nennt sich das. „Meines Wissens sind wir mindestens in Bayern die erste Klinik, die das umsetzt“, sagt Klinikvorstand Maximilian Mai.

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    Was bedeutet das? Die Patientinnen und Patienten, die wollen, erhalten Besuch von einem Hund. Künftig ist es das Tier von Petra Kühndahl aus Schnürpflingen bei Ulm. Im Februar hat sie mit ihrem Miniature-Australian-Shepherd namens Freyja die Zertifizierung als Therapiebegleithunde-Team absolviert.

    Um sich gut einzufinden, bekam sie nun Unterstützung von Ivana Seger mit ihren Therapiehunden Sissi und Helga. Die Palliativschwester aus Flörsheim (Hessen) arbeitet seit 15 Jahren tiergestützt und gab ihr Wissen und ihre Erfahrungen bei einem Besuch in Memmingen an Kühndahl weiter. Alle zwei Wochen werden Petra Kühndahl und ihr Hund künftig auf der Palliativstation in Memmingen anzutreffen sein.

    Petra Kühndahl ist Diplom-Sozialpädagogin, arbeitet als Fachlehrerin an der Heilerziehungsschule in Memmingen. Im Rahmen des Unterrichts geht Hündin Freyja bereits mit in die Schule. Jetzt wurde die 54-jährige Sozialpädagogin von der Klinik angefragt.

    „Ich finde die Idee einfach sehr schön und bin auch aufgeregt. Auf Station ist es doch etwas anderes. Aber wir fangen langsam an und geben allen Zeit: Mensch und Tier“, sagt sie und ergänzt: „Es soll hier kein Druck dahinter sein. Das Tempo bestimmt der Patient.“ Der Hundebesuch soll Nähe herstellen, Freude bringen sowie Abwechslung und Ablenkung im Alltag sein.

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    Ivana Seger stimmt ihr zu: „Eine Palliativstation ist und bleibt ein Ort, wo über Krankheit gesprochen wird. Aber wenn wir mit den Hunden kommen, dann erleben wir andere Menschen. Sie sollen die Krankheit für einen Moment vergessen und einfach mal wieder Mensch sein können.“ Jeder Besuch sei individuell und nach dem Befinden des Patienten ausgerichtet. War jener gestern noch in guter Verfassung und für einen Hundebesuch bereit, könne sich das schnell ändern. Das wird akzeptiert. „Wir können mit der ganzen Bandbreite arbeiten – die Tiere liegen im Flur, im Türrahmen oder dann eben auch ganz nah beim Bett des Patienten“, zeigt Seger auf. Ein weiterer Aspekt sei die Wirkung auf die Angehörigen. „Sie gehen auch anders zu ihren Liebsten, wenn sie vorher Kontakt zu den Tieren hatten.“

    Ihre Hunde mit anderen Menschen „zu teilen“, macht Ivana Seger nichts aus. „Neid darf man natürlich nicht haben. Man muss helfen wollen, deswegen macht es mir nichts aus, den Hund für den Moment abzugeben“, sagt sie und erklärt: „Ich erwarte von meinen Hunden, dass sie für den Moment den Tod ausschalten. Das ist die Königsdisziplin für das Tier.“ 150 Patienten seien schon mit ihren Hunden im Arm gestorben.

    Sissi und Helga sitzen auf einem Bett neben jenem von Patient Richard Mentl. Ganz vorsichtig streichelt er die Tiere am Kopf. Ivana Seger spricht mit ihm – über die Tiere, die eigenen Hobbys. Über all das, worüber Richard Mentl Lust hat, zu sprechen. Der streichelt weiter – und wirkt entspannt. Dadurch wird schnell klar: Es geht um so viel mehr als nur das Streicheln eines Tieres.

    Welche rechtlichen Rahmenbedingungen braucht es für eine tiergestützte Therapie?

    Damit so eine tiergestützte Therapie angeboten werden kann, bedarf es einiger Rahmenbedingungen. Ist eine Person gefunden, die diese Aufgabe mit dem Tier übernehmen kann, muss die Klinikleitung zustimmen. Der Hund muss zertifiziert sein, strenge Hygieneregeln müssen ebenso erfüllt werden, so Stationsleitung und Palliativfachkraft Ines Rudolf.

    Sie freut sich, dass die tiergestützte Therapie in Memmingen zum Einsatz kommt. „Der Hauptanschub kam aus der Station selbst. Die Idee hat uns inhaltlich und medizinisch überzeugt“, zeigt Maximilian Mai auf. Mit Blick auf die Organisation und Umsetzung sagt er: „Wenn man innovative Wege gehen will, findet man eine Lösung. Darauf sind wir stolz.“ Da das Projekt nicht von der Kasse bezahlt wird, wird es über Spenden finanziert.

    Die tiergestützte Therapie als Möglichkeit für weitere Stationen? „Wir müssen Schritt für Schritt gehen und geduldig in die Zukunft schauen“, sagt Maximilian Mai und beobachtet dabei kurz Richard Mentl, der mit einem Lächeln im Gesicht über den Kopf von Sissi streichelt.

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