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WÜRZBURG: Minderjährige Flüchtlinge hinter Klostermauern

WÜRZBURG

Minderjährige Flüchtlinge hinter Klostermauern

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    Möchten jungen Flüchtlingen helfen: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (Mitte) und Mitglieder ihres Präsidiums besuchen die Clearingstelle von Don Bosco im Franziskaner-Kloster in Würzburg.
    Möchten jungen Flüchtlingen helfen: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (Mitte) und Mitglieder ihres Präsidiums besuchen die Clearingstelle von Don Bosco im Franziskaner-Kloster in Würzburg. Foto: Foto: tHOMAS oBERMEIER

    Die hohe und stark steigende Zahl minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge stellt Bayern vor Probleme: Die vielen Neuankömmlinge brauchen von jetzt auf gleich Unterkünfte, manchmal Heimplätze; sie brauchen Dolmetscher, Lehrer, Betreuer, manchmal Psychologen. Und kaum, dass Betreuer und Betten gefunden wurden, steht schon die nächste Gruppe minderjähriger Flüchtlinge vor der Tür. Nicht immer ist deren kontinuierliche Betreuung gesichert; nicht immer funktioniert das Zusammenspiel der Behörden gut: Das ist, grob zusammengefasst, das Bild, das die zuständigen Stellen Landtagspräsidentin Barbara Stamm am Freitag vermittelten. Gemeinsam mit den Landtagsvizepräsidenten Reinhold Bocklet, Peter Meyer und Ulrike Gote und weiteren Präsidiumsmitgliedern war Stamm nach Würzburg gefahren, um hier einen möglichst klaren und unverfälschten Eindruck von der Lage und den Bedürfnissen der Flüchtlinge zu gewinnen.

    Stark steigende Zahlen

    Rund 3000 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge sind schon im vergangenen Jahr nach Bayern gekommen; mit weiteren 3000 bis 4000 wird in diesem Jahr gerechnet. Der Bezirk hat laut der Regierung von Unterfranken schon rund 250 Plätze für junge Flüchtlinge geschaffen und vergeben, hat rund 200 weitere geplant und muss voraussichtlich nochmals draufsatteln: „Wir rechnen damit, dass bis Ende des Jahres insgesamt 600 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Unterfranken sind“, sagt Andreas Halbig, Direktor der Würzburger Caritas-Don Bosco gGmbh. Seine Einrichtung trägt die Clearingstelle, in der derzeit 43 junge Männer für die ersten zwölf Wochen ihres Aufenthalts in Deutschland Aufnahme gefunden haben.

    Weil in den Räumen von Don Bosco der Platz schon nicht mehr reicht, leben 21 der unbegleiteten Flüchtlinge direkt in der Würzburger Innenstadt im Kloster der Franziskaner-Minoriten. Und das ist der Grund, warum Barbara Stamm und weitere Präsidiumsmitglieder jetzt im 800 Jahre alten, kühlen Kreuzgang des Klosters stehen, darauf warten, dass die Tür zum Wohntrakt mit einem großen, alten Schlüssel aufgesperrt wird und sie dann über lange Treppen zu den Einzelzimmern hinter Klostermauern gelangen: Mönche wohnen hier nicht mehr, stattdessen die minderjährigen Jungs. „Dass dicke Klostermauern sie vor der Welt draußen schützen, tut den Jungen gut“, sagt eine Betreuerin. Die dicken, uralten Mauern vermittelten den Jugendlichen ein Gefühl von Sicherheit, das sie während ihrer Flucht entbehren mussten. „Manche der Jungs schlafen hier das erste Mal seit Wochen ein paar Stunden durch“, sagt die Betreuerin.

    So wie die Franziskaner-Minoriten seit Januar Wohnräume zur Verfügung stellen, überlässt das Bischöfliche Priesterseminar in der Würzburger Domerschulstraße den minderjährigen Flüchtlingen Schulräume. „Ab dem zweiten Tag nach der Ankunft lernen die Jungs Deutsch“, sagt eine Lehrerin. Die Flüchtlinge seien sehr motiviert; der Unterricht sei dennoch herausfordernd, weil keine stabile Gruppe von Jungen da sei, sondern deren Zusammensetzung fast täglich wechsle. „Neue kommen; andere, deren zwölfwöchige Clearingphase beendet ist, gehen wieder.“

    In der Clearingphase muss nach den Worten von Caritas-Don Bosco-Direktor Halbig die Identität, die Herkunft, das Alter der jungen Flüchtlinge geklärt werden; die Betreuer müssen entscheiden, welcher der jungen Männer intensive Betreuung und medizinische Behandlung braucht und wer mit „nur“ Schulunterricht und Wohnung zurechtkommt. Dass das „Kultusministerium in Schuljahren“ rechnet, die Flüchtlinge aber jeden Tag kommen, ist Halbig zufolge ein Problem, das die Clearingstelle sehr beschäftigt. „Die Flüchtlinge brauchen nach Abschluss der Clearingphase eine Struktur. Es reicht nicht zu klären, dass sie ab September in die Berufsschule gehen können; sie müssen bis dahin sinnvoll beschäftigt werden“, so Halbig. Obwohl das Kultusministerium Übergangsklassen geschaffen habe, gebe es immer noch zu wenig Schul- und Berufsschulklassen für die jungen Flüchtlinge. Problematisch sei auch, dass manche Jugendlichen mit dem 18. Geburtstag aus der intensiven Jugendhilfebetreuung kippten, obwohl sie diese noch bräuchten. Landtagspräsidentin Barbara Stamm versprach, sich für eine bessere Verzahnung der Maßnahmen einzusetzen. Sie wolle auch bewirken, sagte sie, dass Flüchtlinge, die etwa in München aus dem Zug stiegen, aber in der Region Würzburg untergebracht werden sollten, gleich in der Würzburger Clearingstelle aufgenommen werden können, statt wie bisher in München darauf warten zu müssen, dass etwa Vormundschaften beschlossen würden.

    Ablehnungsquote über 90 Prozent

    Nach den Worten von Thomas Maier und Tracey Hayduk von Don Bosco, beide für die Clearingstelle tätig, kommen die meisten der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge derzeit nicht hauptsächlich aus den Bürgerkriegsgebieten Irak oder Syrien, sondern auch etwa aus Somalia und Afghanistan. Unter den Flüchtlingen, die im Priesterseminar Deutsch lernen, sind auch Jungen aus Sierra Leone oder Indien. Maier und Hayduk zufolge durchlaufen die minderjährigen Flüchtlinge genauso wie erwachsene Flüchtlinge ein Asylverfahren. „Die Ablehnungsquote bei minderjährigen Flüchtlingen beträgt über 90 Prozent“, so Hayduk. Den Flüchtlingsstatus bekämen viele Minderjährige; abgeschoben würden sie so gut wie nie.

    Wie Caritas-Don Bosco-Direktor Halbig betonte, erhoffen sich die Flüchtlingsbetreuer sichere Perspektiven für ihre Klientel. Nach der Schule bräuchten die jungen Leute Ausbildungsplätze; diese würden die Betriebe aber nur dann bereitstellen, wenn sie davon ausgehen könnten, dass die Jugendlichen langfristig in Deutschland blieben.

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