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NÜRNBERG/MÜNCHEN: Max Mannheimer erhält den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen

NÜRNBERG/MÜNCHEN

Max Mannheimer erhält den Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen

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    Europäischer Karlspreis: Die Sudetendeutsche Landsmannschaft zeichnet den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer für seine „Verdienste um eine gerechte Völkerordnung in Mitteleuropa“ aus.
    Europäischer Karlspreis: Die Sudetendeutsche Landsmannschaft zeichnet den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer für seine „Verdienste um eine gerechte Völkerordnung in Mitteleuropa“ aus. Foto: Foto: dpa

    „Ich kann nicht hassen“ – dieser Satz spiegelt viel von dem großen alten Zeitzeugen Max Mannheimer wider. Er hat ihn im vergangenen Jahr gesagt, als ihm die Ehrenbürgerwürde der Stadt Dachau verliehen wurde. Ein Satz, der zeigt, dass der Mann, der als KZ-Häftling die Gefangenschaft in Theresienstadt, Auschwitz, Warschau und Dachau überlebt hat, durch die schrecklichen Leiden des Holocaust nicht hart geworden ist, sondern Menschenfreund geblieben ist.

    Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ehrt den 92-jährigen Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Dachau, der in Neutitschein in Nordmähren geboren wurde, an diesem Samstag mit dem Europäischen Karlspreis (siehe Infokasten). Der Europaabgeordnete und Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt (CSU), wird dem Sozialdemokraten Mannheimer den Preis wegen dessen „Verdienste um eine gerechte Völkerordnung in Mitteleuropa“ verleihen, heißt es auf der Homepage des „Sudetendeutschen Tages 2012“, der am Pfingstwochenende in Nürnberg stattfindet.

    Lange hat Mannheimer geschwiegen. Nicht über die Schrecken gesprochen, denen er begegnet ist. In einem Interview mit dem „Münchner Merkur“ erinnerte er sich an einen Zusammenbruch, als er ein eingraviertes Hakenkreuz sah. Er litt an Depressionen, nahm Tabletten, brauchte psychiatrische Hilfe. Um das Trauma zu verarbeiten, hat ihm am meisten das Malen geholfen. Mannheimers Künstler-Pseudonym ist Ben-Jakov in Erinnerung an seinen Vater Jakob Mannheimer, einem jüdischen Kaufmann.

    Bis dahin konnte Max Mannheimer nicht erzählen, dass fast seine ganze jüdische Familie vernichtet worden war: seine Eltern, zwei seiner Brüder, die Schwester und Eva Bock, die er 1942 geheiratet hatte. Und nicht, wie er von diesen Menschen bei der Selektion an der Rampe in Auschwitz getrennt wurde. Nur sein sechs Jahre jüngerer Bruder Edgar überlebte, wie er.

    In der alten Heimat im heutigen Tschechien, in Neutitschein im „Kuhländchen“, versuchte Mannheimer nach der Befreiung des KZs Dachau durch die US-Amerikaner, ein neues Leben anzufangen. Dort lernte er seine zweite Frau Else kennen, hier kam auch die gemeinsame Tochter zur Welt. 1966 kam die kleine Familie nach München – in die Stadt, die der Holocaust-Überlebende nicht mehr hatte betreten wollen. Heute lebt er in Haar bei München.

    Als die Tochter 17 Jahre alt war und Mannheimer glaubte, er leide an einer unheilbaren Krankheit, hat er 1964 in einem „Späten Tagebuch“ sein Schweigen gebrochen, damit die Tochter „etwas über ihre Familie weiß“. Anlässlich seines 80. Geburtstags im Jahr 2000 sind die Erinnerungen im Pendoverlag in Zürich erschienen.

    Darin beschreibt Mannheimer, wie er und sein Bruder gedemütigt und gequält wurden, wie sie an Hunger und Krankheiten litten. Aber er schildert auch, wie zuvor schon langsam zunehmende Diskriminierung der Juden in der mährischen Heimat zu spüren war. Seit den 1980er Jahren berichtet Max Mannheimer Jugendlichen vom Unbeschreiblichen und verliert dabei nie Optimismus und seinen Mutterwitz. Der Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau hat in Klassenzimmern ungezählte Male den Ärmel über seiner Tätowierung hochgekrempelt, die Nummer hergezeigt, die man ihm in Auschwitz gegeben hatte. „Ich bin Zeitzeuge und kein Ankläger und kein Richter“ lautet Mannheimers Devise. „Es kommt mir weniger darauf an, mein Leid zu klagen, sondern es kommt mir darauf an, zu vermitteln, wie eine Diktatur entsteht und wie man sie verhindern kann.“

    Der Europäische Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft

    Seit 1958 verleiht die Sudetendeutsche Landsmannschaft den Europäischen Karlspreis an Persönlichkeiten und Einrichtungen der Politik, des Geisteslebens oder der Wirtschaft, die sich besondere Verdienste um die Verständigung und Zusammenarbeit der Völker und Länder Mitteleuropas erworben haben. Er ist nach dem römisch-deutschen Kaiser Karl IV. benannt. Die Verleihung erfolgt anlässlich des Sudetendeutschen Tages und nur in Anwesenheit des Preisträgers.

    Der 63. Sudetendeutsche Tag am 26. und 27. Mai steht unter dem Motto „Herkunft pflegen – Zukunft sichern“. Erstmals stellen sich Städte aus der bayerisch-böhmischen Grenzregion auf einer Tourismusbörse vor. Daneben bietet das Programm über 40 Veranstaltungen, darunter Vorträge, Podiumsdiskussionen, Gottesdienste oder Ausstellungen. Am Sonntag wird der Schirmherr, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), bei der Hauptkundgebung sprechen.

    Rund 250 000 Menschen sind nach Angaben der Landsmannschaft in den sudetendeutschen Verbänden organisiert. Sie fordern von der tschechischen Regierung seit Jahrzehnten die Aufhebung der sogenannten Beneš-Dekrete und stoßen damit regelmäßig auf Ablehnung bei der Prager Regierung. Die Erlasse dienten nach dem Zweiten Weltkrieg als Rechtsgrundlage für die Enteignung und Vertreibung von rund drei Millionen Deutschen in der damaligen Tschechoslowakei.

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