Dass die Einführung der Mittelstufe Plus manche Schüler dazu verleitet habe, sich zunächst weniger anzustrengen als in den Jahren zuvor, berichten übereinstimmend jene unterfränkischen Schulleiter, deren Schulen Pilot-Gymnasien sind. An den Pilot-Gymnasien laufen Klassen mit der dreijährigen G8-Mittelstufe und der verlängerten, vierjährigen Mittelstufe Plus parallel. Insgesamt 47 dieser Pilot-Gymnasien gibt es seit 2015 in Bayern, sechs von ihnen liegen in Unterfranken.
„Wir haben festgestellt, dass eine unserer Mittelstufe-Plus-Klassen sehr motiviert und gut lernt, während die andere Mittelstufe Plus-Klasse sich gehen lässt“, sagt Edith Degenhardt, Schulleiterin des Rhön-Gymnasiums Bad Neustadt. Auch der Schulleiter des Spessart-Gymnasiums in Alzenau, Frank Sommer, berichtet von einem „Schlendrian“, der besonders in einer Klasse eingezogen ist. „Durchaus nachvollziehbar“, findet der Schulleiter – aber dennoch habe man es nicht dulden können, dass einige Schüler die Mittelstufe Plus mit grenzloser Freizeit hätten gleichsetzen wollen.
„Bei Elternversammlungen haben wir kommuniziert, dass es so nicht geht“, sagt Sommer. Degenhardt arbeitet mit Schüler-Motivations-Projekten gegen das süße Nichtstun an. Und am Würzburger Röntgen-Gymnasium, wo laut Schulleiter Hans Reinfelder auch manche Schüler „antriebsarme Wochen“ durchlebt haben, hält man mit Mentorenmodellen gegen. Mittlerweile haben laut Schulleiter die Achtklässler aber offenbar begriffen, dass man „ohne Lernen auch in der Mittelstufe Plus nicht weiterkommt“.
Insgesamt ist die Zwischenbilanz der sechs Schulleiter nach einem halben Jahr Mittelstufe Plus gut. „Der Notenschnitt in den Mittelstufe-Plus-Klassen liegt leicht über dem der regulären G8-Klasse“, berichtet Schulleiter Sommer aus Alzenau. Im Würzburger Röntgen-Gymnasium sieht man weder bei den Noten noch bei den Quoten versetzungsgefährdeter Schüler Unterschiede zwischen regulären Klassen und Mittelstufe-Plus Klassen. Gleiches berichtet der stellvertretende Schulleiter des Hammelburger Frobenius-Gymnasiums, Marco Korn, von seiner Schule.
Der Schulleiter des Friedrich-Dessauer-Gymnasiums Aschaffenburg, Michael Lummel, freut sich, dass die Mittelstufe Plus es den Lehrkräften erlaubt, „Stoff und Reifungsgrad zu harmonisieren“. Soll heißen: Literatur wie „Faust“ oder „Macbeth“, die von älteren Schülern besser verstanden wird als von jüngeren, kann im verlängerten Gymnasium auch wieder mit reiferen Schülern gelesen werden.
Schulleiter Sommer aus Alzenau betont den Wert des langsameren Lernens. „Wir können den Stoff in der Mittelstufe Plus häufiger wiederholen und so besser üben als im regulären G8“. Sommer sagt, gerade die jungen Kollegen, die als Lehrer nur G8 gewöhnt seien, hätten es regelrecht lernen müssen, den Unterricht langsamer anzugehen. „Für manche Kollegen ist es direkt anstrengend, sich Zeit zu lassen mit dem Stoff“. Da habe man ein neues pädagogisches Konzept überlegen müssen.
Vom Unterrichtsmaterial her unterscheiden sich G8 und Mittelstufe-Plus-Klassen nach Berichten der Schulleiter nicht. „Die einen gehen etwas schneller vor als die anderen; aber nach einem halben Jahr ist der Unterschied noch nicht sehr groß“, so die Schulleiter. Nicht alle Fächer würden „gedehnt“ – nur in den Kernfächern, also in Mathe, Deutsch und den Fremdsprachen seien die Lerntempi unterschiedlich. In den Mittelstufe-Plus-Klassen entfielen aber auch einige kleinere Fächer für ein Jahr. „Unsere Mittelstufe-Plus-Klasse hat zum Beispiel keinen Unterricht in Geographie; der kommt erst nächstes Jahr wieder“, berichtet Hans Reinfelder, der Leiter des Würzburger Röntgen-Gymnasiums.
Grundsätzlich freuten sich die Schüler – und ihre Eltern – am meisten darüber, dass die Nachmittage der Mittelstufe-Plus-Kinder jetzt unterrichtsfrei seien.